Das sind die Helfer von Nickelsdorf

Hunderte engagieren sich freiwillig in der Betreuung und Versorgung der Flüchtlinge

Zehntausende Flüchtlinge kamen zuletzt über Nickelsdorf nach Österreich. Am ehemaligen Grenzübergang wurden sie neben den Einsatzkräften vor allem auch von hunderten Freiwilligen versorgt, die Spenden sortierten, Essen und Decken verteilten, als Sanitäter oder Dolmetscher aushalfen. News hat einige von ihnen begleitet.

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Eine freiwillige Helferin verteilt Essen in Nickelsdorf © Bild: www.philipptomsich.com Philipp Tomsich

Dienstagnachmittag am Parkplatz des ehemaligen Zollamts Nickelsdorf: Eine der bisher letzten großen Flüchtlingsgruppen kommt in Österreich an. Rund 1.500 Menschen marschieren zu Fuß über die Grenze, nachdem sie mit dem Zug ins ungarische Hegyeshalom gebracht wurden. Seit dem Vortag ist die serbisch-ungarische Grenze „dicht“, die bisherige Balkanroute der Flüchtlinge damit obsolet. Bereits am nächsten Tag wird kaum noch jemand in Nickelsdorf ankommen.

Die Flüchtlinge gehen einen von der Polizei mit Absperrgittern errichteten Korridor entlang, bis zum Flugdach des alten Zollamts. Dort werden sie von Freiwilligen in ihren Muttersprachen willkommen geheißen. Sie erklären ihnen, wie es jetzt weiter geht. Andere Helfer verteilen Wasser und Obst. Sofort bildet sich ein Schlange zur Essensausgabe, einer nach dem anderen erhält eine warme Mahlzeit. Alles läuft geordnet, routiniert, problemlos ab.

Ohne die Helfer ginge es nicht

Dass alles so gut klappt, ist vor allem auch ihnen zu verdanken: Den hunderten Helfern, die freiwillig Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge aufrecht erhalten. Als am Montag noch über 17.500 Geflüchtete an einem Tag über die Grenze kamen, wäre es ohne sie nicht gegangen.

Der 48-jährige Dietmar Mayr aus Zwentendorf ist an diesem Tag das erste Mal im Einsatz. Seit 9 Uhr früh räumt er Müll weg, legt Decken zusammen und hilft bei der Essensausgabe. Er gehört keiner Hilfsorganisation an, sondern ist einfach von selbst vorbeigekommen. Es gebe viele „Einzelkämpfer“ wie ihn, erzählt er. Die Eingliederung funktioniere aber völlig problemlos. Warum er da ist? „Ich mag einfach einmal helfen. Ich mag sagen können, ich war dabei und hab was getan“.

Der Freiwillige Dietmar Mayr bei der Essensausgabe in Nickelsdorf.
© Marko Mestrovic Dietmar Mayr kam „einfach vorbei“ und half bei der Essensausgabe.

Auch Saeed al-Tawil (29) hilft am Montag freiwillig in Nickelsdorf mit. Doch seine Geschichte ist eine völlig andere. Er ist selbst Flüchtling und den ersten Tag in Österreich. Der syrische Wirtschaftsstudent spricht gut Englisch und hilft seinen Landsleuten als Dolmetscher. Später meldet er sich noch im Sanitätszelt des Roten Kreuzes, um auch dort mitzuhelfen.

Bereits in Mytilini auf der griechischen Insel Lesbos hat er sich elf Tage lang für andere Flüchtlinge engagiert. Für das UNHCR und die Polizei übersetzte er, Syrern half er beim Ausfüllen ihrer Papiere. Gerade weil er selbst auf der Flucht ist, findet er das selbstverständlich: „Wenn nicht einmal Syrer Syrern helfen, dann würden sich die Leute fragen, warum sie etwas für uns tun sollen“.

Saeed al-Tawil, freiwilliger Helfer in Nickelsdorf.
© Marko Mestrovic Saeed ak-Tawil, selbst Flüchtling, engagiert sich ebenfalls.

Dominik Rapp ist seit einem Jahr Rettungssanitäter beim Roten Kreuz. Ab 9 Uhr war der 21-jährige am Montag in der Nova-Rock-Halle, wo ebenfalls viele Flüchtlinge untergebracht wurden. im Einsatz. Seit 14 Uhr ist sein Dienst eigentlich zu Ende, er blieb aber und hilft jetzt freiwillig. „Ich hab einen Spaß dabei. Weil ich sehr gern mit dem Rettungswagen mitfahre“, lacht er.

Behandelt werden müssen an den Rotkreuz-Stationen vor allem Kleinigkeiten, auch die Auswirkungen der langen Fußmärsche würden sich bemerkbar machen. Mit dem Rettungswagen musste er erst einmal ausfahren, bei einem Verdacht auf Blinddarmdurchbruch. Vor Ort sei alles sehr gut organisiert, für die einzelnen Dienste teilen sich die Sanitäter einfach selbst. Bis 20 Uhr macht er an diesem Tag noch Dienst.

Sanitäter Dominik hilft in Nickelsdorf mit.
© Marko Mestrovic Dominik Rapp ist Rettungssanitäter des Roten Kreuzes.

Elfgard Schiffmann ist Österreicherin, lebt aber in Ungarn. In Nickelsdorf sortiert die 62-Jährige die gespendete Kleidung, meistens von 14 Uhr bis 2 Uhr früh, oder auch länger, wenn es notwendig ist. „Am Nachmittag ist es meistens ruhig, da sortieren wir die Spenden“, sagt sie. Erst am Abend, wenn die meisten Flüchtlinge kommen, wird es hektisch: „Wir bringen den Leuten dann genau das, was gerade gebraucht wird. So bleibt das Chaos in Grenzen.“ Sie wird in Nickelsdorf bleiben, „so lange hier Hilfe gebraucht wird“, denn das sei für sie eine Selbstverständlichkeit.

Elfgard Schiffmann beim Sortieren von Spenden in Nickelsdorf
© Philipp Tomsich Elfgard Schiffmann sortiert die gespendete Kleidung.

Bereits seit einer Woche engagiert sich Sesilia al-Mousli für die derzeit in Österreich ankommenden Flüchtlinge. Zunächst hat sie am Wiener Hauptbahnhof beim Zusammenschluss „Train of Hope“ mitgearbeitet. Dann war sie auch in der Notschlafstelle der Caritas gegenüber dem Westbahnhof im Einsatz. Dort war es für sie allerdings „ganz schrecklich“, weil völlig chaotisch. Am Hauptbahnhof sei dagegen alles „super organisiert“ gewesen. Die 23-jährige Kindergärtnerin hilft „wann immer es geht, ich muss nur in der Früh rechtzeitig wieder in der Arbeit sein“. In der letzten Woche war sie nie vor 3 Uhr im Bett.

Am Montag half sie den dritten Tag in Nickelsdorf mit. Auch auf der ungarischen Seite in Hegyeshalom hat sie bereits Menschen versorgt und ihnen Mut gemacht. „Man muss einfach schauen, wer braucht was, und dann machen“, beschreibt sie ihr Engagement. Sesilia ist selbst mit elf Jahren aus Syrien nach Österreich gekommen, und stellt sich daher auch als Dolmetscherin zur Verfügung. Manchmal hat sie Angst, hier jemanden aus Syrien wiederzuerkennen. Die Flüchtlinge seien sehr dankbar, die Kinder aber auch oft anstrengend, erzählt sie.

Sesilia al-Mousli, freiwillige Helferin in Nickelsdorf
© Marko Mestrovic Half schon am Haupt- und Westbahnhof: Sesilia al-Mousli.

Am Nickelsdorfer Grenzübergang im Einsatz ist auch der Malteser-Hilfsdienst, der ausschließlich aus ehrenamtlichen Mitarbeitern besteht. Martin Prohaska-Marchried und Moritz Schuschnigg sind seit Freitagabend vor Ort. Auch sie berichten von der „unglaublichen Dankbarkeit“ der Flüchtlinge. Beide halfen schon in der Essensausgabe, beim Herrichten und Wegräumen. „Die Flüchtlinge, die auf die Busse warten, müssen oft stundenlang in der Schlange stehen. Wenn sie dann Hunger bekommen, schicken sie die Kinder los, um etwas zu holen. Kleinere Kinder finden dann oft ihre Familien nicht mehr“, berichtet Schuschnigg, der eine PR-Agentur führt. Deshalb verteilen sie „mobil“ Obst an die wartenden Menschen.

Immer wieder würden auch Flüchtlinge bei ihnen mitarbeiten. Ein Syrer, der stundenlang half, verzichtete dafür sogar darauf, den nächsten Bus zu nehmen. Und auch einer der Taxifahrer engagierte sich sehr bei ihnen. Um die Kinder zu unterhalten genüge oft schon eine Kleinigkeit: „Wenn du einen Plastikhandschuh aufbläst, sind sie begeistert“, sagt Schuschnigg. Die beiden wollen in die Situation „Menschlichkeit hineinbringen“. Prohaska-Marchried, im Zivilberuf Anwalt, erklärt zu seiner Motivation: „Wenn du in einem Bereich wie meinem tätig bist, dann willst du hier einfach ein Zeichen setzen“.

Zwei Freiwillige des Malteser-Hilfsdienstes in Nickelsdorf
© Philipp Tomsich Martin Prohaska-Marchried (l.) und Moritz Schuschnigg helfen mit.

In der Früh rief das Rote Kreuz bei Isabella Heinz an und fragte, ob sie Zeit habe. Sie überlegte nicht lang. Um 9 Uhr war sie dann bereits am Grenzübergang und verteilte Essen an die ankommenden Flüchtlinge. Die 24-Jährige ist Lehramtsstudentin und stammt aus Bruck an der Leitha, eine knappe halbe Stunde von Nickelsdorf entfernt. „Ich habe gerade Zeit, daher will ich auch etwas tun. Nur reden bringt nichts“, sagt sie. Wie lange sie noch bleiben will? „So lange wie Not am Mann ist“.

Isabella Heinz hilft bei Essensausgabe in Nickelsdorf
© Philipp Tomsich Isabella Heinz bei der Essensausgabe: Bei ihr rief das Rote Kreuz an.

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