Was macht das
Christkindl ohne Markt?

Die Absage aller Weihnachtsmärkte trifft die Standler hart. Viele haben bereits vor Monaten ihre Waren produziert, bestellt und bezahlt.

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Brauchtum - Was macht das
Christkindl ohne Markt?

Wäre das heuer ein "ganz normaler" Advent, dann würden in der Lebzelterei Pirker in Mariazell täglich bis zu 25.000 Lebkuchen gebacken. Die süße Nascherei gehört in diese Jahreszeit wie Kerzenschein und Tannenduft. Oder wie der Punsch-und Glühweingeruch auf den Christkindlmärkten. Auf diesen würde ein guter Teil der Lebkuchen nämlich verkauft werden - wenn es eben ein "normaler" Advent wäre.

Per Regierungsbeschluss sind Weihnachtsmärkte heuer verboten. Corona ist auch daran schuld. Zu riskant erscheinen vor dem Hintergrund nur langsam sinkender Infektionszahlen Gedränge und punschselige Umarmungen zwischen den Marktstandln. Für die Standler bedeutet das: Sie fallen um ihr Weihnachtsgeschäft mehr oder weniger um. Adventmärkte sind nämlich ein relevanter Wirtschaftsfaktor, alleine in Wien gab es 2019 auf diversen Märkten rund 1.000 Stände. Am Wiener Christkindlmarkt am Rathausplatz tummeln sich normalerweise rund 3,5 Millionen Besucher. Am Salzburger Christkindlmarkt werden jedes Jahr rund eine Million Menschen erwartet. Rund 390 Millionen Euro werden in normalen Jahren österreichweit auf Adventmärkten umgesetzt.

Ein Drittel weniger Lebkuchen werde man heuer wohl verkaufen, sagen Katharina Pirker und Georg Rippel-Pirker. Zwar betreibt das Lebkuchenunternehmen Geschäfte in Wien, Salzburg, Mariazell und Parndorf, die Pirker-Standln auf zehn Christkindl-Märkten seien aber eine "wichtige Visitenkarte" für das Unternehmen, die die Aufmerksamkeit internationaler Naschkatzen bringe, sagt Rippel-Pirker. An den Wochenenden stehen die Firmenchefs auch selber an den Standln, erzählt Katharina Pirker: "Damit fängt die Weihnachtszeit auch für uns richtig an." Immerhin, obwohl die meisten Menschen Lebkuchen mit der Weihnachtszeit verbinden, hängt das Geschäft der Pirkers nicht allein an diesen paar Wochen. Sie backen Lebkuchen in der sechsten Generation. Ursprünglich war dieser für die Wallfahrer, die nach Mariazell pilgerten. "Der Lebkuchen war Proviant für den Heimweg", erzählt Katharina Pirker und erklärt, warum ihr Beruf "Lebzelter, Wachszieher und Metsieder" heißt: Fix zum Lebkuchen gehört der Honig, 200 Tonnen davon verarbeitet die Lebzelterei pro Jahr, die Hälfte des Teigs sollte aus ihm bestehen. Aus den leeren Bienenwaben wurden dann gleich die Kirchenkerzen für die Wallfahrer gezogen, und der aus Honig gebraute Met ließ die Pilger die Strapazen des Fußwegs vergessen.

Lebkuchen sind daher in Mariazell ein Ganzjahresgeschäft, für das je nach Saison 200 bis 250 Mitarbeiter im Einsatz sind. 80 Sorten Lebkuchen bietet Pirker neben Kerzen, Honig und Likören an. In diesem Advent eben vermehrt im Onlineshop (www.lebkuchen-pirker.at). Coronahilfen wie der Umsatzersatz würden helfen, dieses schwierige Jahr zu meistern, sagt Pirker, aber: "Mit einer richtigen Weihnachtszeit kann man das aber nicht vergleichen. Allein zu unserem Mariazeller Advent kommen rund 150.000 Besucher. Heuer ist es hier wie ausgestorben."

Bienen in Kurzarbeit?

Aufs Onlinegeschäft muss auch die Imkerin Verena Hagelkruys umsatteln (www.honigco.at). Hier bietet sie ihren Honig und alles, was sich daraus machen lässt, an. Rund 850 Produkte sind aufgelistet, "800 davon produzieren wir selbst", sagt sie stolz. Die 15 bis 17 Weihnachtsmärkte in Wien und Niederösterreich, auf denen sie normalerweise mit ihren Bioprodukten gestanden wäre, machen normalerweise rund 50 Prozent ihres Jahresumsatzes aus, erzählt sie. Doch sie muss heuer nicht nur das Weihnachtsgeschäft abhaken. "Meine Marktsaison beginnt im März. Ab da stehen wir auf Messen und Jahrmärkten. Heuer sind sich gerade noch die Wiesenburger Messe und ein Ritterturnier auf der Rosenburg ausgegangen, sonst ist alles wegen Corona ausgefallen. Ich rechne mit 90 Prozent Umsatzverlust."

Als Landwirtin könne sie nicht die Coronahilfen für den Handel beanspruchen, sagt sie. Und: "Ich kann weder die Bienen noch jene Menschen, die sie betreuen, in Kurzarbeit schicken." Hagelkruys und ihre acht Mitarbeiter und Lehrlinge arbeiten mit 1.000 Bienenvölkern, also rund zwölf Millionen Bienen. Fast schon zum Trost wird da, was sonst ein Problem ist, nämlich dass heuer ein "schwieriges Bienenjahr" war und die Honigmenge geringer. Man habe auf haltbare Produkte gesetzt, die sich auch noch nächstes Jahr auf den Märkten verkaufen lassen. "Ein Rat meines Vaters war immer: Du musst eine Ernte bei den Bienen haben, eine im Lager und eine auf der Bank. So sorgt man auch für schlechte Jahre vor. Das hat uns heuer geholfen." Bis zum Ende des Lockdowns habe sie gehofft, dass die Weihnachtsmärkte stattfinden können, sagt Hagelkruys, die Sicherheitskonzepte wie etwa beim Wiener Christkindlmarkt, auf dem sie einen Stand gehabt hätte, "waren super. Doch der Bauch hat gesagt, es wird nicht stattfinden." Warum sie selbst gerne am Weihnachtsmarkt steht? "Da bekomme ich direktes Feedback für meine Produkte. Es macht Spaß. Heuer wird es schwierig, selber in Weihnachtsstimmung zu kommen, wenn die Märkte wegfallen."

Hüte aus Wien

"Meine Eltern haben 1964 beim Weihnachtsmarkt am Kalvarienberg angefangen, seit 1975 waren sie dann am Wiener Christkindlmarkt am Rathausplatz. Wir waren also von Anfang an dabei", erzählt Anton Jank, der auf dem Rathausplatz und seit einigen Jahren auch am Michaelerplatz Hüte, Handschuhe und Hauben verkauft. Seine Eltern waren Marktfahrer, er selbst ist Fachlehrer an der Berufsschule für grafische Gewerbe und steht nur noch auf den Christkindl-Märkten. "Ich mache das weiter. Es würde mir wirklich etwas abgehen, das gehört für mich zum Jahresrhythmus", sagt Jank. Auch seine Angestellten an den Standln seien seit Jahren dabei. "Wir haben hochwertige Ware, die Hüte werden in Wien im siebenten Bezirk hergestellt", betont er. Schon im letzten Jänner hat er seine Waren bestellt, bei Lieferanten, mit denen schon die Eltern zusammengearbeitet haben. "Bei meinem Hauptlieferanten hat schon mein Vater bei seinem Vater gekauft." Nun gilt es zu überlegen: Nächsten Jänner müsste Jank keine Waren bestellen, er bietet zwar seine Hüte im Online-Christkindlmarkt (www.wienerweihnachtstraum.shop) an, geht aber davon aus, dass hochwertige Hüte besser mit direkter Beratung verkauft werden. Andererseits will er ja, dass auch seine langjährigen Geschäftspartner nicht noch mehr in Nöte kommen. "Egoismus ist jetzt sicher fehl am Platz", sagt Jank. Vom Umsatzersatz, den er bekommen hat, hat er deshalb auch einen Teil als Prämie an seine langjährigen Angestellten weitergegeben.

"Wir sind todunglücklich"

Nicht nur der Wiener, auch der Salzburger Christkindlmarkt, berühmt für seine stimmungsvolle Gemütlichkeit im historischen Barockambiente, fällt heuer aus. Ein Schock, nicht zuletzt für die Standlerinnen und Standler. Denn der Christkindlmarkt gehört zu Weihnachten einfach dazu. So schmerzhaft, so spür-und greifbar war der Corona-Ausnahmezustand selten.

Annemarie Winter betreibt im Sommer einen Souvenirstand auf dem Kapitelplatz, von Mitte November bis Weihnachten verkauft sie auf dem Domplatz, gleich neben dem zentralen Glühweinstand, Backausstechformen. Schon das Sommergeschäft verlief schleppend. "Die Österreicher kaufen einfach keine Kühlschrankmagneten", sagt Winter. Doch die Aussicht auf das Wintergeschäft machte Hoffnung: Seit Monaten bereitet die Unternehmerin sich auf den Christkindlmarkt vor. Das Lager ist voll mit Ausstechformen - von Tieren über Eiffeltürme bis hin zu Sportgeräten -und anderem Backzubehör wie Rolling Pins, Teigrollern mit Muster. "Mir wird nichts kaputt", sagt Winter, "das ist mein Vorteil." Aber auch im Backgeschäft ändern sich die Moden. "In den letzten Jahren war das Einhorn sehr modern, das ist im Vorjahr auf das Lama umgeschwenkt." Ob die Menschen 2021 auch noch Lamas essen wollen? "Keine Ahnung, ob ich die dann noch verkaufen kann." Sie stehe die Situation durch, weil sie das Sommer-und das Wintergeschäft habe, und weil sie "in guten Zeiten auf die schlechten" geschaut habe. Trotzdem, es ist schwierig. Und die Enttäuschung riesengroß. Denn beim Christkindlmarkt glühen nicht nur die Registrierkassen und Bankomaten, sondern auch die Wangerl. "Es ist sehr lustig und sehr nett, dort zu stehen, auch wenn es manchmal stressig ist und die Tage extrem lang sind. Die Stimmung ist gut, die Beleuchtung ist schön. Ich mache das über 25 Jahren, und es gehört zu meinem Leben dazu. Ich bin sehr traurig, dass es heuer ausfällt." Kann sie die gewonnene Zeit für sich genießen? "Nein, weil es keine normale Adventszeit ist. Wenn ich aus irgendwelchen Gründen nicht meinen eigenen Stand hätte, würde ich nach Nürnberg oder nach Wien fahren und mir anschauen, wie sie es dort machen."

Manuela Müller drückt es noch etwas drastischer aus: "Wir sind todunglücklich. Der Christkindlmarkt gehört zu Weihnachten einfach dazu. Es ist so ein Schock, man kann es noch gar nicht richtig begreifen. Es ist kein Weihnachten." Müller verkauft an ihrem Stand auf dem Residenzplatz Engel, Elfen, Feen und Gnome. Für sie stellt der Verkauf auf dem Christkindlmarkt das Hauptgeschäft dar. "Ich bin eine Einzelperson, mich trifft es ganz hart. Für mich bricht ein Jahresgeschäft weg." Sie meint, der Markt hätte heuer trotz Corona stattfinden sollen. "Unser Sicherheitskonzept war so gut, da wäre nichts passiert." Seit Jänner hat sich Müller vorbereitet. Hat ausgesucht, bestellt, auch vieles selbst angefertigt. Jetzt muss sie ihr Sortiment wieder wegpacken, sorgfältig, damit es bis zum nächsten Jahr übersteht. "Meine Ware wird zum Glück nicht schlecht. Aber bei bestimmten Farben weiß ich nicht, ob die nächstes Jahr noch aktuell sind." Für sie werden es heuer "ganz komische Weihnachten", sagt Müller: "Ich versuche, mir die Zeit irgendwie zu vertreiben und ein neues Weihnachten zu kreieren. Sonst ist es wirklich nur traurig."

Diese Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (50/2020) erschienen.