Wiener KH Nord: Vernichtender Rechnungshofbericht liegt vor

Der lange erwartete Rechnungshofbericht zum Wiener Krankenhaus Nord liegt nun vor. Heute wurde die endgültige Version des Prüfberichts inklusive der Stellungnahmen von Stadt und Krankenanstaltenverbund (KAV) veröffentlicht.

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Skandal-Krankenhaus - Wiener KH Nord: Vernichtender Rechnungshofbericht liegt vor

Auf 182 Seiten kritisiert der RH unter anderem den "massiven Kostenanstieg", das fehlende Know-how des KAV und die mehr als dreijährige Verzögerung bei der Fertigstellung des KH Nord.

Die Kritikpunkte sind bereits bekannt. Details aus dem RH-Bericht waren bereits im November des vergangenen Jahres bekannt geworden, im Februar wurde schließlich der gesamte, eigentlich vertrauliche Rohbericht verschiedenen Medien zugespielt.

Fehlentscheidungen schon zu Beginn

Fehlentscheidungen wurden laut RH bereits zu Beginn des Megaprojekts getroffen: Entgegen der Empfehlung eines Gutachters habe sich der KAV ursprünglich dazu entschieden, alle Leistungen an einen Totalunternehmer zu vergeben. Dabei seien vier Jahre Zeitverlust entstanden.

Als während des Baus die ersten schweren Mängel auftraten, hätte ein vorübergehender Baustopp verhängt werden müssen, kritisiert der RH. Die örtliche Bauaufsicht hatte im Juli 2016 mehr als 8.000 Baumängel erfasst. So wurde etwa mit dem Innenausbau begonnen, bevor die Fassade fertiggestellt war, was zu erheblichen Schimmelschäden führte. Außerdem gab es brandschutzuntaugliche Elektrodosen in Brandschutzwänden und Fehler bei den Statik-Plänen. Stützen wurden falsch platziert und mussten wieder abgerissen und neu errichtet werden.

Auch dass der Zeitplan für die Eröffnung nicht eingehalten werden konnte, wird bemängelt. Statt wie ursprünglich geplant 2016 soll das Krankenhaus erst im Herbst 2019 in den Vollbetrieb gehen.

Kosten um 272 Mio. Euro überschritten

Die im Jahr 2010 geplanten Kosten von 1,017 Mrd. Euro für die Errichtung des Krankenhauses dürften voraussichtlich um zumindest 272 Mio. Euro überschritten werden, im schlechtesten Fall sogar um rund 388 Mio. Euro. Aus Regressforderungen gegenüber Auftragnehmern und Versicherungen erwarte der KAV ab 2021 Einnahmen in der Höhe von 200 Mio. Euro, heißt es im Bericht. Dass diese Forderungen in voller Höhe lukriert werden können, bezweifelt der Rechnungshof allerdings.

Bisher weniger Beachtung fand das Vorgehen des Rathauses, die Mehrkosten für den Krankenhausbau auszugleichen. Dafür widmete die Stadt nämlich Gelder aus dem Mindestsicherungstopf und dem sozialen Wohnbau um. Konkret betrugen die aus der Sonderrücklage Wohnbau und Infrastruktur entnommenen Mittel 120 Mio. Euro, aus der Allgemeinen Sozialhilfe wurden rund 28 Mio. Euro umgeschichtet. Das sei zulässig gewesen, merkt der RH an. "Umwidmungen, in Form von Überschreitungsanträgen, zwischen verschiedenen Geschäftsgruppen, Ansätzen und Posten waren in der Haushaltsordnung der Stadt Wien vorgesehen und stellten für die Stadt Wien keine Ausnahme dar", heißt es.

Kraker: "Es geht um hohe Kosten"

"Die wichtigste Lehre ist: Wenn der Bund, ein Land oder eine Gemeinde baut, dann ist der Auftraggeber stets gefordert. Denn es geht um hohe Kosten", kommentierte Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker den Prüfbericht in einer Aussendung. "Jeder, der privat ein Haus errichtet, weiß: Ich muss selbst dahinter sein. Ein komplexer Spitalsbau erfordert ein besonders kompetentes und genaues Projektmanagement." Dem KAV habe es jedoch an Know-how und an Ressourcen gefehlt, um ein Projekt in der Dimension des Krankenhauses Nord abzuwickeln. "Fehlende, späte und falsche Entscheidungen verzögerten das Bauvorhaben und ließen die Kosten massiv steigen", so Kraker.

In den Stellungnahmen verspricht die Stadt, die Empfehlungen des RH umzusetzen. "Erfreulich ist: Die Politik hat schon während der laufenden Prüfung des Rechnungshofes reagiert und Maßnahmen eingeleitet. Unerfreulich ist, dass es so weit gekommen ist", so Kraker.

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