"Ich will zurück ins Nationalteam"

Goalgetter Philipp Hosiner stand kurz vor dem großen Durchbruch, ehe ihn ein Nierentumor und ein Lungenkollaps zurückwarfen. Nun ist er zurück im Leben - und im Spiel

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Sport - "Ich will zurück ins Nationalteam"

JAAAAAAAAA!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!" - Die Botschaft, die Philipp Hosiner am 20. März um 23 Uhr auf Facebook absetzte, ließ an Eindringlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die neun A und 23 Rufzeichen markieren das Ende eines Leidensweges, der sich über gut zwei Jahre erstreckte und an diesem Abend im randvollen Stadion "An der Alten Försterei" in Berlin-Köpenick seinen Abschluss fand.

Hosiner, vor gerade einmal zehn Minuten eingewechselt, kam im Strafraum frei zum Schuss und hämmerte den Ball halbhoch und ziemlich humorlos am starren Tormann vorbei ins Netz. Hosiners Verein, Union Berlin, gewann gegen den FC Nürnberg mit eins zu null und setzte sich erstmals an die Spitze der zweiten deutschen Liga. Nun träumen die Underdogs, die stets im Schatten des Großklubs Hertha BSC standen, zu Recht vom Aufstieg in die Bundesliga. Und Hosiner träumt mit ihnen. "Wir werden schwer zu stoppen sein", stellt er mit dem Selbstbewusstsein eines Winners klar.

Alte Fußballweisheit: Wenn's läuft, dann läuft's. Dabei war für den Vollblutstürmer Hosiner lange nicht einmal an lockeres Laufen zu denken. Im Jänner 2015, als der gebürtige Eisenstädter unmittelbar vor einem Wechsel vom französischen Erstligisten Stade Rennes zum 1. FC Köln stand, stießen die Ärzte im Rahmen des routinemäßigen Medizinchecks auf einen Tumor an der linken Niere: Das Geschwür war bereits zwei Kilo schwer und bösartig.

Versuchte Verdrängung

Hosiner wollte die Dramatik des Befundes zunächst nicht wahrhaben, mit der Operation noch bis zur Sommerpause zuwarten und das halbe Jahr bis dahin einfach das machen, was er am besten kann und wovon er sich die größtmögliche Ablenkung erhoffte: Fußball spielen. Doch die Mediziner bestanden auf einen raschen Eingriff, drei Wochen nach Erstellung des Befundes lag Hosiner unterm Messer. Die OP verlief planmäßig, um das befallene Gewebe vollständig zu eliminieren, wurde die linke Niere entfernt.

»Der Glaube hat mir Kraft gegeben, ich bete jeden Abend vor dem Schlafengehen«

Eine Woge des Mitgefühls erfasste den prominenten Patienten. Seine ehemaligen Mannschaftskollegen von der Wiener Austria - die er in der Saison 2012/2013 mit nicht weniger als 32 Toren zum Meistertitel geschossen hatte - liefen mit eigens gefertigten Dressen auf. "Gute Besserung, Hosi", stand darauf. "Das hat mich unglaublich aufgebaut", erinnert er sich. Auch im Glauben habe er Kraft gefunden. "Ich bete jeden Abend vor dem Schlafengehen."

Nach Monaten zwischen Rehab, ersten Laufübungen und Aufbaumatches kämpfte sich Hosiner in den Profifußball zurück und wurde von Köln nach Berlin transferiert. Ende 2016 dann erneut ein Rückschlag: Plötzlich musste der Angreifer mit Atembeschwerden ins Spital. Diagnose: primärer Spontanpneumothorax, ein einseitiger Lungenkollaps. Im Rahmen einer Operation musste im Atemorgan ein winziges Loch verklebt werden.

Das Blitz-Comeback

Auch dieser Eingriff verlief gut, Hosiner erholte sich schnell und konnte das gesamte Vorbereitungsprogramm für die laufende Saison absolvieren. Nun ist er Fixbestandteil der Berliner Mannschaft. Und unverkrampft wie selten zuvor. "Die letzten beiden Jahre haben mich gelehrt, mir die negativen Seiten des Fußballs nicht mehr zu sehr zu Herzen zu nehmen", sagt er. Bei einem Verein nicht mehr gebraucht zu werden oder einen Klub trotz verlockender Angebote nicht verlassen zu dürfen - Hosiner hat das im Rahmen seiner zehnjährigen Profikarriere alles miterlebt, doch mittlerweile hat ihn das Leben gezwungen, die Dinge zu relativieren. Und dennoch ist ihm Fußball wichtiger den je.

"Nach beiden Diagnosen hatte ich immer dieses eine Ziel vor Augen, das mich motivierte und mir Kraft gab: nämlich möglichst rasch wieder auf dem Platz zu stehen." Nun steht er wieder auf dem Platz, stärker als zuvor und auch optimistischer: "Ich will unbedingt zurück in die Nationalmannschaft", sagt der fünffache Teamspieler. Und: "Ich will mit Österreich zur Weltmeisterschaft 2018 nach Russland."

Österreich nach Russland? Da hilft bei der aktuellen Form des Teams wohl nur die Kraft der Hoffnung. Und Philipp Hosiner als geborener Hoffnungsträger.