Für das Weltklima wird es knapp,
aber noch ist es nicht zu spät

Sonderberichts des Weltklimarats zum 1,5-Grad-Ziel präsentiert

Die Erderwärmung erfolgt schneller und mit schwereren Folgen als bisher angenommen. Zu diesem Schluss kommen die 91 Autoren des am Montag im südkoreanischen Incheon vorgestellten Sonderberichts des Weltklimarats IPCC zum 1,5-Grad-Ziel. Erforderlich sei daher ein zügiger Umbau der gesamten Weltwirtschaft. Beobachter beschrieben den Sonderbericht als politischen Weckruf.

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Umwelt - Für das Weltklima wird es knapp,
aber noch ist es nicht zu spät

"Die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, erfordert rasche, weitreichende und beispiellose Veränderungen in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft", erklärte der IPCC am Montag im Anschluss an eine mehrtägige Sitzung in der südkoreanischen Küstenstadt Incheon. Es gehe um Veränderungen in den Bereichen Energie, Industrie, Gebäude, Transport, in den Städten und auf dem Land.

Konsequenzen bereits zu sehen

"Eine der Kernaussagen des Berichts ist: Wir sehen derzeit bereits die Konsequenzen von einem Grad Erderwärmung wie mehr Extremwetter, steigende Meeresspiegel, schwindendes arktisches Meereis und andere Veränderungen", sagte der Co-Vorsitzende einer IPCC-Arbeitsgruppe Panmao Zhai. "Der Sonderbericht sendet ein klares Signal an die Politik: jetzt handeln, es ist fast schon zu spät," kommentierte Niklas Höhne von der niederländischen Universität Wageningen.

Das Papier zeigt einige klare Unterschiede zwischen einer Erwärmung von 1,5 und einer von 2,0 Grad. Der globale Meeresspiegel würde bis zum Ende dieses Jahrhunderts bei 1,5 Grad Erwärmung um zehn Zentimeter weniger klettern als bei 2,0 Grad. "Das würde beinhalten, dass zehn Millionen weniger Menschen den Risiken ausgesetzt wären, wie der Versalzung von Äckern oder Überschwemmungen durch Stürme in küstennahen Gebieten", sagte IPCC-Autor Wolfgang Cramer. "Das Nildelta und andere Flussdeltas erleben schon jetzt Verluste an Landfläche durch eindringendes Meerwasser."

Kohlendioxidausstoß muss ab 2020 sinken

Um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, sollte laut IPCC-Bericht der weltweite Kohlendioxidausstoß 2020 seinen Höhepunkt erreichen und danach deutlich absinken. Auch müsse bis 2050 Treibhausgasneutralität erreicht sein. Präzisiert wird das "CO2-Budget", das der Menschheit für ein Einhalten der 1,5-Grad-Grenze noch zur Verfügung steht. Für eine Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit, dies zu erreichen, wären es 420 Milliarden Gigatonnen CO2, was ohne Umsteuern innerhalb der nächsten zehn Jahre aufgebraucht sein dürfte.

Erneuerbare Energien von 20 auf 70 Prozent steigern

Der Anteil erneuerbarer Energieträger müsste den Wissenschaftern zufolge bis zur Mitte des Jahrhunderts von derzeit etwa 20 Prozent auf mindestens 70 Prozent ansteigen. Der Anteil der Kohle müsste möglichst auf Null, der von Gas selbst in Verbindung mit CO2-Abscheidung auf höchstens acht Prozent sinken. Der Rest würde in dieser Rechnung wohl vorwiegend auf Atomkraft entfallen.

Die Kosten

Die Kosten für diesen Umbau des Energiesektors dürften laut IPCC bis 2035 etwa 2,1 Billionen Euro betragen. Ähnlich drastische Maßnahmen wären bei Verkehr und Landwirtschaft notwendig. Bei Tatenlosigkeit wären demnach jedoch die Kosten zur Bewältigung der Klimafolgen noch erheblich höher. Auch könnte es bei einem Umsteuern Synergieeffekte hinsichtlich des Erreichens weltweiter Entwicklungsziele geben.

Bis vor einiger Zeit waren viele Experten noch davon ausgegangen, bei einer Erwärmung um bis zu zwei Grad würden deren Folgen weitgehend kontrollierbar bleiben. In dem neuen Bericht gehen die Klimaforscher jedoch von einem exponentiellen Anstieg der Risiken zwischen den Zielmarken von 1,5 und 2,0 Grad aus.

Extremwetter wird zunehmen

So dürfte die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Extremwetter, wie es einst einmal alle hundert Jahre auftrat, bei einem halben Grad mehr Erwärmung um etwa 50 Prozent zunehmen, der Fischfang in tropischen Gebieten dürfte vielerorts zusammenbrechen. Ackerbauerträge dürften um zehn bis 15 Prozent zurückgehen und Korallenriffe weltweit verschwinden.

Auch die Eisschmelze in Arktis und Antarktis würde sich dann beschleunigen. Sorgen macht den Forschern besonders ein Auftauen arktischer Permafrostböden. Große Mengen freigesetzten Methans würden dann den Klimawandel zusätzlich beschleunigen, ein drastischer Anstieg des Meeresspiegels dürfte die Folge sein.

Die gute Nachricht: Die IPCC-Experten halten ein Erreichen des 1,5-Grad-Ziels "technisch und wirtschaftlich für möglich" - wenn der politische Wille dafür da ist. Der Bericht enthält dafür vier Szenarien mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten.

Möglich wären etwa eine drastische Verringerung des Energieverbrauchs oder auch erhebliche Verhaltensänderungen wie eine Verringerung des Fleischkonsums und der Abschied vom Verbrennungsmotor bei Autos. Andere Szenarien setzen stärker auf Techniken, um CO2 im großen Stil aus der Atmosphäre zu entfernen. Generell halten die Experten solche negativen Emissionen durch CDR-Verfahren (carbon dioxide removal) für weitgehend unverzichtbar, erst recht, wenn das CO2-Budget zeitweise überschritten werden sollte.

Österreich laut Köstinger auf "sehr gutem Weg"

Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sieht Österreich nach dem alarmierenden Bericht des Weltklimarats auf "sehr gutem Weg". Die Klima- und Energiestrategie der Regierung "zeigt den richtigen Weg auf, wie wir diese Reduktion des CO2-Ausstoßes zustande bringen können", sagte sie im Ö1-Mittagsjournal. Der IPCC-Bericht spreche klar an, dass es auch weltweites Handeln braucht.

»Jetzt ist es wichtig, dass wir auch in die Umsetzung gehen«

"Jetzt ist es wichtig, dass wir auch in die Umsetzung gehen. Das betrifft vor allem die Bereiche Verkehr und Gebäude", betonte die Ministerin. "Ich bin überzeugt davon, dass wir es sehr wohl schaffen können", sagte sie angesprochen auf Kritik von Experten, mit den geplanten Maßnahmen sei eine Reduktion der CO2-Emissionen um 36 Prozent in Österreich nicht machbar. "Wir haben Maßnahmen aus der Klima- und Energiestrategie jetzt bereits vorgezogen, wie beispielsweise den Ausstieg aus Ölheizungen", erläuterte Köstinger.

Die Umweltministerin kündigte zudem Vereinfachungen bei Förderungen an. "Speziell was die thermische Sanierung betrifft, wurden die Fördervolumen in den letzten Jahren nicht ausgeschöpft, auch zum Teil, weil die Förderrichtlinien viel zu kompliziert und zu schwierig waren." Die Regierung habe sich zum Ziel gesetzt die Bürger nicht zu belasten. "Das, was wir sehr wohl versuchen, ist eben Anreize zu schaffen", sagte Köstinger.

Österreichs Industrie arbeitet klimaschonender

Dass die österreichische Industrie weitgehend klimaschonender arbeitet als die internationale, unterstrich der Vizegeneralsekretär der Industriellenvereinigung, Peter Koren, anlässlich des Sonderberichts des Weltklimarats. Daher sei es gut, in Österreich und Europa mit strengen Umweltauflagen zu produzieren, sonst würden Jobs ausgelagert und Produkte mit noch höherem CO2-Gehalt importiert.

Die heimische Zementindustrie etwa erzeuge eine Tonne Zement mit Emissionen von rund 560 Kilogramm CO2, global würden bei einer Tonne Zement aber 650 Kilo CO2 anfallen, sagte Koren im Mittagsjournal des ORF-Radio. Das Ziel der Industrie sei es, pro erzeugtem Produkt weniger Energie zu verbrauchen bzw. weniger CO2 zu emittieren.

Der Klimawandel sei ein globales Phänomen und könne auch nur durch eine globale enorme Anstrengung bewältigt werden, betonte der IV-Vizegeneralsekretär. Europa sei nur für maximal zehn Prozent der Weltemissionen verantwortlich, könne also durch seine Verpflichtungen allein die Einhaltung globaler Ziele nicht sicherstellen. Länder wie Australien oder die USA sollten wieder ins Klimaboot geholt werden.

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