Dolce Vita auf Parteikosten

Die Akte BZÖ: Ein Luxustrip nach Rom, 20.000 Euro für einen fragwürdigen Uni-Kurs und mehr - zwei Politiker sollen ungeniert eine Partei als Selbstbedienungsladen genutzt haben, die kaum noch eine Rolle spielt, aber über viel Geld verfügt.

von Investigativ - Dolce Vita auf Parteikosten © Bild: BZÖ

Ankunft 09.00 Uhr, und wir genießen ein Glaserl Wein vor dem Pantheon", so lautet der erste Facebook-Eintrag zum denkwürdigen Rom-Aufenthalt einer illustren, kleinen Reisegruppe aus Österreich im Dezember 2015. Als die Reisenden am 7. Dezember knapp nach zehn Uhr ihre Rechnung beglichen, hatten sie in dem schön gelegenen Café insgesamt 73 Euro ausgegeben, 37 Euro davon für Alkohol: drei Gläser Rotwein zu je sieben Euro, zwei Gläser Prosecco zu je acht Euro.

Vielleicht dachten sie, bei einem Urlaub im Süden kann man sich ja einmal etwas gönnen, auch um diese Tageszeit. Das kleine Bier und das Glaserl Wein von sechs Uhr in der Früh am Flughafen Triest waren schließlich längst wieder verdunstet. Allerdings: Es war kein Urlaub, sondern offi ziell eine "Dienstreise". Und zwar eine Dienstreise österreichischer Politiker.

News liegen mehr als 40 Rechnungsbelege zu diesem Rom-Trip vor, der letztlich in einem kurzen Treffen mit Papst Franziskus gipfeln sollte. Zwei der vier Reisenden, die drei Tage lang das Dolce Vita in Italien genossen, waren Kärntner Landtagsabgeordnete einer zuletzt eher unauffälligen Partei, denen es darum ging, ein gemeinsames Foto mit dem Heiligen Vater zu erhaschen: die Religionslehrerin und Schulinspektorin Johanna Trodt-Limpl und der gelernte Fleischer Wilhelm Korak.

Dienstreise hin, Dienstreise her: Trodt-Limpl und Korak nahmen ihre jeweiligen Partner nach Rom mit. Abgerechnet haben die Politiker die luxuriöse Paarreise allem Anschein nach aber über ihre damalige Partei, das Kärntner BZÖ. Vor Kurzem haben sie sich von der Landesorganisation des einstigen Haider-Bündnisses losgesagt - doch dazu später mehr.

Fest steht: Das BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) lebt in erster Linie von der Parteienförderung. Man war 2015 also auf Steuerzahlerkosten unterwegs. Geld, das für politische Arbeit gedacht war, floss in Restaurant-, Hotel- und Taxirechnungen. Und vieles davon war vom Feinsten.

Ein Prosecco um 17 Euro

Auf das Frühstück beim Pantheon folgte am ersten Reisetag gegen 14 Uhr ein Imbiss um 113,85 Euro: unter anderem Penne, Fettuccine, zwei Pizzen, zwei Flaschen Pinot grigio und zwei Grappa. Genug, um bis zum Abend durchzuhalten. Da hatte man etwas Besonderes vor: Das Girarrosto Toscano lobt sich im Internet selbst als eines der besten Restaurants der Welt. Ob das stimmt, sei dahingestellt. Die Rom-Pilger aus Kärnten blätterten für den kulinarischen Hochgenuss jedenfalls 407 Euro hin - plus 20 Euro Trinkgeld. Auch diese Rechnung soll Eingang in die BZÖ-Buchhaltung gefunden haben.

Nach den toskanischen Gaumenfreuden war es am Ende des ersten, anstrengenden Reisetages vermutlich langsam Zeit fürs Hotel. Gar nicht unangenehm: Das Grand Hotel de la Minerve mitten in der Altstadt hat fünf Sterne und punktet mit "atemberaubendem Ausblick" und feudaler Atmosphäre. Der Preis pro Doppelzimmer belief sich auf 320 Euro pro Nacht. Mit Minibar und anderen Konsumationen fielen für die Nobelabsteige Kosten von insgesamt 1.569 Euro an. Die Flugtickets für die vier Personen wiederum kamen auf 928 Euro.

Die Belege, die News vorliegen, summieren sich inklusive Trinkgeld auf mehr als 5.000 Euro. Manches resultiert aus dem "dienstlichen" Teil der Reise, etwa 200 Euro für den Vatikan-Fotografen und 276 Euro für ein Papst-Geschenk. Vieles ist jedoch purer Luxus, den die Abgeordneten mit ihren Partnern genossen haben. Das Glas Prosecco, dessen Foto Koraks nunmehrige Ehefrau im eleganten Antico Caffè Greco nahe der Spanischen Treppe auf Facebook gestellt hat, kostete zum Beispiel 17 Euro. Für drei Proseccos und einen Cappuccino blätterte man entspannt 60 Euro hin -plus fünf Euro Trinkgeld.

"Offizielle Reise"

Zwei Tage lang akklimatisierten sich Trodt-Limpl und Korak mit ihren Begleitern in Rom. Am dritten Tag kam es dann zu jenem Treffen, das offi ziell der Anlass für die Reise war. Die beiden Landtagsabgeordneten trafen Papst Franziskus und überreichten ihm einen Kupferstich einer Kärntner Wallfahrtskirche und einen Wasserkrug. Fotos wurden gemacht. Ob das die Popularität des BZÖ maßgeblich erhöht hat, sei dahingestellt. Eine Frage ist, weshalb man dafür drei Tage braucht.

Trodt-Limpl betont, es habe sich um eine "offizielle Reise" gehandelt. Die Abrechnung sei ordnungsgemäß erfolgt. Die "ordnungsgemäße Verwendung der Belege" hätten Steuerberater, unabhängiger Wirtschaftsprüfer und Land Kärnten bestätigt. "Nur bei ordnungsgemäßer Verwendung der Gelder wird die Parteienförderung ausbezahlt." Sollte das so sein, haben möglicherweise nicht nur Trodt-Limpl und Korak, sondern auch die diversen Kontrollinstanzen Erklärungsbedarf. Unbeantwortet ließ Trodt-Limpl die Frage, weshalb sie - um Geld zu sparen - nicht einen Tag später, am 8. Dezember, anreisten. Zum Thema Paarreise teilt Trodt- Limpl mit, die Ehepartner hätten "ihren Eigenkostenanteil selbst bezahlt". Auch Korak erklärt: "Den privaten Aufenthalt meiner Ehegattin in Rom habe ich selbstverständlich privat bezahlt."

News fragte beim neuen BZÖ-Kärnten-Chef, Helmut Nikel, nach, der seit eineinhalb Monaten im Amt ist. Nikel bestätigt: "Dem BZÖ Kärnten wurden zweimal 500 Euro für eine Rom-Reise refundiert. Der Vorstand wurde jedoch nicht im Vorfeld über den Ausflug informiert, und die enormen Gesamtkosten haben wir erst jetzt entdeckt." Fest steht, dass die refundierten 1.000 Euro nicht einmal die Hälfte der gesamten Flug-und Hotelkosten abdecken, geschweige denn die astronomischen Essens-und Getränkerechnungen. Nikel wurde Anfang Juni Obmann des BZÖ Kärnten und ist offensichtlich bemüht, aufzuräumen. In Zusammenhang mit diversen Abrechnungen wurde eine Sachverhaltsdarstellung gegen Trodt-Limpl und Korak bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt eingebracht. Nikel fällt auf News-Anfrage noch ein zweiter Punkt zum Thema Reisekosten ein. Er meint: "Bei dieser Gelegenheit könnte Frau Trodt-Limpl doch auch von der 'BZÖ Club Venedigreise' 2016 berichten."

In Buchhaltungsunterlagen, die News vorliegen, findet sich tatsächlich ein mit "9.2.2016" datierter Vermerk: "Bar Auszahlung, Ausflug Club". Dabei ging es um den schlanken Betrag von 10.000 Euro. Was hier genau stattgefunden hat und ob vielleicht später wieder etwas refundiert wurde, ist unklar. Trodt-Limpl und Korak ließen diesbezügliche Fragen unbeantwortet. Fest steht, dass Koraks nunmehrige Ehefrau am 11. Februar 2016, also zwei Tage später, ein Foto vom Markusplatz auf Facebook stellte. Als sie gefragt wurde: "Was machst Du da schon wieder???", antwortete sie: "Frag ich mich grad auch. Essen, trinken und genießen."

Politisch ist das BZÖ schon lange so gut wie von der Bildfläche verschwunden. Dabei darf jedoch eines nicht übersehen werden: Bis vor nicht allzu langer Zeit verfügte das BZÖ über Finanzen in Millionenhöhe. Der Großteil davon stammt wohl aus verschiedenen Formen der Parteienförderung -somit von der öffentlichen Hand. Geld, das leicht verschwinden könnte, wenn keiner hinsieht. Und genau um diesen Verdacht geht es nun.

Der 20.000-Euro-Kurs

Abrechnungen über die Landespartei dürften insgesamt recht unkompliziert möglich gewesen sein. Über die "Handkassa" sollen enorme Beträge bezahlt worden sein. Nicht ganz so einfach lief es augenscheinlich in einem Fall, der nicht das Landes-, sondern das Bundes-BZÖ betrifft. Dieses steht übrigens bis heute unter der Führung von Trodt-Limpl und Korak.

News berichtete Anfang Juli über einen fragwürdigen Rechnungsbeleg für einen angeblichen Uni-Lehrgang im Februar 2017. Eine US-Universität stellte 22.400 Dollar (gut 20.000 Euro) für einen viertägigen Lehrgang in "effektiver Verhandlungsführung" in Rechnung (siehe Faksimile links). Als "Studenten" sind Trodt-Limpl und Korak angeführt. Wozu brauchen zwei Landtagsabgeordnete einen solchen Kurs und sind 2.800 Dollar (rund 2.600 Euro) pro Tag und Nase nicht ein bisschen viel? Das ist aber noch das geringste Problem mit der Rechnung: Ausgestellt wurde diese augenscheinlich am 30. November 2016 von der "California State University, Hayward" in den USA. Diese Uni heißt seit 2005 allerdings nicht mehr so. Auch das heutige Logo der Universität sieht ganz anders aus. Früher bot man tatsächlich Lehrgänge in Österreich an. Wurde einfach eine alte Rechnung aus dem Archiv umgeschrieben, um Geld von der Partei zu kassieren?

Trodt-Limpl erklärte ursprünglich, es habe den Kurs gegeben, sie habe ihn konsumiert und selbst bezahlt. Als später ein weiterer Beleg auftauchte, der noch deutlicher auf eine Abrechnung über die Partei schließen ließ, erklärte sie der "Kleinen Zeitung", sie habe das Geld im Juni dem BZÖ zurückbezahlt. Gut möglich, dass ihr da bereits klar war, dass mehr Personen über die Angelegenheit Bescheid wussten, als ihr lieb sein konnte. Aktuell wollte sie mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen keine Stellungnahme abgeben.

"Nicht privat bereichert"

Klarheit schaffen konnte die BZÖ-Chefin bis jetzt nicht. Umso erstaunlicher ist jener Schritt, den Trodt-Limpl und Korak vergangene Woche gesetzt haben. Sie sagten sich vom BZÖ Kärnten los und sitzen nun als "Interessengemeinschaft der freien Abgeordneten" im Landtag. Das Landes- BZÖ bekommt damit keine Parteienförderung mehr. Die zwei Abgeordneten kassieren aber weiter ihre Gehälter. Und sie lenken nach wie vor auch das Bundes-BZÖ, dessen Parteisitz mittlerweile an der Privatadresse Trodt-Limpls ist. Damit hat sie wohl die Hand auf einer Menge spannender Unterlagen.

Auffallend ist, dass sich die anderen Parteien in Kärnten bisher so gut wie gar nicht zu der Causa geäußert haben. Politischer Druck der anderen Fraktionen bleibt aus. Besteht hier generell wenig Interesse, allzu genau in Parteifinanzen zu blicken?

Zu Korak liegt News noch eine weitere interessante Abrechnung über die Landespartei vor. Dabei geht es um einen Lieferwagen und mehrere andere Rechnungen - angeblich für einen privaten Möbeltransport im August 2016. News liegen Fotos vor, auf denen ein Mann von hinten beim Tragen zu sehen ist. Von der Statur her könnte es Korak sein. Fragen zum Möbeltransport ließ er unbeantwortet. Er und Trodt-Limpl haben sämtliche Vorwürfe vehement zurückgewiesen.

Korak erklärt, Spesen immer korrekt abgerechnet zu haben: "Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt privat bereichert und mir nichts vorzuwerfen." Seine Rechtsanwältin, Huberta Gheneff, sagt, man werde in den kommenden Tagen eine umfassende Stellungnahme bei der Staatsanwaltschaft abgeben.