Monika Lindner muss Hochsitz verlassen: Bitterer Abschied der 1. Generaldirektorin

Lindner war die erste Frau an der Spitze des ORF Agierte nach Meinung der Kritiker bis zuletzt glücklos

"Kein Abschied auf der Welt fällt schwerer als der Abschied von der Macht", meinte einst ein französischer Staatsmann. Abschiednehmen von der medialen und damit auch politischen Macht heißt es nun für Monika Lindner, die in einem bis zuletzt auch von ORF-Insidern und Kennern des innenpolitischen quid-pro-quo kaum für möglich gehaltenen Überraschungscoup vom ORF-Stiftungsrat entthront wurde.

Für die oft unnahbar wirkende Medienfrau, die sich der zuverlässigen Unterstützung der Kanzlerpartei ÖVP sicher wähnte, war die Niederlage unübersehbar bitter. Zu spät dürfte die ORF-Regentin erkannt haben, dass ihr die Zügel aus der Hand geglitten sind - ihr Kontrahent hatte hingegen die Gunst der Stunde genutzt: Ab 1. Jänner 2007 heißt der neue ORF-Generaldirektor also Alexander Wrabetz.

Erste Frau im Amt
Die 61-jährige Lindner hatte seit viereinhalb Jahren Regie am Wiener Küniglberg geführt. Im Dezember 2001 konnte sie die ORF-Spitze mit den Stimmen von ÖVP- und damals FPÖ-nahen Stiftungsräten als erste Frau erobern. Mit ihrem Amtsantritt ging auch die größte Reform des ORF seit den Siebziger Jahren einher. Ihr Vorgänger Gerhard Weis war mit dem rund ein halbes Jahr zuvor von ÖVP und FPÖ beschlossenen Gesetz vorzeitig abgelöst worden.

Das neue ORF-Gesetz brachte für den ORF schwierigere Rahmenbedingungen, nicht zuletzt Einschränkungen im Werbebereich. Nach roten Zahlen im Jahr 2002 konnte die Geschäftsführung Lindner in den Folgejahren aber wieder ein ausgeglichenes Ergebnis erzielen. Im Gebührenbereich konnte Lindner im ORF-Stiftungsrat erstmals seit 1998 wieder eine Erhöhung durchsetzen. Seit Jänner 2004 zahlen die Österreicher höhere Rundfunkgebühren.

ORF 2 via Satellit
Neben dem ORF-Kollektivvertrag hat Lindner auch das Projekt, ORF 2 in ganz Europa via Satellit empfangbar zu machen, realisiert. Im Vorjahr fand unter ihrer Führung die Ausgliederung der ORF-Sendetechnik in die neu gegründete Tochter ORS statt. Die Raiffeisen-Medienbeteiligungsgesellschaft Medicur übernahm in der Folge 40 Prozent an der ORS, was Lindner in der Bilanz 2005 einen tiefschwarzen Rekord-Gewinn bescherte. Daneben wurde der Spartensender TW1 zu 100 Prozent vom ORF übernommen.

Die Marktanteile der ORF-Programme sind - inmitten eines härteren Konkurrenzumfeldes - unter Lindner beinahe kontinuierlich gesunken. Für Quoten-Highlights sorgten indes Eventprogramme wie die zwei Staffeln von "Starmania" - die dritte Auflage geht im Oktober an den Start - oder die zwei Staffeln von "Dancing Stars". Salzburger Opern-Events wie die "Traviata" oder den "Figaro" hievte Lindner in den Hauptabend. Ein Tiefpunkt war hingegen der Verlust der Übertragungsrechte an der österreichischen Bundesliga, die der ORF 2004 an die Privatsender Premiere und ATV abtreten musste.

Vorwurf der politischen Schlagseite
Zuletzt braute sich über der Medien-Lady ein negatives Stimmungs-Gewitter zusammen, nachdem "Zeit im Bild 2"-Moderator Armin Wolf in einer von Lindner als "Brandrede" titulierten Ansprache die interne Struktur des ORF sowie politische Einflussnahme von außen kritisiert und damit eine breite Diskussion losgetreten hatte. Öffentliche Kritik musste Linder in der Folge für Führungsstil und mangelnde Kommunikation einstecken. Darüber hinaus wurde ihr politische Schlagseite vorgeworfen, weil sie etwa als Chefin des "unabhänigen" ORF eine Rede von Bundeskanzler und ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel beklatschte. Auch im Zusammenhang mit der Einsetzung einer Untersuchungsgruppe gegen Chefredakteur Werner Mück agierte Lindner nach Meinung vieler Kritiker glücklos.

Lindner wurde am 25. September 1944 in Gleiwitz, Schlesien, geboren. Sie wuchs in Innsbruck auf und studierte - nach einem misslungenen Vorsprechen am Reinhardt-Seminar - Philosophie, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte. Ihre ersten journalistischen Sporen verdiente sich die passionierte Golf- und Tennisspielerin bei Hellmut Andics als Redakteurin von "Das österreichische Jahrhundert" und "Report in Rotweißrot". 1975 ging sie als freie Mitarbeiterin zum ORF, dem die 61-Jährige nun bereits die Hälfte ihres Lebens treu geblieben ist.

Ihr Aufstieg innerhalb des öffentlich-rechtlichen Senders begann 1979 mit der Leitung der Pressestelle, 1982 übersiedelte Lindner in die Stabsabteilung Planung und Koordination und 1991 übernahm Lindner die Sendung "Wir". 1995 bis 1998 leitete sie "Willkommen Österreich", bevor sie 1998 - auf Wunsch des damaligen ORF-Generalintendanten Gerhard Weis - zur NÖ-Landesintendantin avancierte. Seither wird Lindner ein besonders gutes Verhältnis zu Landeshauptmann Erwin Pröll (V) nachgesagt. Auch Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad zählt zur oft gesehenen Begleitung der Lindners. Privat war die ORF-Chefin mit dem Regisseur Otto Anton Eder verheiratet, der im August 2004 verstarb. (apa)