"Ich dachte, meine
Karriere ist vorbei"

Mit seinen 25 Jahren ist David Alaba Galionsfigur der "Generation News". Kein österreichischer Fußballer war bislang so erfolgreich wie er. Warum? Weil er sich bereits vor dem Anpfiff für den schwierigsten Weg entschied

von Sport - "Ich dachte, meine
Karriere ist vorbei" © Bild: News Matt Observe

Wenn Sie mit Ihren 25 Jahren eine Zwischenbilanz ziehen - welche Ziele haben Sie schon erreicht, auf welche arbeiten Sie noch hin?
Ziele? Das, was zuallererst da war, würde ich eher als Träume bezeichnen: Als kleiner Junge sah ich im Fernsehen die Champions League, die großen Stars, das war schon etwas Besonderes. Von solchen Momenten habe ich geträumt, davon, auch dorthin zu kommen und mein damaliges Hobby zum Beruf zu machen. Dann bin ich meinen Weg gegangen, habe Erfahrungen gesammelt, da beginnst du dann natürlich, dir gemeinsam mir der Mannschaft Ziele zu setzen.

Was ist denn derzeit Ihr konkretes Ziel?
Die Meisterschaft hat ja eben erst begonnen, und wir haben noch einen sehr, sehr weiten Weg bis zum Sommer - sicherlich ist unser Ziel, am Ende der Saison in der Bundesliga wieder ganz oben zu stehen. Und wenn wir von der Champions League reden, die nochmals zu gewinnen, das wäre ein Traum.

»Auch als ich gut zu verdienen begann, sagten mir meine Eltern, was ich mir kaufen darf«

Wie war das Gefühl, mit 15 Jahren das Nest einer intakten Familie zu verlassen, nach München zu gehen, als Teenager in eine völlig neue Welt einzutauchen?
Es fiel mir leichter, weil mir immer bewusst war, was ich will. Und auch, dass dieser Weg nicht einfach wird. Speziell, wenn du bereits mit 15 Jahren bei den Profis der Wiener Austria dabei bist, dort einen Profivertrag unterschreiben könntest - und dann ein Angebot vor dir liegen hast, bei dem du auf den ersten Blick eigentlich einen Schritt zurückgehst, nämlich in die Münchner B-Jugend. Mir war schon bewusst, dass der Weg, den ich da einschlug, schwieriger war als die Möglichkeit, in Wien zu bleiben und gleich Profi zu werden.

Trotzdem: Mit 15 Jahren gut dotierter Profi zu werden - das war nie eine Verlockung, nicht einmal ein nettes Gedankenspiel?
Nein, denn dass ich ins Ausland gehen wollte, das war schon in diesem Alter mein Traum: ins Ausland zu gehen, um dort noch mehr zu erreichen. Du kommst ja nicht hierher nach München, ohne daran zu glauben - oder es zumindest zu versuchen. Dieses Risiko bin ich eingegangen, ohne nach links oder rechts zu schauen, weil ich das tun konnte, was ich liebte. Zudem habe ich eine Familie, die mich von Anfang an komplett unterstützte.

Andere bekommen in dem Alter, in dem Sie dann bei Bayern zum Profi wurden, noch von den Eltern Taschengeld. Wie schwierig ist es, als junger Mensch der Versuchung zu widerstehen, sich plötzlich alles leisten zu können?
Da kommt es in erster Linie auf dein Umfeld an. Ich hatte das Glück, dass mich meine Eltern so erzogen haben, dass ich stets auf mein Geld aufpasste. Auch als ich bereits gut zu verdienen begann, haben sie mir gesagt, was ich mir kaufen darf und was nicht. Ich hätte nicht einfach mit einem neuen Auto daherkommen können, das wäre undenkbar gewesen. Noch heute bespreche ich größere Anschaffungen immer mit meinen Eltern - ich würde mir zum Beispiel nie ein Haus kaufen, ohne das zuvor genau mit ihnen zu beratschlagen.

© News Matt Observe David Alaba: "Als ich mit 17 ins kalte Wasser geworfen wurde, war der Druck schon sehr, sehr hoch"

Wünschen Sie sich selbst einmal eine Familie?
Eine Familie mit Kindern, das wünsche ich mir auf jeden Fall.

»Es kam vor, dass man mich wegen meiner Hautfarbe beleidigte«

Sie kommen aus einer Familie mit multikulturellem Hintergrund. Heute sind Sie ein gefeierter Star - aber wie schwierig war es für Sie früher am Wiener Stadtrand als Kind mit dunkler Hautfarbe?
Natürlich hatte ich, was dass betrifft, auch meine Probleme - in der Schule, im Fußballkäfig, ich war ja mit meinen Freunden so viel wie möglich draußen. Es kam schon vor, dass man mich aufgrund meiner Hautfarbe beleidigte, und es kam auch dazu, dass ich mich gemeinsam mit meinem besten Freund zur Wehr setzen musste. Das war nicht immer einfach.

Haben Sie diese Erfahrungen geprägt?
Ich denke schon, dass das den Menschen geprägt hat, der ich heute bin.

Inwiefern?
Es hat mich auf jeden Fall gestärkt.

Sie gelten als sehr gläubig: Erinnern Sie sich an eine Situation, wo Sie das Gefühl hatten: "Da hat mir Gott geholfen"?
Das Gefühl, dass mir Gott hilft, habe ich jeden Tag. Der, der ich heute bin, dort, wo ich heute stehe, die Erfolge, die ich errungen habe - ich glaube, ohne Gott hätte ich das alles nicht geschafft. Gerade in längeren Verletzungsphasen finde ich im Glauben Halt und beschäftige mich dann auch intensiv mit diesen Dingen.

Sowohl bei Bayern als auch im Nationalteam waren Sie lange der Youngster in der Mannschaft, mittlerweile gehören Sie da wie dort zu den Führungsspielern. Wuchsen damit auch die Erwartungen an sich selbst?
Sicherlich ist meine Rolle bei Bayern heute eine andere als noch vor ein paar Jahren - auch wenn es schon noch so ist, dass wir dort Spieler haben, die wesentlich mehr Erfahrung als ich aufweisen können. Dennoch ist der Anspruch an mich selbst, dass ich durch mein Spiel mehr Verantwortung übernehme. Ich denke, wenn man viele Spiele macht, muss das fast automatisch passieren.

Wie geht man mit diesem Druck um? Heute erwarten doch alle viel mehr als in der Frühphase Ihrer Karriere?
Das stimmt so nicht: Als ich mit 17 Jahren ins kalte Wasser geworfen wurde, war der Druck schon sehr, sehr hoch. Es funktioniert, oder es funktioniert nicht, viele Chancen hast du nicht, wenn du es auf diesem Niveau beim FC Bayern schaffen möchtest. Du musst schon als Junger versuchen, mit diesem Druck umzugehen, weil du gar keine andere Wahl hast.

© News Matt Observe Nachdenklich, aber entschlossen: David Alaba ist Österreichs erfolgreichster Kicker

Ihnen war also damals schon bewusst: "Ich muss jetzt einschlagen, sonst wird meine Karriere ganz anders verlaufen"?
Auf jeden Fall. Auch als ich mit 18 Jahren für eine halbe Saison nach Hoffenheim wechselte, um Spielpraxis zu sammeln, war mir bewusst: Wenn ich jetzt da hingehe, muss es auch klappen - denn wenn es dort nicht klappt, wie soll es dann beim FC Bayern klappen? Da habe ich in sechs Monaten einen Riesenschritt gemacht, weil ich jedes Match durchgespielt habe. Das hat mir sicherlich einen Schub nach vorne gegeben, und ich bin als ein anderer nach München zurückgekommen.

Hatten Sie denn nie einen mentalen Knick, nie Momente, wo Sie sich und Ihre Fähigkeiten massiv infrage stellten?
Ich hatte schon öfter Momente, die bitter waren, aber ich glaube, dass das zu einer Karriere dazugehört. Da war dieses eine Bundesligaspiel mit den Bayern in Frankfurt, wo ich als ganz Junger zwei schwere Fehler gemacht habe, die zu zwei Gegentoren führten - da dachte ich, meine Karriere ist aus und vorbei. Ich habe fast ein Jahr gebraucht, um aus diesem Loch herauszukommen.

Sie wirken stets ruhig und zurückhaltend: Ist der öffentliche David Alaba ein anderer als der private?
Vielleicht bin ich in den letzten Jahren doch ein bisserl ruhiger geworden und habe mich als Mensch auch abseits des Platzes weiterentwickelt. Aber ein Schmähbruder bin ich schon noch immer.

Früher kannten Sie die Weltstars des Fußballs nur aus dem Fernsehen und der Playstation. Wer war denn Ihr großes Vorbild?
Zum Beispiel Patrick Vieira, der hat mich als Bub sehr inspiriert. Hier bei den Bayern waren es dann Zé Roberto oder Franck Ribéry.

Heute sind Sie selbst einer der Playstation-Helden der Kids - kommt Ihnen das manchmal nicht völlig irreal vor?
Manchmal hat man schon Momente, wo man sich denkt: Ist schon krass, was da rund um dich so alles abgeht. Ist schon, krass, wo du selbst gerade stehst. Und für diese Momente bin ich natürlich sehr, sehr dankbar - aber mit der Zeit gewöhnt man sich auch ein wenig daran, sonst würde man wohl abheben. Dort, wo ich heute bin, bin ich ja zum Glück nicht erst seit gestern.


David Alaba

Der am 24. Juni 1992 geborene Wiener war mit 17 Jahren und 232 Tagen der jüngste Fußballprofi, der je für Bayern München in der Bundesliga spielte. Zudem ist der Sohn eines Nigerianers und einer Filipina der einzige Österreicher, der jemals im Finale der Champions League stand - und es auch gewann (2013 schlugen die Bayern Borussia Dortmund mit zwei zu eins). Alaba spielte bislang 59-mal im österreichischen Nationalteam - auch hier war er mit knapp über 17 Jahren der jüngste Debütant aller Zeiten.