Vom "Report" oder von Puls 24 zur blauen Seite

Nach der Chefredaktion sind auch die multimedialen Fachressortleitungen im ORF bestellt. Vier weitere ausgeschriebene Bereiche stehen bereits vor den Anhörungen. Für die Führung der blauen Seite gibt es eine überraschende externe Bewerbung

von Medien & Menschen - Vom "Report" oder von Puls 24 zur blauen Seite © Bild: Gleissfoto

Sie ist wieder da. Nach zwei Sonntagen krankheitsbedingter Vertretung durch Tarek Leitner heißt es wieder "Im Zentrum mit Claudia Reiterer". So lautet seit ihrem Start 2017 der vollständige Titel. Die Moderatorin kämpft also wirklich um "ihre" Sendung, während ORF-General Roland Weißmann den Polittalk auf den Prüfstand der neuen Chefredaktion - Johannes Bruckenberger, Gabriele Waldner-Pammesberger und Sebastian Prokop - gestellt hat. Matthias Schmelzer, der 2020 ausgerechnet am ersten Höhepunkt der Pandemie zum Nachfolger von Robert Stoppacher als Sendungsleiter wurde, hat hingegen das sinkende Schiff verlassen. Dort wirkt vorerst Bruckenberger-Stellvertreterin Eva Karabeg nominell als Kapitänin, während Robert Uitz-Dallinger seit Herbst die operative Feuerwehr spielt. Offiziell ist er "Teamcoach" und beschreibt diese Aufgabe so: "Ich helfe in einer schwierigen Phase. Gemeinsam lösen wir die Probleme und starten den Prozess der Produkterneuerung."

Das klingt so (un)verfänglich, dass es dem gesamten ORF gelten könnte. Auch seine Personalstruktur erlebt den größten Umbruch seit Jahrzehnten. Nach der Chefredaktion wurden nun die multimedialen Ressortleiter unter viel geringerem öffentlichem Getöse bestellt, obwohl diese Schlüsselpositionen in der täglichen Arbeit deutlich spürbarer als die Führungsebene darüber sind. Die quer durch Fernsehen, Radio und Online nun Inhaltsverantwortlichen im Newsroom sind: Klaus Webhofer (Innenpolitik), Kristina Temel-Stiller (Wirtschaft), Johannes Marlovits (Außenpolitik, EU), Claudia Lahnsteiner (Chronik), Daniel Zeinlinger (Wetter) und Christian Williwald (Ö1-Information).

Noch weniger Aufsehen als diese Fachressortbesetzungen unter Waldner-Pammesberger ernten vier Bereichsausschreibungen im Bereich von Prokop. Er leitet die Newsteams. Das ist die schnelle Truppe für Breaking News, ORF.at, TV-Kurznachrichten und Social Media - ein zentraler Angelpunkt für die qualitative Wahrnehmung des Hauses bei den immer häufigeren Zerreißproben zwischen Tempo und Qualität. Soeben ist die Bewerbungsfrist abgelaufen: Schmelzer, einst auch bei Ö3 und Ö1 sowie stellvertretender "ZiB 2"-Leiter, gilt als Favorit für das Ressort Radionachrichten und Teletext. So wie der Datenjournalist Jakob Weichenberger für TV-News, Video und Verifikation. Seine Expertise wird im Superwahljahr mit neu zu bestimmender Wahlforschung nach dem Sora-Ende besonders wichtig.

Der dritte Bereich, für den die Kandidaten sich vorerst den Hearings von Management und Redaktion stellen müssen, ist Social Media. Würde Patrick Swanson noch diesen Sektor der "ZiB" leiten, wäre ihm der neue Ressortleiterjob sicher. Doch er hat die Position aufgegeben, um bis Herbst 2024 als JSK Journalism Fellow an der kalifornischen Stanford University zu studieren. Seitdem fungiert seine Stellvertreterin Miriam Reichel unter Führung von Armin Wolf als operative Social-Media-Leiterin der "ZiB". Ob dieses Sprungbrett reicht, wagt nicht einmal der anonyme Flurfunk des ORF zu prophezeien.

Wenig überraschend enormes Kandidateninteresse gibt es unterdessen für den vierten Ressortleiter-Posten "Online-Nachrichten". Dahinter verbirgt sich die blaue Seite news.ORF.at. Der digitale Auftritt muss nach heftigem Streit mit den Zeitungsverlegern und infolge eines neuen Gesetzes nun weniger textbasiert und mehr videoorientiert sein. Aus dem bisherigen Team bewerben sich Christian Körber und Sophia Felbermair. Bekannter ist aber Julia Ortner, eine Politikjournalistin mit multimedialer Expertise. Derzeit beim "Report" und "VN"-Kolumnistin, war sie davor u. a. unternehmerische und inhaltliche Podcast-Pionierin sowie stellvertretende Chefredakteurin von News. Doch sie erhält überraschend Konkurrenz von außen: Auch Stefan Kaltenbrunner, der Puls 24 als Chefredakteur verlassen hat (und dies zuvor bei kurier.at und "Datum" war), bewirbt sich. Ob dies jene Option war, die er beim Abgang im Herbst für 2024 angedeutet hat, oder es ein Plan B ist, lässt sich nicht authentisch klären.

Spätestens die Bestellung des ehemaligen APA-Chefredakteurs Bruckenberger sollte gezeigt haben, dass externe Bewerbungen für ORF-Positionen nur erfolgreich sein können, wenn sie schon vor der Ausschreibung paktiert werden. Letztlich entscheidet trotz der Anhörungen und der Vorschläge durch das Management und die Redaktion Weißmann allein, wer was auf dem Küniglberg wird. Sollte es nach den Hearings wirklich auf eine Wahl zwischen Ortner und Kaltenbrunner hinauslaufen, wird das als Signal nach außen wie innen gewertet und - so oder so - sicher lustvoll missverstanden.