Puls 24: Volles Programm aus leeren Räumen

Der Newssender Puls 24 sendet rund um die Uhr Infos zur aktuellen Krise. Moderatorin Alexandra Wachter führt in fünf Videotelefonaten durch ihren ungewöhnlichen Arbeitsalltag

von Corona - Puls 24: Volles Programm aus leeren Räumen © Bild: wachter/puls 24

Nicht nur der ORF, auch Puls 24 versorgt das Land Tag für Tag mit stundenlangen Informationssendungen, die für Menschen derzeit besonders wichtig sind. Das wirft viele spannende Fragen auf: Wie arbeitet die Puls-24-Newsredaktion in Zeiten des Social Distancings? Wie gelingt es, mit verhältnismäßig knappen Ressourcen die Wucht und Vielfalt der aktuellen Ereignisse abzubilden? Und: Kann man Fernsehen von zu Hause aus machen? Normalerweise hätte ein persönlicher Besuch in den Puls-4-Studios im Wiener Stadtteil St. Marx Aufklärung gebracht. In Zeiten von Corona muss es anders gehen. Moderatorin Alexandra Wachter führt via Videotelefonie durch ihren Arbeitsalltag. Von der mittäglichen Vorbereitung am heimischen Schreibtisch bis zur abschließenden Reflexion nach vollbrachter Sendung.

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© wachter/Puls 24 Nur wer keine erhöhte Temperatur hat und auch sonst gesund ist, darf das Sender- Gebäude in St. Marx betreten

12.17 Uhr

Das Handy läutet zum ersten Mal. Alexandra Wachter begrüßt vom heimischen Schreibtisch aus. Sie hat heute, erzählt sie, bereits ein Vorgespräch mit einem Interviewpartner geführt, eine Regierungspressekonferenz verfolgt -und Englisch und Beistrichsetzung geübt -mit ihrer elfjährigen Tochter. Im Unterschied zu anderen Working Moms darf sie aber später noch raus. Ihre Tochter und ihr Mann begleiten sie am Nachmittag zum Media Quarter, wo die Puls-4-Zentrale untergebracht ist; eine willkommene Gelegenheit für einen kleinen Spaziergang.

15.18 Uhr

Zweiter Anruf -mit blauer Gesichtsmaske und Plastikhandschuhen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng. Jeder Mitarbeiter muss beim Betreten des Gebäudes automatisch Fieber messen und per Unterschrift bestätigen, dass keine Corona-verdächtigen Symptome vorliegen. Erst eine ausgedruckte Bestätigung der Prozedur berechtigt zum Eintritt. Alexandra Wachter schwenkt das Handy über den leeren Vorplatz: Wo normalerweise Büromenschen in der Sonne sitzen, herrscht jetzt gähnende Leere.

15.31 Uhr

Gähnende Leere auch im Newsroom. Im Hintergrund ist Puls-24-Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner schemenhaft zu erkennen: Wachter, mit dem Handy in der Hand, hält vorschriftsmäßig Abstand. Die Redaktion, erklärt Kaltenbrunner, ist derzeit in mehrere Schichten aufgeteilt, die einander so gut wie nie sehen. Die Redakteure, die Innendienst haben, sitzen im ganzen Haus verteilt, damit das Ansteckungsrisiko möglichst gering gehalten wird. Und: Falls sich das Virus in einer Schicht verbreiten sollten, sind die anderen immer noch einsetzbar. Die Moderatoren kommen nur für die Sendungen in das Sendergebäude. Kommuniziert wird "auf 10.222 Kanälen" scherzt Kaltenbrunner. Belohnt wird der außergewöhnliche Einsatz der 100-köpfigen Puls-24-Newsredaktion, die auch die Puls-4-, Pro7Austria-, Sat.1und kabeleins-News produziert, momentan mit außergewöhnlich hohen Einschaltquoten: Puls 24 etwa erreichte im März einen Rekordmarktanteil. Der hauseigene Newssender ist seit einem halben Jahr in Betrieb und grundsätzlich 24/7 on Air. Aber während sonst 50 Stunden pro Woche produziert wurden, sind es nun durchschnittlich hundert -mit einer Spitze von 142 in jener Woche, in der die rigidesten Maßnahmen eingeführt wurden.

»Es betrifft jeden von uns«

Die Arbeit sei dichter als sonst, meint Wachter: "Es gibt jeden Tag Pressekonferenzen der Regierung, die Minister sind sehr präsent und auch bereit, Interviews zu geben. Und ich werde auf allen möglichen Kanälen von Bürgerinnen und Bürgern angeschrieben -zum Beispiel wenn es darum geht, mir zu berichten, dass die eigene Erfahrung mit einer Coronavirus- Testung negativ verlaufen ist. Heute hat mich ein Hilferuf des Vereins ,wir sind diabetes' erreicht. Dort ist die Sorge groß, dass Diabetiker jetzt ihre Gesundheitsdaten offen legen müssen, um von der Arbeit freigestellt zu werden." Hinter seiner professionellen Rolle verstecken könne man sich beim Thema Corona nur begrenzt, meint Wachter: "Es betrifft jeden von uns. Das ist sicher auch etwas Besonderes an der derzeitigen Situation."

© wachter/puls 24 MASKE MIT MASKE. Alexandra Wachter trägt eine selbst genähte Stoffmaske, Visagistin Agnes ein Plastikvisier

19.20 Uhr

Noch 40 Minuten bis zur Puls-24-Livesendung. Wachter ist in der Maske. Und ja, sie trägt auch eine. Visagistin Agnes, die ihr gerade die Haare lockt, ebenfalls -und zusätzlich einer Art Helm mit durchsichtigem Visier. Sicher ist sicher. Übermäßig nervös sei sie nicht, sagt Wachter: "Zu Beginn der Sendung schießt schon das Adrenalin ein. Aber ich glaube, dass ist notwendig, um die nötige Präsenz zu haben." Die Tirolerin mit mexikanischen und Vorarlberger Wurzeln arbeitet seit 2015 bei Puls 4. Infochefin Corinna Milborn bot der damals 25-Jährigen den Wechsel von Tirol TV zum Hauptstadt-Privatsender an. Wachter, deren Tochter damals gerade den Kindergarten beendete hatte, nützte die Chance und zog mit Sack und Pack, also Mann und Kind, nach Wien. "Ich habe zwar viele Freundinnen und Freunde in Innsbruck, aber meine Mutter und meine Schwester leben in Mexiko. Die Familie ist also sowieso weit weg."

21.11 Uhr

Die Sendung ist seit 21 Uhr zu Ende. Danach: umziehen, Sachen packen, besonders gelungene Sendungsinhalte twittern -und noch ein kurzer Video-Anruf bei der News-Redakteurin. Alles gut gelaufen. Und morgen? Start um acht in der Früh, am Nachmittag drei Interviews für eine Sondersendung zum Thema Schulschließungen. Ein weiterer ganz normal unnormaler Tag im neuen Corona-Leben.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 14/20

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