Was bedeutet es
heute, Mann zu sein?

Was bedeutet es heute, Mann zu sein? Wie viel Schwäche darf das starke Geschlecht zeigen? Und was erwartet sein weibliches Gegenüber von ihm?

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Generationengespräch - Was bedeutet es
heute, Mann zu sein?

Bei unserem Generationengespräch sprachen Erwin Drexler, Vater zweier erwachsener Kinder, Manuel Prohaska, Vater eines knapp zwei Jahre alten Sohns, und Frau Dr. Eva-Maria Schmidt, Sozialwissenschafterin am Österreichischen Institut für Familienforschung, über das Rollenbild des Mannes.

Herr Prohaska, was bedeutet es für Sie, Mann zu sein?

Prohaska: Mann sein, das bedeutet für mich, dass ich die Winterreifen auf Sommerreifen umstecken darf. (lacht) Nein, im Ernst ... schwierig zu beantworten. Männer erledigen heute nicht mehr nur Aufgaben, bei denen viel Muskelkraft notwendig ist, wie eben Autoreifen wechseln, sondern sie helfen zum Beispiel auch im Haushalt. So kenne ich das von meinen Freunden und Bekannten.

Schmidt: Bis zu den 1950er, 1960er Jahren war relativ klar war, was ein Mann zu tun hat, wie seine Karriere, sein Lebenslauf ausschauen und welche Werte er vertreten soll. Als Versorger der Familie sollte er wehrhaft, aber auch loyal sein. Mit der Frauenbewegung hat sich dann auch die Rolle des Mannes verändert. Plötzlich wurden ihm auch Attribute wie Fürsorglichkeit zugeschrieben. Aufgabenbereiche wie Pflege und Betreuung kamen hinzu - Aufgaben, die zuvor eher abgewertet wurden, weil Frauen sie gemacht haben.

Bei unserer Recherche sind wir auf folgendes Zitat gestoßen: Die Männer der neuen Zeit, sie haben es wirklich nicht leicht. Können Sie das unterschreiben?

© Video: News.at

Prohaska: Die Männer der neuen Zeit haben es nicht leicht ... Ich denke, die Männer der früheren Generationen haben es bestimmt auch nicht viel leichter gehabt. Meistens ist es ja so, dass man sich selber betrachtet und sagt: Wir haben es nicht leicht. Aber warum sollen wir es in der neuen Zeit weniger leicht haben als in der alten?

© News Erwin Drexler, Manuel Prohaska, Eva-Maria Schmidt, Britta Breuers (v.l.n.r.)

Schmidt: Die Arbeitswelt hat sich tiefgreifend verändert. Alles ist digital, flexibel. Es ist nicht mehr üblich, 40 Jahre lang bei ein und derselben Firma vollzeit zu arbeiten. Nun ist es aber so, dass Männlichkeit sehr stark mit Erwerbstätigkeit verbunden ist. Für den Mann stellt diese Entwicklung daher eine Verunsicherung dar. Insofern würde ich sagen: Ja, Männer haben es heutzutage ein bisschen schwerer. Weil unklar ist, was genau von ihnen erwartet wird. Zumindest weniger klar, als es vor etwa 50 Jahren war.

Was wird denn heute von einem Mann erwartet? Soll er der Starke sein oder der Sensible?

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Prohaska: Ich glaube, es ist eine Mischung aus beidem. Einerseits muss man in gewissen Situationen schon der Starke sein. Andererseits muss man auch Verständnis zeigen, einfühlsam sein, eine Schulter zum Anlehnen bieten.

»Die Hosen haben sowieso immer die Frauen an«

Und wer ist bei Ihnen zuhause der Stärkere?

Prohaska: (lacht) Das sag ich nicht ... Ich möchte das aber auch gar nicht so herunterbrechen, wer der Stärkere ist. Die Hosen haben meiner Meinung nach sowieso immer die Frauen an. Aber es ist eigentlich ein Geben und Nehmen bei uns daheim. Ich schaue, dass ich meiner Partnerin eine Stütze bin. Auf der anderen Seite ist sie genauso für mich da, wenn es mir schlecht geht.

Herr Drexler, dürfen Männer auch Schwäche zeigen?

Drexler: Heute mehr als früher. Ein Mann, der weint, ist heute nicht mehr ein Softie, wird nicht mehr automatisch herabwürdigend angeschaut. Ich glaube, das hat sich schon geändert.

© News Manuel Prohaska (li), Erwin Drexler (re)

Und wie männlich ist der neue Mann?

Drexler: Ich hab in meiner eigenen Familie ein gutes Beispiel für das veränderte Rollenbild. Mein Sohn singt, ist oft auf Tournee. Er ist der Hausmann und sie geht arbeiten. Er geht mit den Kindern in den Kindergarten, kocht, und singt über das, was er kocht.

Apropos Aufgabenteilung - vor nicht allzu langer Zeit noch war klar: Der Mann bringt das Geld nachhause, die Frau kümmert sich um die Familie. Wie ist das heute?

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Schmidt: Hier hat sich im Laufe der Jahre sehr viel geändert. Zum Beispiel, dass Frauen zuverdienen. In den meisten Fällen ist der Mann aber nach wie vor der Ernährer der Familie. Das liegt vielleicht auch daran, dass Frauen sich selbst gar nicht so sehr in dieser Rolle sehen. Umgekehrt beteiligen sich immer mehr Väter an der Kinderbetreuung und im Haushalt. Und das, obwohl die meisten von ihnen nach wie vor vollzeit erwerbstätig sind. Damit geraten sie zunehmend unter Zeitdruck.

Herr Prohaska, würde es Sie stören, wenn Ihre Frau deutlich mehr verdienen würde als Sie?

Prohaska: Nein. Darauf arbeiten wir gerade hin (lacht). Ich hab immer mehr verdient als meine Partnerin. In der Karenz hat sie die Zeit für verschiedene Weiterbildungen im Fotobereich genutzt. Vor kurzem hat sie sich selbständig gemacht. Ich hoffe, dass ihr Businessmodell aufgeht und sie irgendwann mal vielleicht sogar mehr Geld verdient als ich. Und dann bleib ich beim nächsten Baby zuhause.

© News Manuel Prohaska

Wenn Sie mit Ihrer Freundin essen gehen, wer zahlt?

Prohaska: Bei uns ist es eigentlich 50:50. Klar, jetzt, wo meine Frau in Karenz ist, zahle ich alles. Und ich lade sie schon auch oft ins Kino oder zum Essen ein. Aber alles in allem teilen wir uns die Kosten auf. Das haben wir uns schon am Anfang unserer Beziehung so ausgemacht.

Darf der Mann denn heute noch Kavalier sein, Herr Drexler?

Drexler: Für mich ist es noch selbstverständlich, dass ich einer Frau die Tür aufhalte, zuvorkommend bin. Das geht mir bei der jungen Generation ein bisschen ab. Oder wenn ich mit einer Dame ausgehe, dann zahle ich die Konsumation. Das ist für mich selbstverständlich. Für mich sind Frauen noch anbetungswürdig.

»Für mich sind Frauen noch anbetungswürdig.«

Ist es für Sie wichtig, derjenige zu sein, der das Geld nach Hause bringt?

Drexler: Diese Frage hat sich bei uns nie gestellt. Die Kinder sind gekommen, die Frau ist zuhause geblieben. Und ich bin arbeiten gegangen. Ich habe nie darüber nachgedacht, es anders zu machen.

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Schmidt: Genau das ist es. Früher musste man gar nicht überlegen. Es gab es keine Alternativen. Heute ist das anders. Ich kann zwei Monate in Karenz gehen, ich kann aber auch die ganze Zeit über zuhause bleiben. Es gibt mehr Entwürfe, zwischen denen man wählen kann. Das erhöht natürlich auch den Druck. Ich muss mir klar werden, was ich eigentlich will. Dann muss ich mit meinem Partner ausverhandeln: Was machst Du? Was mache ich? Und wenn man es nicht so macht wie die anderen, muss man es ihnen erklären. Soviel dazu, dass es schwieriger geworden ist.

Die Väterkarenz in ihrer heutigen Form gibt es ja noch nicht allzu lange. Herr Drexler, wäre es vor rund 30 Jahren in Ihrem Bekannten- und Freundeskreis denkbar gewesen, in Karenz zu gehen, während die Frau arbeitet?

Drexler: Unvorstellbar! Allein vom Gesetz her war das ja schon nicht möglich. Aber auch von der Gesellschaft her wäre das unvorstellbar gewesen. Nach dem Motto: "Was bildet sich der ein? Der bleibt jetzt zuhause? Das hat die Frau zu machen."

Wenn Sie damals die Möglichkeit gehabt hätten in Karenz zu gehen, hätten Sie sie genutzt?

Drexler: Ich sehe das bei meinem Sohn: Er und seine Frau machen alles gemeinsam, teilen sich die Arbeit. Er ist der Mann im Haus, macht die Frauenarbeit, und sie geht arbeiten. Das funktioniert klasse.

Wäre das auch ein passendes Modell für Sie?

Drexler: Ja. Ich sehe da nichts Verwerfliches dran. Es kann allerdings nur die Frau ein Kind bekommen und naturgemäß bleibt sie dann auch beim Kind. Zumindest in dieser Zeit erhält der Mann die Familie.

© News Erwin Drexler, Manuel Prohaska

Was bedeutet es für Sie, Vater zu sein?

Drexler: Ich bin immer schon sehr viel auf Reisen gewesen. Unter anderem als Reiseleiter. Deswegen war ich öfters nicht zuhause. Es war eigentlich die Aufgabe meiner Frau, die Kinder zu erziehen. Und ich war zufrieden, dass sie das in meinem Sinne gemacht hat. Mir war immer wichtig, dass meine Kinder gut erzogen sind, grüßen können … Bis heute bin ich stolz darauf, dass sie diese Erziehung genossen haben und sie auch jetzt an ihre eigenen Kinder weitergeben.

Würden Sie es heute genauso machen wie früher?

Drexler: Nein! Ich würde vor allem vom Kleinkind an mehr mithelfen. Ein Kind wickeln war bei uns noch undenkbar. Da war ganz klar, dass das die Frau macht. Das würde ich heute bewusst anders machen.

Warum?

Drexler: Weil ich es für notwendig und für schön erachte.

In Ihrem Blog "The Real Papa Life" berichten Sie von Ihrer Zeit in der Väterkarenz. Was hat sie dazu bewegt, sie in Anspruch zu nehmen?

Prohaska: Für mich war von Anfang an klar, dass ich das, sollte ich mal Papa werden, in Anspruch nehme. Es gibt ja auch die Möglichkeit, für zwei Monate gemeinsam in Karenz zu gehen. Bei mir in der Firma war ich war der erste Mann, der in Karenz gegangen ist. Das heißt, ich hab es nicht ganz so leicht gehabt und wusste, was da auf mich zukommt. Aber das hab ich in Kauf genommen, weil ich wusste: Das wird eine super Zeit mit dem Kleinen. Wir waren zusammen sechs Wochen in Thailand unterwegs. Das hätte ich mir nicht nehmen lassen.

Und was bedeutet es für Sie, Vater zu sein?

Prohaska: Seitdem ich Vater bin, denke ich viel über mich selbst nach. Ich bemühe mich, Dinge zu verbessern. Zum Beispiel versuche ich täglich, glücklicher zu sein. Man hat ja eine gewisse Vorstellung davon, wie der eigene Sohn in ein paar Jahren sein soll. Und ich kann meinem Sohn ja keine Werte vermitteln, wenn ich sie ihm nicht selbst vorlebe. Das hat mein Leben komplett auf den Kopf gestellt.

Haben Sie das Gefühl, dass die Väterkarenz gut angenommen wird?

Schmidt: Es gibt hier schon einen Wandel, aber die traditionellen Strukturen sind nach wie vor vorhanden. Interessanterweise zeigt sich hier oft ein männliches Argumentationsmuster. Zum Beispiel, dass es mutig ist, wenn der Mann in Karenz geht. Dass er sich damit Anerkennung verdient und die Frau dankbar sein muss, wenn er sie da unterstützt.

© News Eva-Maria Schmidt, Erwin Drexler

Wie wird sich die Rolle des Mannes in weiterer Zukunft entwickeln?

Schmidt: Schwer zu sagen. Betrachtet man den Vater, der zuhause das Kind wickelt und betreut, und ältere Kinder sehen das – das bewirkt natürlich schon etwas. Andererseits stagniert die Entwicklung gerade wieder. Es gehen vielleicht 20 Prozent der Männer in Karenz. Da tut sich im Moment nicht allzu viel. Die Frage lautet aber: Was ist das Ziel? Muss irgendeine Art von Differenz bestehen bleiben? Oder sollen alle alles tun?

Wie sehen Sie das, Herr Prohaska? Soll es weiterhin Unterschiede zwischen den Geschlechtern geben?

Prohaska: Irgendwann einmal, glaube ich, wird es keine Unterschiede zwischen Mann und Frau mehr geben. Die Arbeitsplätze werden sich dahingehend verändern, dass es den typischen Männerjob nicht mehr gibt. Muskelkraft wird nur noch in einigen wenigen Bereichen gefragt sein. Der Großteil der Jobs wird Intelligenz erfordern. Da ist es dann egal, ob da ein Mann oder eine Frau sitzt.

Frau Dr. Schmidt, ist es möglich, dass sich die Differenz zwischen Mann und Frau früher oder später auflöst?

Schmidt: Ich glaube nicht. Menschen haben gerne klare Strukturen und voneinander unterscheidbare Ideale. Die Frage ist vielmehr, ob die Differenz gut ist oder nicht?

»Menschen haben gerne klare Strukturen und voneinander unterscheidbare Ideale«

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

© Video: News.at

Prohaska: Mehr Akzeptanz für Frauen. Dass sie den Männern gleichgestellt sind. Evolutionär gesehen haben wir Männer zwar den Vorteil, dass wir meistens größer – und ich bin's nicht – und stärker sind. Aber abgesehen davon … Was unterscheidet uns Männer schon von Frauen?

Vielleicht das Kinderkriegen!?

Prohaska: Okay, ja. Aber dafür haben wir Schnupfen. Männerschnupfen. (lacht)

Drexler: Ich finde, dass wir mit der Gleichberechtigung der Frauen nicht so schlecht ausschauen. Was ich aber auf meinen Reisen sehe ... Ich komme gerade aus dem Iran. Was die Frauen dort erleben müssen, ist entsetzlich. Ich würde mir wünschen, dass die weiterkommen.