Willkommen im Wechsel

Hitzewallungen, Libidoverlust, Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme: Die Wechseljahre sind für viele Menschen wie eine zweite Pubertät - nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. Wie man sich auf die neue Lebensphase einstellt.

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Zweite Pubertät - Willkommen im Wechsel

Inge D. wachte schweißgebadet auf. Pünktlich jeden Morgen, um vier Uhr. Die Leintücher waren komplett durchgeschwitzt, sodass sie das Bett neu beziehen musste. An Schlaf war nicht mehr zu denken - Inge D. war putzmunter. Dazu kamen starke und unangenehme Spannungsgefühle in der Brust. Auf dem Bauch liegen? Unmöglich.

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Inge D. ist 43 Jahre alt und mitten im Wechsel. "Angefangen hat es vor zwei Jahren. Da war ich 41", erzählt sie. "Meine Periode wurde unregelmäßig, teilweise hatte ich alle zwei Wochen die Tage, dann bis zu sechs Wochen gar nicht." Dazu kamen Schweißausbrüche. Symptome, unter denen Inge D. sehr gelitten hat. Damit ist sie nicht allein. Denn beim Thema Wechsel herrschen viele Vorurteile und vor allem Unwissenheit: Das fängt schon bei den Begriffl ichkeiten an. Die Menopause ist der Zeitpunkt der letzten Regelblutung, der Wechsel ist das Klimakterium. Ein Übergang von der fruchtbaren, reproduktiven Phase, der Jahre dauern kann.

Zweite Pubertät

Im Durchschnitt beginnt der Wechsel ab 50. Das ist aber extrem individuell, erklärt die Wiener Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Eva Lehner-Rothe. "Es gibt viele Faktoren, die beeinflussen, wann eine Frau in den Wechsel kommt. Zum Beispiel, ob sie Kinder hat und früh ihre Periode bekommen hat." Die letzte Blutung definiert man dadurch, dass es danach mindestens zwölf Monate lang zu keiner weiteren kommt. Die Zeit davor definieren Experten als prämenopausal: Es kann zu Zyklusunregelmäßigkeiten und Symptomen kommen, etwa unregelmäßigen, verstärkten oder schwächeren Blutungen, Hitzewallungen, Reizbarkeit, Schlafstörungen, geringer psychischer Belastbarkeit, Verdauungsstörungen, Gelenksschmerzen und Depressionen. Auch Osteoporose (Knochenschwund) kann auftreten.

»Der Körper stellt sich hormonell komplett um«

"Der Körper stellt sich hormonell komplett um", erklärt Lehner-Rothe. "Die Eierstöcke hören auf, Östrogen zu produzieren, das wichtigste weibliche Geschlechtshormon." Etwa ein Drittel aller Frauen erlebt die Wechselsymptome als stark belastend, ein Drittel hat leichte Symptome, ein Drittel hingegen kaum Beschwerden, erklärt die Expertin. Das sei von Frau zu Frau sehr unterschiedlich.

Immer noch gibt es ein (wenn auch vermindertes) Risiko, im Wechsel schwanger zu werden. Verhütungsnotwendigkeit bestehe deshalb auch in dieser Zeit. "Es gibt immer noch Frauen, die glauben, dass sie in den Wechseljahren nicht schwanger werden können", so Lehner-Rothe. Ab dem 40. Lebensjahr sollte man deshalb eine neue Verhütungsmethode andenken. Denn die Kombinationspille sollte ab 40 nicht mehr eingenommen werden, da sie das Thromboserisiko begünstigen kann. Das heiße aber nicht, dass man hormonfrei verhüten müsse, so Lehner-Rothe. Hormonspirale, Kupferkettchen oder Vasektomie sind häufig gewählte Langzeitverhütungsmethoden.

Tabuthema Wechseljahre

Der Wechsel belastet nicht nur den Körper, sondern auch die Seele. Die 62-jährige Wienerin Christine S. kam erst mit 58 in den Wechsel, doch die psychischen Nebenwirkungen der hormonellen Umstellung nahmen sie trotzdem mit: "Ich fühlte mich deprimiert. Man hat das Gefühl, keine richtige Frau mehr zu sein und dass die Gesellschaft einen zum 'alten Eisen' macht." Die Stimmungsschwankungen und die permanente Müdigkeit belasteten sie sehr. Am meisten regte sie auf, dass das Thema Wechseljahre immer noch tabuisiert und nicht ernst genommen wird: "Männer machen Witze darüber und verhalten sich oft abwertend. Sie meinen, man soll sich doch nicht so anstellen." Dabei erleben auch Männer hormonelle Umstellungen in diesem Alter.

»Männer machen Witze darüber und verhalten sich oft abwertend«

Der Wiener Facharzt für Urologie und Andrologie Michael Eisenmenger weiß: "Auch beim Mann nimmt die Produktion des männlichen Sexualhormons Testosteron ab dem 40. Lebensjahr ab." Aber anders als bei der Frau höre sie nie auf, daher könne man nicht konkret von einem männlichen Wechsel, von einer Andropause analog zur Menopause sprechen. Andrologen sprechen deshalb von einem partiellen Androgendefizit des alternden Mannes.

Libidoverlust und Erektionsstörungen können die Folge sein. Ähnlich wie Frauen können Männer unter Reizbarkeit, Schlafstörungen, Gewichtszunahme, Abbau von Muskelmasse und depressiven Verstimmungen leiden, so Eisenmenger. "Mann merkt diese Veränderungen, kann sie aber oft nicht zuordnen", so der Urologe. Viele Männer halten die Symptome für dem Alter entsprechende, normale Veränderungen. "Wenn Beschwerden bestehen, sollte man einen Andrologen konsultieren", so Eisenmenger. Der kann via Bluttest den Hormonstatus bestimmen und eine mögliche Therapie einleiten. Die kann von einer Lifestyle-Änderung bis zur Hormonersatztherapie reichen.

Neues Lebensgefühl

Wechselprobleme können gut therapiert werden. "Wenn eine Patientin leichte Beschwerden hat, rate ich zuerst, etwas Pflanzliches zu probieren", so Lehner-Rothe. Das können zum Beispiel Präparate mit Rotklee oder Soja sein. "Pflanzliche Wirkstoffe mit hormonähnlicher Wirkung können Betroffenen gut helfen, vorausgesetzt, sie werden auch konsequent und durchgehend eingenommen." Hersteller wie Dr. Schreibers und Dr. Böhm zählen zu den bekanntesten. Wenn pflanzliche Mittel nicht helfen, könne man immer noch eine Hormonersatztherapie in Erwägung ziehen, sagt die Expertin. Allerdings kommt diese nicht für jede Frau infrage, zum Beispiel dann nicht, wenn ein Brustkrebsrisiko besteht.

Inge D. halfen Präparate mit Isoflavone, das sind sekundäre Pflanzenstoffe, die in Soja und Rotklee vorkommen. Auch Christine S. berichtet von günstiger Wirkung. Bis auf gelegentliche Stimmungsschwankungen haben sich die Symptome deutlich gebessert.

Der Wechsel stellt nicht nur eine körperliche Umstellung dar, sondern auch den Übergang in einen neuen Lebensabschnitt, der nicht nur mit unangenehmen Symptomen verbunden ist. "Lustigerweise fühle ich mich jetzt mehr als Frau als vor dem Wechsel", berichtet Inge D. Auch Christiane S. erkennt die Schönheit der Reife: "Man weiß mehr, was man will und was man nicht will, und kann dazu stehen." Wichtig ist, sich Hilfe zu suchen, wenn die lästigen Beschwerden das tägliche Leben beeinflussen. Fakt ist, jeder Mensch erlebt eine Pubertät und auch einen Wechsel. Auch wenn die Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt sein können, ist ihnen niemand hilflos ausgeliefert. Wenn man die Beschwerden im Griff hat, kann man dem Älterwerden vielleicht sogar entspannt entgegenblicken.