Genialer Tüftler aus Salzburg
erhält Technik-Oscar

Vom Jugendzimmer in Salzburg ins Visual-Effects-Mekka nach Neuseeland: Als Jugendlicher verbrachte Christoph Sprenger Stunden am PC. Und schuf so die Grundlage zum Oscar-Sieg

von Karriere - Genialer Tüftler aus Salzburg
erhält Technik-Oscar © Bild: Privat

Er war 21 Jahre alt, als er seine Zukunftsvision in Leinwandszenen gegossen sah. Sie zeigten sattgrüne Wiesen, steil ins Meer abfallende Felsen und die atemberaubende Animation einer unendlich großen Armee von Kriegern.

Der Schlüsselmoment

Es war die Welt, die Regisseur Peter Jackson für sein "Herr der Ringe"-Epos geschaffen hatte. Die märchenhafte Landschaft, aufgenommen im Naturidyll im Südpazifik, Neuseeland, zum einen. Nie zuvor gesehene Kampfszenen mit einer riesigen Menge an Soldaten zum anderen. Die Heerschar hatte die neuseeländische Firma Weta Digital mit dem eigens für "Herr der Ringe" entwickelten 3D-Computerprogramm Massive visualisiert.

»Genau dort möchte ich einmal an so einem Film mitarbeiten«

Seither sind 20 Jahre vergangen, doch Christoph Sprenger erinnert sich genau an die Faszination dieses Moments. "Nach dem Kino habe ich damals zu meinen Freunden gesagt: Genau dort möchte ich einmal an so einem Film mitarbeiten."

Wichtigste Visual-Effects-Firma der Welt

Der Salzburger erzählt am Telefon davon, denn von seiner Heimat trennen ihn 18.000 Kilometer, 22 Flugstunden und zehn Stunden Zeitverschiebung. Er arbeitet seit zwölf Jahren in Neuseeland für Weta Digital, die "Herr der Ringe"-Effekteschmiede von damals. Sie gehört neben Sony Pictures Imageworks und George Lucas' Firma Industrial Light and Magic zu den wichtigsten Visual-Effects-Unternehmen der Welt.

Seine Arbeit wurde ausgezeichnet

Nun wurde Sprengers Arbeit mit einem Technik-Oscar ausgezeichnet. Mit zwei Kollegen gewann er den "Scientific and Technical Award" in der Kategorie "Technical Achievement". Damit zeichnete die US-Akademie für Filmkunst und Wissenschaft, kurz "Academy", seine Entwicklung des "Synapse Hair Simulation System" aus. In Jon Favreaus Realfilm-Adaption "Das Dschungelbuch" ließ sie das Fell von Affenkönig King Louie erst so richtig echt aussehen.

Viel mehr als eine coole Software

Es ist ein guter Abend in Neuseeland. Der 41-Jährige Oscar-Preisträger kam vor dem Gespräch mit News gerade rechtzeitig nach Hause, um die beiden jüngeren seiner Kinder -9 und 11 -ins Bett zu bringen.

»Ich habe zuletzt von 70 Arbeitsstunden pro Woche auf 50 zurückgeschraubt«

Bei 70 Wochenstunden, die er üblicherweise arbeitet, ist dies nicht selbstverständlich. In letzter Zeit habe er auf 50 Stunden zurückgeschraubt, erzählt er später. Dennoch ist klar, dass sein Job erst getan ist, wenn eine Lösung gefunden wurde, nicht, wenn die Stechuhr es sagt.

Der begeisterte Tüftler

Als Sprenger das komplexe Verfahren beschreibt, das ihm die Auszeichnung einbrachte, verrät die Begeisterung in seiner Stimme, dass es gerade das Tüfteln ist, das seine Leidenschaft für den Beruf ausmacht. "Die Aufgabenstellung war, so viele Haare wie möglich zu simulieren. Dabei muss man sich vorstellen, dass jedes Haar gewisse Materialeigenschaften hat. Es biegt sich, es kräuselt sich. Wenn man viele Haare betrachtet, interagieren sie miteinander, und das ergibt erst eine Frisur", beschreibt er die Aufgabenstellung für seine preisgekrönte Leistung.

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Während andere Modelle eine Frisur "als Ganzes" modellieren, war die Herausforderung für Sprenger und seine Kollegen, so viele Haare wie möglich abzubilden und interagieren zu lassen. "Durch diese Interaktion kommen die physikalischen Eigenschaften einer natürlichen Frisur zum Vorschein", so Sprenger.

»Ich bin niemand, der sich gerne groß in die Auslage stellt. Ich bleibe lieber im Hintergrund«

Das bedeutet ihm der Oscar

Die Ehrung durch die "Academy" freut ihn als Anerkennung für die geleistete Arbeit. Doch der "Oscar" ist in Sprengers Alltag nicht von überbordender Relevanz. Im Pandemie-Jahr fand die Verleihung virtuell statt. Das üblicherweise pompöse Gala-Dinner musste ausfallen. "Ich bin niemand, der sich gerne groß in die Auslage stellt. Ich bleibe lieber im Hintergrund", bleibt Sprenger gelassen. Nachsatz: "It's great, we got it, move on."

Bei "Visual Effects" geht es ums Teamwork

Bei Weta Digital feiert man die insgesamt sechs in den letzten Jahren errungenen Oscar-Auszeichnungen für "Best Visual Effects" und zwölf "Academy Science & Technology Awards" als Würdigung einer gemeinschaftlichen Leistung. Im Bereich visueller Effekte geht es um ein Miteinander, nicht um Wettbewerb. Das zeigen auch die Rahmenbedingungen für die Auszeichnung.

© Getty Images/Wire Image/Joe Llano Für sein Verfahren zur Animation einzelner Haare für "Das Dschungelbuch" erhielt Sprenger den "Technical Achievement Award" der Academy

"Bei den Academy Awards geht es nicht nur darum, eine coole Software geschrieben zu haben, sondern auch darum, dass diese Technik Eingang in die Industrie gefunden haben muss, also jahrelang in Filmen eingesetzt worden ist. Den Preis gibt es dafür, dass deine Technologie oder deine Software die Industrie verändert hat und andere inspiriert hat, es nachzumachen", beschreibt Sprenger.

Für den Job um die Welt

Seine Ausbildung begann der 41-Jährige im Alter von 13 im Kinderzimmer. "Sehr, sehr viel Zeit" hat er als Jugendlicher vor dem Computer verbracht, erzählt er. Gamen gehörte auch dazu, aber vor allem der kreative Bereich der Computeranimation hat ihn fasziniert.

»Ich habe mir mein Wissen angelesen. Internet gab es keines. Der Rest war Trial and Error«

"Am Computer zuhause einen Film zu machen, ohne eine Videokamera zu benutzen oder das Haus zu verlassen, fand ich sensationell", sagt Sprenger, der ein Gymnasium besuchte hat. Sein Computerwissen hat der Autodidakt aus Büchern. Sprenger: "Internet gab es keines. Der Rest war Trial and Error."

Seine ersten Jobs und seine Ziele

Erste Jobs im Bereich der Computeranimation fand er in Österreichs Werbefilmindustrie. Dann verließ er die Heimat, um in München bei der Firma Scanline VFX, einem globalen Studio für visuelle Effekte, anzuheuern. "In Wien gab es damals keine Filmindustrie, in der man sich ausleben konnte. Das war aber genau, was ich machen wollte", formuliert er sein Ziel.

Die Filme, die seine Biografie füllen, zeugen davon, dass der Zug zum Tor ihn gut vorangebracht hat. Nach München ("(T)Raumschiff Surprise") ging Sprenger nach Adelaide, Australien, um Software für Hautsimulation und Muskelanimation zu entwickeln. In Sydney folgte die Mitarbeit an der Software für die Massenanimationsszenen mit Pinguinen in "Happy Feet". Für "Harry Potter und der Halbblutprinz" ging es kurz nach London. Seine Sehnsucht nach Sonne und Strand bewirkten die Rückkehr nach Australien.

Spaß an hartnäckigen Problemen

Als sich kurz darauf herumsprach, dass James Cameron in Neuseeland an "Avatar" arbeitete, war ein neuer Umzug beschlossen. Sprenger wurde Leiter der Visual-Effekt-Abteilung für alle Effekte betreffend die "Avatar"-Wasserszenen. "Danach gab es die Überlegung, wieder nach Australien zu gehen. Meine Frau ist Australierin. Aber wir haben uns entschieden, zu bleiben, und nun wurden es zwölf wunderbare Jahre", schwärmt der Exil-Österreicher.

Sein Leben in Neuseeland

Tatsächlich findet er in Neuseeland vieles, das der Heimat ähnelt. An den momentan herbstlichen Wochenenden steht mit den Kindern Schwammerlsuchen auf dem Programm, Skifahren im Winter sowieso. "Heute war meine Frau mit den Kindern noch im Meer schwimmen. Es lebt sich schon sehr gut hier", sagt er. Die Offenheit und Freundlichkeit der Neuseeländer machen es einfach, sich heimisch zu fühlen.

Nun arbeitet er am neuen "Avatar"

Nach acht Jahren als Leiter der Forschungsabteilung für Effekte und eineinhalb Jahren Auszeit in seiner eigenen Virtual-Reality-Firma arbeitet Sprenger wieder für Weta Digital. Die Software für Gesichts-, Haut-und Muskelsimulation für die neuen "Avatar"-Filme ist nun Beruf und Berufung. Bei der Rückkehr zu Weta bestand er darauf, keine Abteilung mehr zu leiten, sondern wieder selbst Probleme lösen zu können.

Das Tüfteln war stets die Faszination, die ihn antrieb: "Es ist ein kreativer Prozess, weil ich oft an Sachen arbeite, die es noch nicht gibt. Ich mag hartnäckige Problemstellungen. Die Herausforderung ist es, die Probleme in einem Rahmen zu lösen, der auch produktionstechnisch und finanziell umsetzbar ist."

Insgesamt vier "Avatar"-Filme will James Cameron bis ins Jahr 2028 herausbringen. Viel Raum für Christoph Sprengers Vision der Zukunft.