Tipps für ein besseres Zeitmanagement

Wie Sie sich mit einfachen Tricks die verlorene Zeit wieder zurückholen können

Kein Stress, keine Pflichten, dafür ganz viel Zeit für alles und nichts. Das kennen viele längst nur noch vom Hörensagen. Ihr Leben wird vor allem von einem Satz bestimmt: "Keine Zeit". Ihr Dilemma: Nicht die Zeit ist zu kurz, sondern ihre Bedürfnisliste zu lang.

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Ausser Atem - Tipps für ein besseres Zeitmanagement

Fünf Minuten haben am Ende gefehlt. Dabei haben alle mitgespielt: Die Straßenbahn kam prompt, die U-Bahn sowieso. Und auch keiner der Mitmenschen auf der Rolltreppe hat die schnelle, die linke, Spur belegt. Trotzdem waren die Türen zum Klassenzimmer bereits geschlossen, der Elternabend hatte bereits begonnen. Zu spät. Mal wieder. Obwohl der Tag perfekt durchgetaktet war. So wie jeder Tag.

Der Puls rast, die Lehrerin erzählt. Zugehört wird nur mit einem halben Ohr. Schließlich müssen noch rasch die Mails auf dem Smartphone gecheckt und die Liste für den Einkauf nach dem Elternabend notiert werden. Der muss natürlich schnell gehen - und kontaktlos. Zeit, die Münzen einzeln im Geldbörsel aufzuklauben? Sicher nicht. Zeit ist schließlich Geld - und das hat man bekanntlich immer zu wenig.

Auch bei der Feierabend-Joggingrunde nach dem geschwind hergezauberten Abendessen für die Kinder läuft die Stoppuhr (und die entsprechende App) mit. Heute drei Minuten schneller als gestern gelaufen? Großartig. Am Abend im Bett, bei der Rückschau auf den Tag, melden sich trotzdem das schlechte Gewissen und das latente Gefühl: mal wieder nicht alles geschafft. Mal wieder ist die Hälfte liegen geblieben.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Rennen Sie auch ständig jenen fünf Minuten hinterher, die irgendwo zwischen Morgenkaffee, Job und Feierabend liegen geblieben sind? Sie befinden sich in guter Gesellschaft. "Viele merken gar nicht, wie schnell sie unterwegs sind", sagt Franz J. Schweifer. Er muss es wissen. Zeitforscher und Temposoph steht auf seiner Visitenkarte. Schweifer stellt klar: Nicht die Zeit ist zu kurz oder zu knapp, sondern unsere Bedürfnisliste ist zu lang.

6 Tipps für mehr Zeit

1. Kurz innehalten. Öfter mal am Tag die Stopptaste drücken und die Prioritätenliste neu ordnen: Was ist wichtig? Was ist dringend? Was ist unnötig? Alles, was nicht wichtig, aber dringlich ist, lässt sich wunderbar delegieren.

2. Nein, danke! Einer der größten Zeitfresser ist die Unfähigkeit vieler, Nein zu sagen. Wer stets zusätzlich weitere Aufgaben übernimmt, ist garantiert ein geschätzter Kollege, aber eben auch ein ziemlich gestresster.

3. Gut, statt sehr gut. Keine Frage: Viele Tätigkeiten verlangen Perfektionismus. Ziemlich oft reicht es aber auch aus, eine Aufgabe einfach nur "gut" zu erledigen.

4. Jetzt nicht! 88-mal pro Tag schauen wir durchschnittlich aufs Smartphone. Jedes "Beep-Beep" verleitet zu ungeplanter Handlung - und kostet Zeit. Ein öfter auf "lautlos" gestelltes Handy schont die Nerven -und das Zeitbudget.

5. Zeitlimit setzen. Bis zu zwei Stunden pro Tag gehen beim (planlosen) Surfen im Web drauf. Wer dazu neigt, sich im WWW zu verlieren, sollte sich ein Zeitlimit setzen.

6. Realistisch bleiben. Aus Erfahrung weiß man meist, wie viel Zeit für die Erledigung einer Aufgabe einzuplanen ist. Wichtig dabei: ausreichend Pufferzeiten einbauen, um Hektik zu vermeiden.

Ungewollte Bremsung

Widerstand ist in der Regel zwecklos. Schließlich ist das "Buffet der Möglichkeiten" üppiger gefüllt denn je. Man muss nur zugreifen: möglichst schnell, möglichst sofort. "Je schneller ich unterwegs bin, desto mehr neige ich zu Wiederholungen. Wer immer schnell unterwegs ist, sieht die Weichen nicht. Veränderungen passieren erst, wenn ich ungewollt abgebremst werde - durch Krankheit, Karriereknick oder Kündigung", sagt Schweifer.

Jene 1.440 Minuten, die ein Tag bietet, werden vornehmlich mit Arbeiten, Essen und Schlafen verbracht - und mit einer von Zeitfressern: Mehr als vier Stunden gehen durchschnittlich pro Tag für das Lesen und Beantworten von E-Mails drauf. Der (wichtige) Tratsch mit Kollegen kostet uns im Schnitt eine Stunde am Tag; 19 Arbeitsstunden pro Woche hocken wir in Meetings. Auch das Smartphone schreit ständig nach Aufmerksamkeit: Wer seine Tätigkeit bei jedem Piep unterbricht, verliert bis zu einer Stunde. Bis zu zwei Stunden gehen beim Surfen im Web drauf. Helfer- und Perfektionismussyndrom tun ein Übriges, um den eigenen Zeitplan ordentlich in Schieflage zu bringen. Denn wer nicht Nein sagen kann und obendrein alles perfekt erledigen will, verliert Zeit - und muss folglich immer öfter sagen: "Ich habe keine Zeit!"

Erster Schritt aus dem Zeitdilemma: die eigenen Antreiber unter die Lupe nehmen: Was muss ich? Was will ich? Muss ich immer verfügbar sein? Bin ich tatsächlich unersetzlich?"Keine Frage, wir alle sind an ein gewisses Zeitregime gebunden und müssen beispielsweise pünktlich in der Arbeit sein. Dennoch sollte ich mich öfter fragen, was ich glaube, alles tun zu müssen", gibt Schweifer zu bedenken.

Verstopfter Ausfluss

Wer nämlich in seinen Zeittrichter oben alles hineinkippt, was sich rechts und links des Weges aufdrängt und anbietet, muss sich nicht wundern, wenn am Ende des Tages der Ausfluss verstopft ist.

Da spielt es auch keine Rolle mehr, wie effizient geplant wurde. "Wir steigen einerseits lustvoll auf das Gaspedal, definieren uns über das Gefragtsein und das Tun. Gleichzeitig merken wir, dass wir in der Zeitarmutsfalle stecken", sagt Schweifer.

Zu den Mechanismen, die uns bewusst oder auch unbewusst dazu veranlassen, alles in den Zeittrichter einzufüllen, gehören Werte (was ist mir wichtig, wem und was gebe ich Priorität?), Bedürfnisse (etwa Anerkennung), Erwartungen (wie jene, die man glaubt, erfüllen zu müssen) sowie individuelle Prägungen, Verhaltensmuster und Gewohnheiten.

Als Faustformel gilt: das Wichtige nimmt nur 20 Prozent des Tages in Anspruch; 80 Prozent müssen wir Notwendiges tun, was sich wiederum zu einem guten Teil aus dem Wichtigen ergibt. Schweifer rät, statt immer nur "ich muss" zu sagen, einfach öfter in kleinen Sequenzen Widerstand zu leisten - etwa bei dem Thema ständige Verfügbarkeit.

Hilfreich ist es zudem, sich Inseln mit "unverzweckter Zeit" zu schaffen. Hier werden jene Bedürfnisse gestillt, die zwischen Arbeiten, Hetzen und Planen immer wieder liegen bleiben. Denn eines ist auch klar: Die Zeit vollends in den Griff zu bekommen, ist eine Illusion. "Ich kann Zeit nicht verlieren oder gewinnen. Ich kann sie nur im Hier und Jetzt ausgeben", sagt der Zeitexperte. Er rät, die Zeit und sich selbst behutsamer in die Hand zu nehmen. "Und das heißt nicht, mich noch besser zu optimieren." Zeitmanagementseminare machen laut Schweifer durchaus Sinn. Allerdings braucht es für eine "Wurzelbehandlung" vor allem eines: Zeit. "Wenn ich mir die nicht nehme, organisiere ich das Übel nur noch besser."

"Das größte Hindernis beim Zurückerobern der Zeit ist die Überzeugung, Spielball der Umstände zu sein", sagt Thomas Hohensee, Autor des Ratgebers "Ganz einfach Zeit haben". Er rät, für jede neue Aufgabe, derer man sich nicht entledigen kann, eine andere von der To-do-Liste zu streichen. Wer also einen unumstößlichen Termin für den folgenden Tag aufgebrummt bekommt, verschiebt dafür einen anderen. Und Hohensee empfiehlt, Not-to-do-Listen zu führen. Hier steht alles drauf, was man nicht erfüllen will oder muss. Aber auch Dinge, die künftig zeitlich reduziert werden sollen -etwa Zeit mit den (ungeliebten) Schwiegereltern zu verbringen. Zudem helfen Kleinigkeiten, den Alltag zeitlich stressfreier zu gestalten. Ein Beispiel: Klingelt das Smartphone in der Tasche, nicht sofort rangehen. Die Sache hat freilich einen Haken. "Jeder, der aufhört, zu rasen, ist eine Herausforderung für die anderen", sagt Hohensee.

Chronisch pünktlich

Apropos Herausforderung. Dazu zählen auch jene, die ihr Zeitmanagement vermeintlich nicht im Griff haben und folglich bei jeder Gelegenheit zu spät kommen. Dazu zählen aber auch die Menschen, die immer und ständig überpünktlich erscheinen. Letztere sind monochronisch veranlagte Menschen, die gerne planen, feste Abläufe und Rituale lieben und sich akribisch an ihren Zeitplan halten. Pünktlichkeit setzen sie mit Respekt gleich. "Sie sind genervt und vor allem beleidigt, wenn jemand zu spät kommt. Schließlich wissen sie genau, wie lange sie wofür brauchen", sagt Psychologin Beatris Uhlig, Autorin des Ratgebers "Tickst du richtig?".

Für die "Unpünktlichen", also polychronisch veranlagte Menschen, hingegen spielt Zeit eher eine untergeordnete Rolle. Sie lieben es, Dinge auf sich zukommen zu lassen. Planung? Eher Fehlanzeige.

"In ihren Köpfen geht alles viel schneller als in der Realität. Ob der Tag ein guter war, hängt davon ab, ob sie Spaß gehabt haben - und nicht, ob sie alles geschafft haben", sagt Uhlig. Erziehungsmaßnahmen zwecklos. "Für Monochrone sind Polychrone verpeilte Freaks, die nichts gebacken kriegen. Umgekehrt sehen Polychrone Monochrone als unentspannte Zwangsgestörte", lacht Uhlig und betont: "Beide Seiten sind überzeugt, dass ihr Zeitprinzip das richtige ist."

Mischtypen sind durchaus üblich, weiß Uhlig. "Lustig sind jene Menschen, die sich in der Arbeit monochron verhalten, aber kaum durchschreiten sie die Bürotür, werden sie total chaotisch." Nachsatz: "Umgekehrt habe ich das noch nie erlebt."

Laut Uhlig kann es nicht schaden, sich ein bisschen was vom jeweils anderen Zeittyp abzuschauen. Noch besser ist es, zwischen beiden Zeittypen switchen zu können. "Für Monochrone ist es wirklich harte Arbeit, sich polychron zu verhalten und beispielsweise einmal zu spät zu kommen", nennt Uhlig ein Beispiel. Den Unpünktlichen empfiehlt sie, ihren Willensmuskel zu trainieren, sich bei gewissen Tätigkeiten (zum Beispiel bei Facebook oder beim Surfen im Internet) ein Zeitlimit zu setzen und prinzipiell jede Zeitangabe, die sie tätigen, von vornherein zu verdoppeln.