„Man muss Politik für
Generationen machen!“

Marlene (19), Martin (49) und Elisabeth (68) reden über Politik. Von damals und heute, gestern und morgen.

3 Generationen, 1 Tisch, 1 Thema. Das ist das Motto der neuen News-Generationengespräche. Marlene, Martin und Elisabeth sprachen über peinliche Politiker, frustrierte Wähler und darüber, warum nicht alle FPÖ-Anhänger Nazis und alle Grünen Anarchisten sind.

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Elisabeth, was hat Ihr Interesse an Politik geweckt?

Elisabeth: Ich komme aus einer Familie, in der verschiedenste politische Meinungen vertreten waren. Das hat oft zu heftigsten Diskussionen geführt und hat mich bestimmt auch politisiert. Für mich ist es vor allem spannend, politische Entwicklungen durch die Jahre zu verfolgen. Momentan gibt es ja viele neue Parteien und dadurch viele neue Optionen.

»Politik hat heute einen enormen Unterhaltungswert«

Martin: Das stimmt. Vor allem im Vergleich zu den 80er- und 90er-Jahren als ich damals zu wählen begonnen habe. Früher waren das immer die gleichen Debatten. Immer zwischen Rot-Schwarz. Heute hat Politik einen enormen Unterhaltungswert, einfach auch aufgrund von Social-Media. Das ist schon um einiges witziger geworden als früher in den 70ern, wo alles grau war.

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Marlene, Sie als „Digital Native“, wie ist das mit Politik in den Sozialen Medien?

Marlene: Was mich nervt, ist dieses übertriebene Jung-Sein-Wollen einer Partei. Ich meine, einerseits gut, dass man Social Media aufgreift anderseits wird es mir teilweise ein bisschen zu viel, was ich da oft sehe. Ich finde es nicht in Ordnung, wie Themen angesprochen werden, um sie so zwingend jung zu machen.

Also ein Herr Kern auf Snapchat und ein Herr Kurz auf Instagram – ist das peinlich oder cool?

Marlene: Eher peinlich.

Martin: Wen erreicht man dann damit?

Marlene: Ja das weiß ich auch nicht. Snapchat ist ein eben Ort mit Freunden und wenn ein Politiker da auftaucht ist das so gezwungen auf „Ich will jetzt auch cool sein, ich will dazugehören“. Da gibt es meiner Meinung nach andere Wege.

Martin: Das schaut also dann so aus, wie wenn die Eltern auftauchen auf Snapchat.

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Martin, nervt Sie Politik auch manchmal?

Martin: Ja, weil immer wieder dasselbe wiederholt wird. Außerdem stört mich dieses extreme Überzeichnen, dieses Schwarz-Weiß-Denken. Das schlägt leider teilweise auch auf die Bevölkerung um. Vor allem in den Sozialen Medien ist zu beobachten, dass Leute einfach beflegelt und in Schubladen gesteckt werden – im Sinne von „Alle FPÖler sind Nazis und alle Grünen Anarchisten“. Das finde ich erschreckend.

Wie hat Politik tatsächlich Einfluss auf Ihr Leben?

Elisabeth: Ich war sehr lange verheiratet und bin erst spät wieder in den Job eingestiegen. Ich spüre zwar die Entlastung der Steuersenkung von der letzten Steuerreform, dennoch muss ich aufgrund meiner Lebenssituation mit einer sehr minimalen Pension auskommen. Da bin ich dann doch sehr froh, dass es in Wien Dinge wie einen sozialen Wohnbau gibt.

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Marlene: Wenn im Wahlkampf Studienaufnahmetests diskutiert werden, betrifft mich das. Denn hier habe ich leider selbst schon negative Erfahrungen machen müssen. Ich stehe Aufnahmetests kritisch gegenüber, denn als Voraussetzung gibt es ja sowieso schon die Matura. Wenn dann noch Privatunis ins Spiel kommen, teilt sich die Gesellschaft in Menschen, die sich Studieren leisten können und solche, die nicht die Chance dazu bekommen. Man muss sich beispielsweise nur die Anzahl der Medizinbewerber und die der vorhandenen Plätze anschauen.

Elisabeth: Es ist schon richtig, dass Bildung nicht eine Sache sein darf, die sich nur die Reichen leisten können. Die Zugangsbeschränkungen zur Uni sind in gewissem Maße aber notwendig. Ich habe 1986 ein Studium begonnen. In meinem Fach waren wir 8.000. Natürlich sind Aufnahmetests aber auch nicht immer gut und gerecht.

Was muss denn ein guter Politiker, eine gute Politikerin können?

Martin: Er oder sie müsste auf jeden Fall gut mit Menschen umgehen können und sich in all jene, die nicht so privilegiert sind, hineinversetzen können. Weil für genau die Leute machen sie ja Politik.

»Ich finde, ein guter Politiker muss alle Generationen vertreten.«

Marlene: Ich finde, ein guter Politiker muss alle Generationen vertreten. Wir Junge fühlen uns oft ausgelassen. Einfach, weil Themen, die für uns wichtig sind, nicht angesprochen werden. Ein Politiker muss für alle stehen. Er sollte Lösungsvorschläge bringen. Und auch Fehler eingestehen können.

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Elisabeth: Ich denke, worauf es jetzt ankommt, ist Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit, eine gewisse Nähe zum Volk und Pragmatismus. Also wo man das Gefühl hat, die Frau oder der Mann in der Politik tut etwas und bringt was weiter.

Aber wenn ein Politiker jetzt all diese Eigenschaften hätte, wäre automatisch auch die Politik gut?

Elisabeth: Ich komme aus Graz und da war es immer anders. Ich erinnere mich, wir hatten einmal einen blauen Bürgermeister, der gute Politik gemacht hat. Einfach von der Persönlichkeit her. Dann haben auch einmal die Kommunisten gewonnen. Nur aus dem Grund, weil ihr Kandidat so sympathisch war. Unter den Parteien war eine gewisse Gesprächsbereitschaft vorhanden. Auch über die Parteigrenzen hinweg. Das fehlt mir im Moment.

Das heißt eine SPÖ-FPÖ-Koalition wäre für Sie in Ordnung?

Elisabeth: Wenn diese Sich-gegenseitig-blockieren-Strategie dadurch minimiert wird, ja.

»Politik ist dann gut, wenn es den Menschen gut geht. Unabhängig von der Farbe.«

Martin: Ich glaube auch, dass die Themen das Spannende sind und weniger der Parteiapparat, der dahintersteht. Denn Politik ist dann gut, wenn es den Menschen gut geht. Unabhängig davon, welche Farbe sie hat.

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Marlene: Ich finde es wichtig, dass Parteien nicht so gegeneinander hetzen. Besonders schlimm war es im Bundespräsidentschaftswahlkampf als es diese zwei extremen Positionen gegeben hat. Die sind dann so aufeinandergetroffen, dass es gar keine gute Politik mehr geben kann, weil egal wie die Wahl ausgeht, immer eine Hälfte dagegen sein wird.

Bei der Bundespräsidentenwahl war die Wahlbeteiligung ja relativ hoch. Wie wichtig ist das Wahlrecht?

Marlene: Sehr wichtig. Ich habe das selbst erlebt als ich 16 geworden bin und wählen durfte. Man hat nur eine Stimme und die muss man nutzen. Denn da tut man nicht nur etwas für sich selbst, sondern auch für die Gesellschaft. Und das ist ein gutes Gefühl und ein gutes Zeichen, das man setzt. Natürlich habe ich aber auch Freunde, die sich gar nicht für Politik interessieren. Das finde ich schwierig.

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Elisabeth, was denken Sie über junge politikverdrossene Menschen?

Elisabeth: Ich würde mir mehr politische Bildung in der Schule wünschen, es ist einfach viel zu wenig Wissen vorhanden. Information ist etwas, das uns hilft besser zu entscheiden. Das Wahlrecht gar nicht in Anspruch zu nehmen, finde ich eigentlich grenzwertig, weil wir froh sein können, dass wir überhaupt die Möglichkeit haben.

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Martin: Also ich bin ziemlich sicher, dass ich mit 16 nicht gewählt hätte. Aus dem heraus, wie ich unterwegs war mit 16. Das hätte mich wahrscheinlich gar nicht interessiert. Ich finde das Wahlrecht unglaublich wichtig und alle, die es nicht in Anspruch nehmen, müssen einfach den Mund halten.

»In meiner Kindheit und Jugend war das Wählen-Gehen ein richtiges Ritual.«

Elisabeth: Ich kann mich erinnern, in meiner Kindheit und Jugend war das Wählen-Gehen ein richtiges Ritual. Man ist geschlossen mit der ganzen Familie hingegangen. Es wäre sogar persönlich beschämend gewesen, wenn man da jetzt nicht gesehen wird.

Marlene: Also meiner Meinung nach braucht man die Wahlpflicht so lange, bis man es schafft, dass junge Leute von alleine motiviert genug sind, wählen zu gehen. Generell sollte es ein großes Ziel der Politik sein, diese auch für Junge interessant zu machen. Ich erinnere mich hier an eine Diskussionsrunde, die wir in meiner Schule einmal hatten. Da waren Politiker aus allen Parteien vertreten. Und es war Pflicht, daran teilzunehmen. Das war wirklich extrem interessant und würde ich allen Schulen empfehlen.

Aber wie motiviert man frustrierte Menschen mit viel Lebenserfahrung?

Elisabeth: Schwierig. Ich denke, es würde manchmal schon helfen, wenn sich Politiker nicht nur in Wahlkampfzeiten unters Volk mischen. Die Leute müssen dort abgeholt werden, wo sie stehen.

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Martin: Das ist bei Jungen natürlich leichter, da muss man nur in die Schulen gehen.

Elisabeth: Warum? Es gibt ja auch Altersheime.

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Vielleicht liegt der Politikfrust daran, dass es zu oft Wahlen gibt?

Martin: Ich glaube nicht, dass es zu oft Wahlen gibt. Ich glaube aber, dass man Politik nicht nur für fünf Jahre machen kann. Man muss Politik für Generationen machen. Man muss einen Weg finden, wo man sagt, gut, dass ist jetzt nicht nur für fünf Jahre, sondern darüber hinaus. Ohne, dass dann eine andere Partei daherkommt und sagt „Wir machen das jetzt wieder ganz anders“.

Elisabeth: Ich denke, es wäre spannend, eine Art Bewertung oder Zeugnisse für Politik einzuführen. Langfristige Konzepte, da bin ich ganz bei Ihnen! Eben, dass man schaut, was bedeutet das für die nächsten Generationen.

Marlene: Gibt es zu oft Wahlen? Definitiv nicht. Denn Politik verändert sich. Und somit gibt es bei jeder Wahl auch die Chance, Politik neu zu arrangieren.

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