Selbstheilung: "Du musst selbst
Verantwortung übernehmen"

Selbstheilung ist eine unterschätzte Macht, die noch nicht im Bewusstsein der österreichischen Bevölkerung angekommen ist. Das behauptet Physiotherapeutin und Buchautorin Tamara Haas. Wie man selbst Verantwortung für Schmerzen und seine Gesundheit übernimmt, erklärt sie im Gespräch mit news.at.

von Gesundheit - Selbstheilung: "Du musst selbst
Verantwortung übernehmen" © Bild: istock images

"Ich wurde mit 14 Jahren von Ärzten zum Krüppel erklärt", sagt Tamara Haas nüchtern. Nach einem Skiunfall konnte sie ihr Knie nicht mehr bewegen. Dazu kam ihr starkes Asthma. Das Fazit der Mediziner: Mit 70 Prozent Lungenfunktion und einem kaputten Knie könnte sie niemals mehr laufen. Doch diese Diagnose wollte sie nicht kampflos hinnehmen - trotz Schmerzen.

»Heute kann ich 15 Kilometer laufen – ohne Probleme«

"Ich habe mit Blut, Schweiß und Tränen daran gearbeitet, dass ich es schaffe. Heute kann ich 15 Kilometer laufen – ohne Probleme", erzählt sie. Nicht nur ihr persönlicher Leidensweg, sondern auch ihr Beruf als Physiotherapeutin und die vielen Krankengeschichten ihrer Patienten, haben sie dazu inspiriert, das Buch "Geheilt: Wie du deine Krankheiten selbst umprogrammierst", zu verfassen.

Wie kann ich mich selbst heilen?

Im Werk erklärt sie, welchen zentralen Einfluss das Gehirn, aber auch das Lebensumfeld, auf Schmerzen, Verletzungen und Krankheiten haben. Wichtig sei zu verstehen, dass es im Körper drei große Stellschrauben gebe, die sich gegenseitig beeinflussen:

  • Das Gewebe
  • Der Stoffwechsel
  • Die Psyche

"Das Gewebe empfindet den Schmerz und sagt, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Mit Stoffwechsel meine ich alle Dinge die, die Zelle zur Verfügung hat um das Gewebe zu regenerieren und reparieren. Das können Sauerstoff, Flüssigkeit, Nahrung oder Medikamente sein. Die Psyche kann dann den beiden anderen Komponenten helfen oder eben Heilung verhindern", erklärt Haas.

Ein praktisches Beispiel:Wenn Sie Stress im Alltag haben oder Sie sich Sorgen machen, dann schütten Sie Stresshormone aus (= Stoffwechsel). Diese wiederum machen das Gewebe spröde und erhöhen die Verletzungsgefahr (= Gewebe). Das erklärt, wieso Sie sich ganz oft bücken können, aber dann an einem bestimmten Tag (= Psyche) verletzen Sie sich dabei. Niemand holt sich einen "Hexenschuß" oder "Bandscheibenvorfall" nur weil er sich einmal gebückt hat. Es sei immer die Verkettung von allen Komponenten die dazu geführt hat.

»Die klassische Schulmedizin berücksichtigt das 'große Ganze' nicht«

Mit der klassischen Schulmedizin geht sie in diesem Kontext hart ins Gericht: "In Österreich wird auf die ganzheitliche Betrachtung des Körpers keinen Wert gelegt", kritisiert Haas. Schon während der Ausbildung finde eine Trennung statt und die Ärzte würden sich kaum fachübergreifend miteinander vernetzen. "Die österreichische Kassenmedizin, die wir heute kennen, ist eine reine Notfall-Grundversorgung." So hätte der Kassenarzt im Schnitt zwei bis fünf Minuten pro Patient Zeit. "Was soll er da schon groß machen oder bewirken können?"

»Medizin darf nichts kosten - das ist die falsche Denkweise!«

Dass Medizin nichts kosten darf, sei jedoch die falsche Denkweise. "Das System kann keine Luxusqualität mehr leisten, man muss selbst Verantwortung übernehmen, wenn man nicht in der Grundversorgung hängen bleiben will", sagt die 40-Jährige nüchtern. Und Verantwortung übernehmen heißt - abgesehen von der finanziellen Komponente - sich nicht von einer Diagnose einschüchtern zu lassen.

Richtig auf eine Schock-Diagnose reagieren

Wenn der Arzt sagt: "Da kann man nichts mehr machen, dass ist Abnutzung", dann ist das definitiv nicht die Endstation. Patienten sollen stattdessen versuchen ihre Verletzungen und chronischen Krankheiten zu hinterfragen und zu verstehen. Eine Liste auf der man alle körperlichen Schwachpunkte und eine zweite Liste auf der man alle mentalen Stresskomponenten notiert, könne helfen sich selbst Klarheit zu verschaffen.

Warum Schmerz nicht negativ ist

Dann geht es ans Eingemachte. Denn Verletzungen gehen immer mit Schmerz einher und das schüchtert die meisten Patienten ein. "Schmerz ist nichts anderes als ein Alarmsignal, das vom Gehirn ausgelöst wird", erklärt Haas. Doch wie weit kann man gehen, wenn der Schmerz da ist? Die Antwort klingt simpel: So sollen sich die Menschen wieder mehr auf ihr Körpergefühl verlassen. "Einfach so weit bewegen, bis der Schmerz kommt. Und jeden Tag, Stück für Stück, ein bisschen mehr", sagt die Buchautorin. Sportler wüssten ganz genau: An der Leistungsgrenze tue es immer weh.

»Das Gehirn ist wie eine Befehlszentrale«

"Das Gehirn ist wie eine Befehlszentrale. Wer gesund werden will, muss körperlich an seinen Grenzen arbeiten, dieses Bewusstsein will ich in der Bevölkerung schaffen." Denn nichts schlimmeres gibt es für Tamara Haas zu hören, als jenen Satz, den sie bei einem Krankenhausbesuch während ihrer Ausbildung häufig vernommen hat: "Herr Doktor, wie geht es mir denn heute?" Denn niemand sollte die Verantwortung für seinen Körper an jemand anderen abgeben.

Verantwortung für Krankheit übernehmen

Damit die Selbstheilung gelingt, müsse man allerdings seinen Alltag ordentlich umkrempeln. Oft sind es banale Dinge Selbst wie regelmäßiges Faszientraining, Drei Liter Wasser am Tag trinken, das Schlafverhalten verbessern oder sich vom nervigen Kollegen im Büro lösen, um massiv zur Genesung beizutragen.

Auch interessant: "Impingement Syndrom": Woher kommt der Schmerz in der Schulter?

"Schmerzen, Verletzungen und Krankheiten sagen uns: Hier ist eine Baustelle in deinem Körper! Man muss das ernst nehmen und schauen, was die Ursache für den Schmerz ist“, so Tamara Haas. Wichtig ist, herausfinden, wie man diesen Schmerz-Ursachen begegnet, damit sie keine Schmerzen mehr auslösen können. „Niemand mag Schmerz, er kann aber auch eine echte Chance sein, um sein eigenes Leben positiv zu verändern“, ist sich die Physiotherapeutin sicher.

Buchtipp

Geheilt: Wie du deine Krankheiten selbst umprogrammierst*

Zur Person:
Die 40-Jährige Tamara Haas ist seit über 15 Jahren als ausgebildete Physiotherapeutin, Sportphysiotherapeutin und Heilmasseurin tätig. Sie betreibt eine eigene Praxis für Physiotherapie in Wiener Neustadt. Zudem hält sie Vorträge für das Berufliche Bildungs- und Rehabilitationszentrum e.V. (BBRZ) in Österreich. Ihr erstes Buch„Geheilt: Wie du deine Krankheiten selbst umprogrammierst“ ist 2019 im tredition Verlag erschienen.

*Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Links sind sogenannte Affiliate-Links. Wenn Sie auf einen Affiliate-Link klicken und über diesen Link einkaufen, bekommt news.at von dem betreffenden Online-Shop oder Anbieter eine Provision. Für Sie verändert sich der Preis nicht.

Kommentare