Entschuldigen Sie sich. Für das Richtige

"Gsindl" ist ein böses Wort. Bei der Aufregung darüber darf man das System dahinter nicht übersehen.

von Renate Kromp © Bild: Ian Ehm/News

Um Entschuldigung zu bitten, ist selten angenehm. Vor allem, wenn man die Angelegenheit vor Publikum erledigen muss. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner brachte es mit einer Aussendung um 21.32 Uhr hinter sich. Sie entschuldigte sich dafür, dass sie als Innenministerin per SMS ihrem Kabinettschef geschrieben hatte: "Rote bleiben Gsindl!" Sie erklärt die Wortwahl damit, dass die Stimmung zwischen ÖVP und SPÖ in der Regierung mies war. "Es herrschten ein sehr rauer Ton und viel Misstrauen."

Sie sät aber auch Zweifel. "Ich kann diese Nachricht nicht überprüfen -meine Zeit in der Bundesregierung ist sechs Jahre her." Und die Entschuldigung richtet sich wie oft bei Politikern an "jene, die sich angesprochen und beleidigt fühlen". Das klingt nach: selber schuld, wenn ihr so schnell ang'rührt seid. Aber vielleicht - hoffentlich -ist das ja nicht so gemeint. Der SPÖ genügt das nicht. Sie fordert eine Entschuldigung von Karl Nehammer obendrauf. Neos und FPÖ echauffieren sich über die verrohten Sitten. Alle wollen die Welle der neuesten Chat-Aufregung noch weiter reiten.

Sie verstellen damit den Blick auf das Wesentliche. Alle reden übers "Gsindl". Doch in den Nachrichten, die der Kabinettschef mehrerer Innenminister und -ministerinnen schrieb, ging es auch darum, Posten mit Parteigängern der ÖVP zu besetzen. Bewerber, die einer anderen Partei zugeordnet wurden, galt es zu verhindern. Das Innenministerium ist seit dem Jahr 2000 -mit einer kurzen Unterbrechung durch Herbert Kickl -in der Hand der ÖVP. Zuvor war es eine rote Erbpacht. Also wurde "umgefärbt". Bei der Personalvertretungswahl der Polizei 2014 lag erstmals die Fraktion Christlicher Gewerkschafter an der Spitze. Weitere Wahlergebnisse gefällig? Bei der Personalvertretungswahl der niederösterreichischen Landesverwaltung 2018 errang ein schwarzes Bündnis alle 19 Mandate. Bei der Stadt Wien kam 2019 die rote FSG auf 70,4 Prozent. Das wird zum Teil daran liegen, dass eine gute Personalvertretung auch von jenen gewählt ist, die sich sonst politisch woanders verorten würden. Aber es weckt Zweifel.

»Der Ruf des Landes leidet, wenn Parteien es als Selbstbedienungsladen führen.«

Postenbesetzungen in Österreich erfolgen nicht nur nach fachlicher Eignung. Je näher zur Macht, desto mehr wird nach Parteifarbe besetzt -und natürlich gibt es da auch unbestrittene Experten für ihr Gebiet. Der langjährige Sektionschef im Finanzministerium und Vorsitzende der Eurogroup Working Group der EU Thomas Wieser schreibt im "Standard":"Aufnahmen in den öffentlichen Dienst wurden nicht mehr den zuständigen Managern überlassen, vielmehr wurde von Ministern oder Kabinettschefs mitgeteilt, wer aufzunehmen sei. Bis hinunter zu Trainees. Die fachlichen Resultate waren häufig dementsprechend. Beförderungen wurden nicht aufgrund fachlicher Meriten, sondern nur noch nach parteipolitischen Kriterien vorgenommen, und die unfähigeren Kabinettsmitarbeiter sickerten langsam in die Beamtenschaft ein. Dort kletterten sie stetig die Karriereleiter empor."

Was das bewirkt: Die österreichische Verwaltung funktioniert nicht so gut, wie sie könnte. Gut ausgebildete Menschen bewerben sich nicht mehr für Jobs, von denen sie annehmen, dass diese unter der Hand vergeben werden. Der Ruf des Landes leidet, wenn Parteien es als Selbstbedienungsladen führen. Dafür könnten sich Politiker entschuldigen.