"Aufgeben gibt es nicht"

In "All About Eve" spielt Vorstadtweib Martina Ebm eine kaltblütige Intrigantin. Es ist der Grenzgang, der sie an Rollen reizt. Ihr langer Weg nach oben hat sie das gelehrt.

von Martina Ebm © Bild: Matt Observe

Man kann gut lachen mit Martina Ebm. Über den Secondhand-Chic des von Kinderhand gehäkelten Tascherls der Journalistin zum Beispiel. Ebm, die seit einem Jahr Mutter von Zwillingen ist, rührt einerseits der Gedanke, bald auch Derartiges geschenkt zu bekommen. Gleichzeitig scheut sie sich nicht vor der Tabufrage: "Muss man wirklich alle Kindergeschenke aufh eben?" Es sind ihre offene, hellwache Art, ihre hundertprozentige Präsenz im Augenblick, die Absenz jeglicher Eitelkeit, die an der Schauspielerin sofort auffallen. Sie bevorzugt das Du-Wort beim Gespräch im modern-kühlen Vorraum der Wiener Kammerspiele. Hier probt sie für die Uraufführung von "All About Eve", in der sie nach einem Jahr Pause wieder auf der Bühne steht. Endlich.

Eine lange Zeit war das Jahr ohne Theater für Martina Ebm. Nur einmal war sie in ihrer Karenzzeit als Zuschauerin da, und man spürt ihre Sehnsucht, wenn sie darüber spricht: "Ich konnte es kaum erwarten, zurückzukommen. Ich rieche die Bühne und will sofort wieder spielen." Die Rolle der intriganten Eve in der Bühnenfassung des Bette-Davies-Filmklassikers "All About Eve" betrachtet sie als Geschenk. Eves Kaltblütigkeit könnte der Schauspielerin nicht fremder sein ("sie ist ja eine Killerin!"), doch genau das macht den Reiz der Rolle aus.

© Video: News.at/Lisa Ulrich

Grenzgang, gern mit Anlauf

Ebm lotet gerne Grenzen aus. "Wie spielt man eine intrigante Person? Man muss sich auf die Umstände konzentrieren, nicht darauf, intrigant zu sein. Man muss sich Eves Ziel vorstellen: Ich will ganz nach oben! Es ist interessant, sich vorzustellen, was einen Menschen antreibt, für Ruhm so weit zu gehen", sagt sie. Eine Figur zu sein, nicht zu spielen, lautet ihr Credo. In "All About Eve" schmiedet die Protagonistin einen perfiden Plan, um die Bühnendiva Margo Channing, gespielt von Sandra Cervik, erst zur Mentorin zu machen, um sie danach vom Thron zu stürzen und ihre Rolle einzunehmen. Ebm: "So skrupellos muss man einmal sein."

Dass Eve Freunde, Integrität und Moral für den Applaus opfert, ist Ebm doppelt fremd. "Der Preis wäre mir zu hoch, außerdem lasse ich mich nicht so gern feiern." Ihren Antrieb bezieht die Schauspielerin aus den besonders geglückten Momenten auf der Bühne. "Der Applaus selbst ist mir manchmal zu viel. Dafür finde ich es unglaublich schön, wenn ich eine Szene spiele, und im Zuschauerraum wird es ganz still, weil alle an mir dran sind. Das sind Momente, die mich schweben lassen, wenn ich merke, dass das Publikum ganz bei mir ist und nachfühlen kann, was ich gerade fühle."

Wenn Ebm erzählt, tut sie das mit derselben Intensität, mit der sie ihre Rollen zum Leben erweckt: die emotionale Versehrtheit der hochintelligenten Psychoanalytikerin Sabina Spielrein in Christopher Hamptons "Dunkle Begierde"; die kindliche Naivität des Mädels Kathi in Nestroys "Der Zerrissene"; den wachsenden Mut von Vorstadtweib Caro im ORF-Quotenhit, ihr Luxusleben für die Freiheit aufzugeben.

Verzweigt wie ein Baum

Halbe Sachen gibt es nicht. Das hat sie von Paulus Manker gelernt. Gleich nach Abschluss ihres Studiums der Theater-, Film-und Medienwissenschaft an der Universität Wien war sie 2011 drei Jahre lang eine seiner Almas in "Alma - A Show Biz ans Ende". Eine richtungweisende Erfahrung für die Schauspielerin, deren Stern nur scheinbar über Nacht aufgegangen ist. Ihr Weg zum gefragten Josefstadt-Ensemblemitglied und TV-Star war lange und verschlungen. Schauspielerin zu werden, war anfangs nicht ihr Plan. "Mein Leben ist diesbezüglich verzweigt wie ein Baum", sagt Ebm, die zum Erscheinen dieses Artikels ihren 36. Geburtstag feiert, nachdenklich.

Von der Sporthauptschule im oberösterreichischen Mondsee, wo sie nach der Trennung der Eltern mit Mutter und Schwester ab ihrem sechsten Lebensjahr aufwuchs, führte er sie in den musischen Zweig des BORG Salzburg. "Ich wollte eine Zeit lang in den Leistungssport", erzählt sie. Judo-Juniorenmeisterin war sie immerhin. Der Wechsel ins künstlerische Fach war "eine Bauchentscheidung", sagt sie. Kurzes BWL-Studium, kurzes Medizinstudium, Theaterwissenschaften und Off-Theater waren die nächsten Stationen.

Der Kick am Beruf

Damals, als es wehtat am Off-Theater, weil wenig Geld da war und man trotzdem gemeinsam für neue Stücke brannte, spürte sie erstmals ihre Berufung: "Ich hatte das Gefühl, meine Bestimmung gefunden zu haben, den Platz im Leben, der sich gut anfühlt." Dann die Grenzerfahrung als Alma mit dem besessenen Theatermacher Manker. "Bei ihm muss man alles geben. Von Manker habe ich mitgenommen: Halbe Sachen gibt es nicht. Ich dachte mir x-mal: Ich will nicht aufgeben. Er hat meinen Ehrgeiz geweckt. Wenn der das schafft, schaffe ich das auch. Die größte Entwicklung macht man ja immer außerhalb der Komfortzone", sagt Ebm. Die Erfahrung aus ihrer Vergangenheit im Leistungssport hat geholfen, das hinnehmen zu können.

»Die größte Entwicklung macht man immer außerhalb der Komfortzone. Und es wirkt als Kick«

Durch den Beruf auch als Mensch wachsen zu können, erachtet die 1,65 Meter große, zierliche Dunkelhaarige noch heute als eine der schönsten Seiten am Beruf. Mit "Alma" war der Anfang gemacht. "Durch die Hingabe an die Rolle habe ich entdeckt, welche Gefühle in mir stecken, manche habe ich gar nicht richtig gekannt: von Zorn bis Trauer. Ich schätze es, immer den einen Schritt weiter zu gehen und zu spüren, dass ich zu immer neuen Gefühlen fähig bin. Das bringt mich auch als Mensch weiter. Es ist großartig, sich zu spüren. Und es wirkt als Kick, sich aus der Komfortzone zu bewegen." Jede Rolle birgt neue Erfahrungen, darum geht es. Zuletzt drehte sie neben den "Vorstadtweibern", die ORF-Komödie "Recht oder Gerechtigkeit", spielte eine Schlagersängerin in "Der Alte" und eine Weltraumforscherin im Studentenprojekt "Proxima b" ("ganz spontan. Mein Lieblingsprojekt").

An der Intensität, mit der Ebm ihren Beruf betreibt, betreiben muss, hat ihre Mutterschaft nichts geändert. Auch wenn sie von ihren Zwillingen als "die krasseste Veränderung in meinem Leben" spricht, der sie alles unterordnet. Das private Umfeld trägt dazu bei, dass sie beim Dreh oder auf der Bühne das Mama-Sein ausblenden kann, um jemand anders zu werden. "Ich dachte nicht, dass es so problemlos wird, aber ich habe ein tolles Netzwerk, was die Kinderbetreuung betrifft. Ich kann mich auf der Bühne auf andere Dinge konzentrieren. Zu Hause bin ich sofort wieder Mama. Das klappt natürlich nur, weil ich weiß, dass es ihnen gut geht."

Keine Beziehungsregel

Das Verständnis ihres Partners, Regisseur Umut Dağ, ist Teil dieses privaten Erfolgsgeheimnisses. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich das mit jemandem ausgehen sollte, der nicht aus der Branche kommt und so vieles nicht verstehen würde an diesem Beruf." Dass Ebm mit dem besten Freund ihres Partners, Murathan Muslu -er spielte in Dağs preisgekröntem Film "Risse im Beton" -, in "Vorstadtweiber" ein paar Sexszenen hat, gehört dazu. Gefühle aus dem Innersten nach außen zu kehren, findet sie ohnehin viel entblößender als Sexszenen. Ihr Umgang mit dem eigenen Körper scheint ohnehin sehr unkompliziert - wie der mit ihrer von Männern wie Frauen bescheinigten Attraktivität. "Manchmal schaue ich in den Spiegel und mir gefällt, was ich sehe. Am nächsten Tag gefällt mir dasselbe Spiegelbild gar nicht. Generell baue ich nicht zu sehr auf Schönheit, das ist der falsche Weg. Wir sind, was wir tun, und nicht, wie wir aussehen."

Das Paar Martina Ebm und Umut Dağ hält Beruf und Privates strikt getrennt, hat noch nie zusammen gearbeitet. Eine Beziehungsregel? "Nein. Ich weiß, dass Umut ein toller Regisseur ist, der Schauspieler gut inszeniert. Insofern könnte es spannend sein, mit ihm zu arbeiten. Andererseits weiß man nie, wo das hinführt. Aber sag niemals nie!", wägt sie ab.

Man darf darauf vertrauen, dass sie ihre Grenzgänge weiterhin klug auswählt.