"Hungriges Herz" - Gefangen
zwischen Bulimie und Selbstfindung

Münchner Society-Girl Sara Schätzl über ihre Krankheit

Jedes Jahr versuchen tausende Österreicher noch vor dem Sommer ihre Fettpölsterchen loszuwerden. Was mit einer einfachen Diät beginnt, endet für viele mit einer handfesten Essstörung. Auch Sara Schätzl, Liebling der Münchner Schickeria, litt über ein Jahrzehnt an Bulimie und macht ihre Krankheit nun öffentlich.

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Essstörung - "Hungriges Herz" - Gefangen
zwischen Bulimie und Selbstfindung

Die 27-Jährige, die vor allem durch die inszenierte Affäre mit dem deutschen Schauspieler Bernd Herzsprung bekannt wurde und die anschließend als Münchner Schätzchen und Glamourgirl auf vielen roten Teppichen zu Hause war, erzählt nun in "Hungriges Herz - Mein Leben mit der Bulimie" ihre Geschichte von Nulldiät, Fressanfällen und dem anschließenden Übergeben. "Ich hab Diät gehalten seit ich zehn Jahre alt bin", erzählte Schätzl im APA-Gespräch über die Anfänge. Sie habe auf Brot verzichtet, vermehrt Gemüse gegessen und ernährte sich dann überhaupt nur noch flüssig, indem sie Shakes zu sich nahm, die eigentlich für adipöse Menschen gedacht waren, um vor einer Operation rasch an Gewicht zu verlieren.

Absichtliches Übergeben: Saras erstes Mal

Völlig ausgehungert und mangelernährt machte sie sich über die bayerische Hausmannskost ihrer Großmutter her, um sie kurze Zeit später wegen ihres schlechten Gewissens gleich wieder loszuwerden. "Ich kann diesen Moment, in dem ich mich das erste Mal absichtlich übergeben habe, geradezu greifen. Ich kann in die Szene hineinlaufen, so präsent ist sie für mich", schreibt sie. "Das erste Mal (sich zu übergeben, Anm.) war nicht schön. Am Anfang denkt man, man hat es unter Kontrolle." Und: "Ich wollte dünn sein und zwar am besten gestern."

»Am Anfang denkt man, man hat es unter Kontrolle.«

Tipps aus dem Internet

Tipps für ein schmerzfreies Erbrechen holte sich Schätzl aus dem Internet. In Foren mit Gleichgesinnten, die einen verstanden und mit dem man sein Geheimnis der Bulimie teilte, wurde "jede Art von Einsamkeit aufgefangen", erzählte Schätzl. Und die Essstörung war ihre beste Freundin. "Ich war gefangen in einer extrem ungesunden Beziehung und nicht fähig, Schluss zu machen", beschrieb es die Autorin. Aber: "Ich hatte die Regeln neu geschrieben und einen Weg gefunden, mehr Macht über meinen Körper zu besitzen, als es Hunger und Essen je gelingen würde."

Immer mehr Essen

Täglich führte sie ihr Ritual durch. Sie kaufte die sonst so verbotenen Lebensmittel ein, aß und erbrach sie. "Der Gedanke, dass etwas drinnen bleiben könnte, ist der Horror." Innerhalb kürzester Zeit musste sie immer mehr essen, um überhaupt ein Völlegefühl zu bekommen. Erst mit zwei Big Mac-Menüs oder einem Liter Eis war ihr Magen gefüllt.

Haarausfall, Sehschwäche, Zahnfäule

Die Folgen des jahrelangen Erbrechens blieben nicht im Verborgenen, Schätzl verlor ihre Haare, ihre Sehkraft wurde schwächer, sie hatte massive trockene Haut, sodass sie eine Tube Feuchtigkeitscreme pro Tag brauchte, und ihre Zähne wurden aufgrund der Magensäure so schlecht, dass sie täglich Schmerzmittel nehmen musste. Aber wegen fehlender Haarbüschel aufhören? "Man lügt sich verdammt gut in die Tasche", sagte Schätzl.

So machte Sara Schluss

Als Schätzl - inzwischen Mutter eines Sohnes - mit Herz-Rhythmus-Störungen zusammenbracht, kam der entscheidende Satz von den Ärzten: "Wenn Sie noch einmal eingeliefert werden, müssen wir überlegen, Ihnen das Sorgerecht ihres Sohnes zu entziehen", zitierte Schätzl die Mediziner. "Da war für mich klar, dass es so nicht weitergehen konnte." Seit einem Jahr ist die Autorin in Behandlung, hat erkannt "eine Süchtige" zu sein.

"Der Grundauslöser ist die fehlende Selbstliebe, weil wir in dem Glauben aufgewachsen sind, nicht gut genug zu sein", meinte Schätzl. Sie habe sich darauf die "Kunstfigur" Sara Schätzl zurecht gelegt, eine laute, immer gut gelaunte Frau. "Man hofft halt, wenn die Scheinwerfer hell genug sind, dass sie die Schatten im inneren auch erhellen." Das Buch sei keine Geschichte rein um Bulimie, sondern eine von Selbsthass und fehlendem Selbstbewusstsein. "Und ich glaube das Problem haben viele Menschen", so Schätzl.

So viele Österreicher leiden an Esstörungen

200.000 Österreicher waren laut Gesundheitsministerium zumindest einmal in ihrem Leben an einer Essstörung erkrankt. Betroffen sind vor allem sehr junge Menschen, 90 bis 97 Prozent sind Mädchen bzw. junge Frauen. Die Zahl der Erkrankten hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch erhöht. Innerhalb von 20 Jahren hat sich diese mehr als verzehnfacht. Die Dunkelziffer dürfte noch viel höher sein.

Die Betroffenheit von Essstörungen bei Mädchen beginnt laut Frauengesundheitsbericht ab elf Jahren, steigt kontinuierlich an und hat ihren Höhepunkt mit 16 Jahren. Je länger die Erkrankung andauert, umso schlechter sei laut Bericht die Prognose.

Kostenlose und anonyme Hilfenummer: 0800/20 11 20
Essstörungshotline
www.essstoerungshotline.at/
hilfe@essstoerungshotline.at.

Sara Schätzl
"Hungriges Herz- Mein Leben mit der Bulimie"
© Schwarzkopf & Schwarzkopf

Das Buch
Sara Schätzl
"Hungriges Herz- Mein Leben mit der Bulimie"
Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf
ISBN 978-3-86265-445-1
Berlin 2015)

Kommentare

higgs70

Naja,was an der Misere doch irgendwie verblüfft ist,dass nach Jahren von Emanzipationsgetrommel und Gleichheitsparolen die jungen Damen offenbar noch mehr mit ihrem Aussehen herumkrampfen als früher, eigentlich hätte ja das Gegenteil eintreten müssen,wo eine Frau einen Mann so nötig braucht wie ein Fisch ein Fahrrad, kann ihr ihr Aussehen auch relativ wurst sein.
Aber in einer Gesellschaft, in der Äußerlichkeiten und Oberflächlichkeit zum obersten Gebot erhoben wurden, in der also der Schein das Sein abgelöst hat, geben irgendwelche Trendsetter, die das Hungerhakentum vergöttern halt den Ton an und so greift frau dann doch lieber zu Heidi Klum als Role-Model als zu Alice Schwarzer.

Oberon
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Bulimie (auch Magersucht) ist eine psychische Erkrankung. Während meines Spitalaufenthalts habe ich die
vorwiegend jungen Frauen vom Fenster aus beobachtet, wie sie mit dem beweglichen Infusionsständer wie vom Teufel getrieben durch den Park gerannt sind, wahrscheinlich
deshalb, um sich das gezwungermaßen Gegessene wieder runterzustrampeln.

Oberon
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2.) Ich hätte mich gerne mit den Frauen über ihre Krankheit unterhalten, das ist im Spital kein Problem, leider waren sie auf einem anderen Stock und ich war zeitweise gehandicapt.
Ich hoffe, sie haben auch psychologische Hilfe bekommen, denn Gewichtszunahme allein macht's nicht aus!

manicmonday melden

Ich bin mir sicher,dass die Frauen sich mit jemand völlig Fremden über ihre Krankheit bestimmt nicht unterhalten hätten.
Es geht um eine psychische Erkrankung und wenn es einem schon schlecht geht,ist es das Letzte sich mit völlig Fremden über seine Essstörungen zu unterhalten.
Über eine psychische Erkrankung zu sprechen ist erst möglich, wenn man sich psychisch und gesundheitlich

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sowie physisch stabilisiert hat. Und wenn man dann darüber reden will, dann auch nur mit jemanden, zu dem man Vertrauen hat.

Oberon
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Ich bin halt vertrauenswürdig. Für Sie wohl schwer vorstellbar?!

manicmonday melden

Da hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Phsychisch Kranke offenbaren sich nicht - und schon gar nicht Fremden gegenüber - das ist nun mal so.

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Das weiß man, wenn man mit diesen Menschen zu tun hat, was ganz offensichtlich bei Ihnen nicht der Fall sein kann.

Oberon
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Wahrscheinlich haben Sie recht. Ich wollte mich nur wichtig machen...

manicmonday melden

Nun, beleidigt zu reagieren, halte ich nicht für angebracht. Ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass es vergebliche Mühe ist, phsychisch Erkrankte im akuten Krankheitsstadium auf ihre Probleme anzusprechen. Sie würden sicher schroff zurückgewiesen werden. Diese Menschen müssen erst mal selber wieder ihre Balance finden, leider oft nur durch Medikamente und Therapie,

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um über ihre Probleme sprechen zu können.
Ausnahmen kann es geben.

Oberon
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Bei Ihnen spüre ich eine gewisse aggressive Ader, dafür habe ich Antennen! Wäre ICH krank, Ihnen würde ich auch nichts erzählen.

manicmonday melden

Was Sie nicht alles wissen,können,spüren...etc.-ich bin beeindruckt!Eine typische Reaktion eines Menschen,der nicht wahrhaben und zugeben kann,dass er keine Ahnung hat.Ich habe nicht so viel Zeit und bin auch nicht so belesen wie Sie zu jedem einzelnen Thema hier in News qualifizierte Kommentare abzugeben,aber was phsychische Störungen anbelangt,da habe ich einfach Fachkenntnisse -

manicmonday melden

da dürfen Sie mir ruhig vertrauen.
Hiermit empfehle ich mich nun,denn diese seichte Debatte auf dieser Ebene liegt mir einfach nicht.

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