Keine EU-Erweiterung wie alle anderen: Rumänien und Bulgarien jetzt auch in Union

"Beitritt" 2. Klasse: Bewährungsauflagen für Staaten PLUS: Alle Infos zu den beiden neuen EU-Ländern

Es ist keine Erweiterung wie alle anderen. Bulgarien und Rumänien traten zum Jahreswechsel der Europäischen Union bei, die EU wächst auf 27 Mitglieder und 493 Millionen Bürger. Freudenfeuerwerk ist in der Europa-Hauptstadt Brüssel aber nicht zu erwarten. Denn noch nie zuvor in der 50 Jahre und fünf Erweiterungsrunden zählenden EU-Geschichte traten zwei Staaten mit so vielen "Bewährungsauflagen" der Union bei wie jetzt.

Die Staats- und Regierungschefs der 25 EU-Staaten begrüßten zwar kürzlich auf ihrem Gipfel Sofia und Bukarest artig, doch beschlossen sie zugleich: Eine Erweiterung, wie die Union sie mit Bulgarien und Rumänien noch durchexerziert, soll es künftig nicht mehr geben. Auch wenn die Regierenden an der grundsätzlichen Richtigkeit des Beitritts keine Zweifel haben.

"Beitritt 2. Klasse"
Die Liste der Beschränkungen, die manche EU-Diplomaten von einem "Beitritt 2. Klasse" sprechen lassen, ist lang und beispiellos. Beide Neu-Mitglieder dürfen kein Schweinefleisch in die EU ausführen, weil nach wie vor die Schweinepest grassiert. Die Kontrollsysteme für Überweisungen aus dem Agrarfonds sind trotz jahrelanger Vorbereitung noch lückenhaft: Rückzahlungen drohen. Bulgarien wurde wegen unerfüllter Vorgaben bei der Flugsicherheit von den Vorteilen des gemeinsamen EU-Luftraums ausgeschlossen, auch wenn Maschinen aus Bulgarien - noch - in die EU fliegen dürfen.

Vor allem aber: Korruption, organisiertes Verbrechen und Defizite in Sachen Recht und Justiz ließen die EU-Kommission Rumänien in vier und Bulgarien in sechs Punkten Vorgaben machen. Sie listen als Ziele auf, was eigentlich in der EU selbstverständlich ist: Transparente Gerichtsverfahren, Untersuchungen auch "bei Korruptionsverdacht auf höchster Ebene", Korruptionsbekämpfung an den Grenzen und in den Kommunalverwaltungen. Bulgarien wurde aufgetragen, mehr gegen das organisierte Verbrechen zu tun, Rumänien muss gar eine "Behörde für Integrität" schaffen, um Licht ins Dunkel der Vermögensverhältnisse und möglicher Interessenkonflikte des politischen Führungspersonals zu bringen. Jährlich müssen beide Regierungen Rechenschaft über das Erreichte ablegen, alle sechs Monate will die Kommission berichten. Notfalls werden noch mehr Rechte ausgesetzt.

Beitritt trotz Schwierigkeiten
Dass beide Staaten dennoch schon jetzt beitreten dürfen, verdanken sie den Staats- und Regierungschefs der EU. Diese hatten schon im Dezember 2002, kurz nach Beginn der Beitrittsverhandlungen und auf Grundlage eines Vorschlags der damaligen Erweiterungskommissars Günter Verheugen, das Beitrittsdatum 2007 beschlossen. Zwei Jahre später, als überdeutlich wurde, dass Sofia und Bukarest Probleme beim Erreichen der EU-Standards haben würden, versuchte der EU-Gipfel vom Juni 2004 noch eine bisher einmalige Notbremse einzubauen: Bei schweren Mängeln der Vorbereitung sei auch eine Verschiebung der Erweiterung um ein Jahr möglich. Davon wurde aber kein Gebrauch gemacht. Eine Verschiebung um ein Jahr könne den Reformeifer dämpfen statt unterstützen, argumentierte Erweiterungskommissar Olli Rehn.

Erst kurz vor dem Beitritt der beiden osteuropäischen Länder beschlossen die EU-Regierenden, die schweren Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. "Die Union wird erst dann Termine für einen Beitritt festlegen, wenn die Verhandlungen kurz vor dem Abschluss stehen", wurde offiziell verkündet. Und auch dies: "Das Tempo des Beitrittsprozesses hängt von den Ergebnissen der Reformen in dem Land, mit dem verhandelt wird, ab, wobei jedes Land für sich beurteilt wird."

Erweiterungstempo strittig
Einigkeit besteht zwischen den Regierungen darüber, dass die Erweiterung - oft im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung in den "alten" Mitgliedstaaten - im Wesentlichen (so EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso) "eine Erfolgsgeschichte" ist. Strittig ist allerdings das Tempo künftiger Erweiterungen - und die Frage, ob diesen zunächst eine "Vertiefung" der Union (gemeint ist eine neue Verfassung) vorausgehen muss. Die EU-Mitgliedschaft gilt als bester Anreiz für die Staaten des westlichen Balkans, sich zu reformieren. Nächster Beitrittskandidat ist Kroatien. Die Regierung in Zagreb richtet sich auf das Jahr 2008 oder 2009 ein.

(apa)