Viel Plus, wenig KPÖ

Wenn die Sorgen groß sind, gerät der Blick in die Geschichtsbücher zur Nebensächlichkeit, zeigt der Wahlerfolg der KPÖ. Das darf, das muss Unbehagen auslösen

von Kathrin Gulnerits © Bild: News/Matt Observe

Das größte Wahlmotiv für KPÖ-Wähler bei der Salzburg-Wahl am vergangenen Sonntag war der Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl selbst. Diese Feststellung der Wahlforscher ist wichtig. Jetzt, da die KPÖ plus, die mehr als elf Prozent der Stimmen einsammelte, erstmals seit 1949 wieder im Landtag vertreten ist. In Salzburg-Stadt kam die Partei auf Platz zwei, knapp hinter der ÖVP. "Kommunistisch heißt für uns in der Salzburger KPÖ, dass wir Kapitalinteressen eindämmen wollen", sagte Dankl vor zwei Wochen in News. Marx hat er gelesen; eine Marx-Büste steht nicht auf seinem Schreibtisch. Gewonnen hat also nicht die kommunistische Partei. Gewonnen hat die Person. Die KPÖ plus des 34-jährigen Historikers ist mehr "plus" als kommunistisch, so die Erzählung.

Aber geht ein bisschen kommunistisch? Eine gute Idee, halt ein paar Mal in der Geschichte falsch abgebogen? Punkt. Ende der Erzählung, weil aktuell gerade links von der SPÖ noch Platz ist, den es zu nutzen gilt? Reicht die Distanzierung von den Verbrechen der kommunistischen Gewaltherrschaften? Und wann ist eine erwartbare und selbstverständliche Distanzierung glaubhaft? Unbehagen darf und muss gestattet sein, etwa wenn man sich mit dem Parteiprogramm der KPÖ auseinandersetzt, mit ihrer Historie. Unbehagen sei auch jenen zugestanden, die eigene Erfahrungen mitbringen, weil kommunistische Diktaturen ihnen vier Jahrzehnte lang ihre Freiheit geraubt haben. Übrigens nicht irgendwo, weit weg, sondern auch in unmittelbarer Nachbarschaft zu Österreich. Mir beispielsweise 17 Jahre. Nur 17 Jahre. Meinen Eltern mehr als ihr halbes Leben. Anderen überhaupt ihr Leben.

»Die überhöhte Sehnsucht nach einem Charismatiker ist hierzulande groß«

Auch das gehört zwingend zur Erzählung dazu. Einer Erzählung, die dieser Tage freilich nicht vordergründig von solchen trüben Gedanken gestört wird. Schließlich ist da wieder jemand, der ein Thema glaubwürdig vertreten kann. Der nahezu im Alleingang die Sehnsucht nach sozialer Gleichheit mit seinem Kernthema "leistbares Wohnen" im Wahlkampf perfekt bespielt hat. Obendrein ist Dankl, der 2017 von den Grünen ausgeschlossen wurde und seit 2019 für die KPÖ im Gemeinderat der Landeshauptstadt sitzt, einer, der in Interviews tatsächlich inhaltlich auf Fragen antwortet. Kein Rumeiern, kein Taktieren, keine Sprechblasen. Dass es oft auch nur eine Analyse von Problemen ist, weil realistische Lösungsvorschläge nur bedingt vorhanden sind – (vorerst) geschenkt. Zumal es nicht immer einfache Antworten gibt.

Es reicht in Zeiten, in denen sich viele Menschen, vor allem jene im gesellschaftlichen Abseits, nicht mehr gehört und verstanden fühlen, glaubhaft Position zu beziehen. Weil die anderen auslassen. Weil sie den Blick auf die Unterschiedlichkeit der Lebensbedingungen (und damit den Blick auf die richtigen Themen) verloren haben. Weil sie doch lieber spielen wollen. Taktikspiele nämlich. Oder weil sie im gängigen Populismus-Wettbewerb die Nase vorn haben wollen. Weil sie sich nicht mit einer klaren Positionierung anfechtbar machen wollen. Also fangen viele ihrer Sätze mit "Es braucht …" an und enden mit dem Versprechen, dass man die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehme. Kay-Michael Dankl begegnet diesen Menschen auf Augenhöhe, wie es so schön heißt. Er macht auch eine Politik für Junge – Stichwort Wohnen – in einer Zeit, in der mehrheitlich Politik für Ältere gemacht wird. Er kümmert sich. Mit Zeit und Wertschätzung. Mit Geld, indem er einen Teil seines Politikergehalts spendet.

Der Lohn der Mühe: Wählerstimmen. Und viel medialer Applaus: Politstar! Hoffnungsträger! Eloquent. Freundlich. Unverbraucht. Das kennen wir. Die überhöhte Sehnsucht nach einem Charismatiker ist hierzulande besonders stark ausgeprägt. Zeit für Moralismus, Zeit für den Blick zurück in die Vergangenheit gerät dabei schnell zur Nebensächlichkeit. Nicht immer führt das am Ende zu erwünschten Ergebnissen. Auch das kennen wir. Ganz links wie ganz rechts übrigens.

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