Statt Urlaubslust
regiert Urlaubsfrust

Normalerweise wären in den Semesterferien viele Österreicher entweder auf Skiurlaub, in wärmeren Gefilden oder auf einem Städtetrip. Doch heuer ist alles anders: Statt Urlaubslust regiert Urlaubsfrust. Und das wahrscheinlich noch länger. Wann Reisen so wie früher wieder möglich sein wird, steht in den Sternen.

von Urlaub, Strand © Bild: iStockphoto.com/Mlenny

Die wahren Abenteuer sind im Kopf, und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo! Diese Zeilen aus einem Liedtext von André Heller beschreiben treffend die derzeitige Situation fernwehgeplagter Menschen. Und von denen gibt es mehr als genug: Das Bedürfnis, den monatelangen Lockdown hinter sich zu lassen, wieder einmal aus der Enge der eigenen vier Wänden und der näheren Umgebung auszubrechen und mittels eines Ortswechsels - am besten irgendwo im Ausland - den Alltag hinter sich zu lassen, ist stark wie selten.

Doch Corona hat diesem Wunsch einen Strich durch die Rechnung gemacht: Die Auflagen der Regierungen, die Mobilität der Menschen zwecks Viruseindämmung zu beschränken, haben die Tourismusindustrie schwer getroffen, die Möglichkeiten zu verreisen tendieren im Moment gegen null. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, gilt das Motto: Urlaubsträume sind nichts als Urlaubsschäume. Und das könnte noch länger der Fall sein, als die meisten Zeitgenossen wahrhaben wollen.

Lesen Sie hier: Sommerurlaub 2021: Wird Reisen wieder sein wie früher?

Reisefreiheit stark eingeschränkt

Denn die Reisefreiheit wackelt gehörig: Die EU will zur Eindämmung der zunehmend von verschiedenen Virusmutationen bestimmten Corona-Pandemie noch weiter einschränken als schon bisher. Nicht notwendige Reisen sollen dann längere Zeit nicht mehr stattfinden. In Belgien etwa ist das schon der Fall, auch Deutschland und Frankreich fahren einen Verschärfungskurs. Und auch international schotten sich die einzelnen Staaten immer stärker ab: Der neue US-Präsident Joe Biden hat erst jüngst den Einreisestopp für Ausländer aus Europa erneuert. Und Australien kündigte gar an, Grenzen für Reisende 2021 nicht mehr zu öffnen.

In Österreich dagegen wird noch über die weitere Vorgangsweise diskutiert: Zu Redaktionsschluss wurde über eine Verlängerung des Lockdowns debattiert, auch darüber, ob das Skifahren weiter möglich sein soll. Hotels und Gastronomie bleiben ohnehin zumindest bis Ende Februar zu. Und das zu Beginn der Semesterferien, wenn die Österreicher normalerweise auf Skiurlaub fahren, in wärmere, sonnigere Gefilde fliegen oder vielleicht eine Städtereise unternehmen.

Heuer ist das alles abgesagt: Statt Urlaubslust regiert Urlaubsfrust -sowohl bei den potenziellen Gästen als auch in der Tourismusbranche. Doch wie lange noch? Das weiß derzeit niemand so genau.

»Unsere Hoffnungen ruhen derzeit auf dem Sommer. Dann sollte wieder einiges möglich sein«

Skepsis für Osterurlaub

"Die Wintersaison ist jedenfalls komplett zu vergessen", zeigt sich auch Helga Freund, Vorständin des Verkehrsbüro-Konzerns ernüchtert: "Die haken wir ab." Es gebe zwar Angebote für den März, und ein gewisses Interesse von Inländern sei auch da, die Lage indes freilich weiter ungewiss. Bei den besonders wichtigen deutschen Gästen und auch bei den Niederländern sei schon länger klar, dass sie kaum noch kommen würden, sagt Freund, die auch für Ostern skeptisch ist. "Wenn Aufenthalte möglich sind, werden wir natürlich auch welche anbieten." Die Frage sei jedoch, wie viele Hotels dann im März bis über die Osterfeiertage auch wieder aufsperren. Sollten aber Betriebe offen haben, werde auch gebucht, ist sie überzeugt: "Ich kann mir vorstellen, dass die Österreicher solche Angebote schon annehmen würden." Für Flugreisen zu Ostern ist sie dagegen wenig optimistisch: "Da haben wir noch keine Angebote aufgelegt, weil nicht absehbar ist, wie sich die Lage in einzelnen Ländern entwickelt." Die Hoffnungen der Verkehrsbüro-Vorständin ruhen vielmehr auf dem Sommer, dann sollte wieder einiges möglich sein: "Ab April, Mai sollten wir wieder zur Normalität zurückkehren." Es gebe aktuell schon "ziemlich viele Buchungen" für diese Zeit. "Relativ gesehen natürlich, denn sonst ist ab Mitte Jänner die buchungsstärkste Zeit."

Heuer liege man bei rund 30 Prozent vom Vorjahresniveau -immerhin. Für den Sommer habe man Flüge nach Griechenland -"das ist am stärksten gefragt" -, Süditalien oder Spanien aufgelegt, und natürlich werde es Autoreisen nach Italien und Kroatien geben.

Nachgefragte Fernreisen

Aktuell gebe es auch Kunden, die Fernreisen machen wollen, beispielsweise auf die Malediven, und die biete das Verkehrsbüro an, sagt Helga Freund. Neben den Malediven seien derzeit Dubai sowie der indische Ozean -Mauritius und die Seychellen - gefragt. Freund: "Wir spüren jedenfalls, dass die Menschen wieder verreisen wollen, speziell ans Meer." Ähnlich ist die Lagebeurteilung beim Mitbewerber TUI. "Im vergangenen Jahr zählte Reisen zu den am stärksten vermissten Aktivitäten. Das merken wir besonders an den stark gestiegenen Zugriffszahlen auf unsere Website über Weihnachten. Da geht es vor allem um Reisen im Sommer", sagt die Sprecherin von Österreich-Chef Gottfried Math: "Wir sind überzeugt, dass ein Impfstoff und verbesserte Testmöglichkeiten die nötige Sicherheit bringen, um bald wieder mehr zu reisen und wir heuer bereits eine deutliche Erholung sehen werden." Vor allem Pauschalreisen -insbesondere nach Griechenland, Zypern und Spanien -seien gefragt, da diese Reiseform die größte Sicherheit biete. Auch bei TUI sind momentan Fernreisen im Programm: auf der Mittelstrecke vor allem die Kanaren, auf der Fernstrecke die Malediven, Dubai, Cancun/Mexiko, Kuba (Varadero) und Punta Cana in der Dominikanischen Republik. Auch Kreuzfahrtenfahrten könnten unternommen werden: Aktuell sind die zu TUI gehörenden "Mein Schiff 1" und "Mein Schiff 2" auf ein-bzw. zweiwöchigen Kanaren-Kreuzfahrten unterwegs. Ein verifiziertes Test-und Hygienekonzept soll die nötige Sicherheit gewährleisten.

Dubai
© iStockphoto.com/Joni_R Dubai ist derzeit ein Urlaubs-Hotspot, weil man dort recht unkompliziert einreisen kann. Auch Kreuzfahrten sind derzeit möglich, etwa mit TUI zu den Kanaren

Doch um eine solche Fernreise zu unternehmen, muss man zuerst einmal auf den Flughafen: Mit Airlines wie AUA, Emirates, Turkish, Qatar, Air China oder Ethiopian können ab Wien zahlreiche exotische Destinationen erreicht werden.

»Eine Fahrt zum Flughafen zu Urlaubszwecken ist mit einer Strafe von bis zu 1.450 Euro bedroht«

Illegale Airport-Anreise?

Doch eigentlich ist die Anreise zum Airport im Lockdown nicht erlaubt -und dennoch gibt es diese Urlaubsangebote? Auf Nachfrage von News heißt es dazu sowohl aus dem Gesundheits-als auch dem Innenministerium: "Eine Fahrt zum Flughafen (das heißt, das Verlassen des privaten Wohnbereichs) ist laut Covid-19-Maßnahmengesetz nur zum Zweck einer beruflichen Reise, einer Reise zur Betreuung und Hilfeleistung unterstützungsbedürftiger Personen oder Besuch des Lebenspartners zulässig." Und weiter: "Eine Fahrt zu Urlaubszwecken stellt eine Übertretung gemäß §8 Abs. 5 dar und ist mit einer Strafe bis zu 1.450 Euro bedroht."

Eine Vorschrift, die also von den einzelnen Fluglinien bzw. den Reisekonzernen somit ignoriert oder anders interpretiert wird. Und andererseits offenbar auch nicht kontrolliert wird - weder vom Flughafen oder den Airlines noch von der Exekutive. Was wohl auf gut Österreichisch auch eine Frage der Zuständigkeit sein dürfte.

Malediven
© iStockphoto.com/Stakhov-Yuriy Die Malediven gehören zu den top Sehnsuchtsorten. Selbst in Pandemie-Zeiten kommt man hin, allerdings nicht einfach und nur umstritten

Seitens der TUI heißt es dazu, Urlaub und Verreisen seien auch jetzt möglich - denn: "Eine Reisewarnung ist kein Reiseverbot." Und beim Verkehrsbüro geht man "entgegen der Rechtsansicht der WKO weiterhin davon aus, dass Urlaubsreisen trotz des verhängten Lockdowns grundsätzlich zulässig sind", wobei allerdings zwischen Reisen innerhalb Österreichs und in das Ausland zu unterscheiden sei. "In Österreich ist das Betreten von Beherbergungsbetrieben zur Inanspruchnahme touristischer Dienstleistungen untersagt, bei Auslandsreisen sehen wir das anders", so Verkehrsbüro-Vorständin Freund: Eine Urlaubsreise, die dem Zweck der Erholung dienen soll, erfülle laut Gesetz einen Ausnahmetatbestand. Demnach sei "der Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung ausdrücklich gestattet". Dies müsse aber umso mehr gelten, wenn der Reisende das Staatsgebiet verlässt und dadurch in Österreich kein Infektionsrisiko gegeben ist. "Auch ist es Reisebüros gemäß § 5 Abs 1 Z 2 Covid- 19-NotMV während des Lockdowns erlaubt, ihre Geschäftstätigkeit weiter auszuüben. Dies wäre wohl nicht erforderlich, wenn Urlaubsreisen in das Ausland untersagt wären", heißt es ergänzend aus der Verkehrsbüro-Rechtsabteilung. Sollte es bei einer Fernreise im Lockdown ein Problem geben, so bleibt das Risiko zuallererst damit wohl beim Kunden -der dann versuchen kann, sich schadlos zu halten. Oder aber er verzichtet doch darauf und urlaubt eben in Österreich -sofern das wieder möglich ist.

Stadturlaub zum Sonderpreis

Zum Beispiel in Wien, wo im März 30 Hotels unter dem Motto "Erlebe deine Hauptstadt" mit bereits jetzt buchbaren Sonderkonditionen ab 110 Euro für zwei Nächte und zwei Personen in Familienhotels bzw. um 490 Euro in weltberühmten Häusern wie Imperial, Bristol, Sacher oder Ritz Carlton um Kunden buhlen -samt inkludierter Gratisführung durch den Stephansdom mit Toni Faber oder Weinverkostung im Schwarzen Kameel.

Ob sich in Corona-Zeiten dafür trotz Spezialpreis zahlreiche Gäste begeistern werden, ist freilich offen. Ebenso wie die Sinnhaftigkeit derartiger Aktionen, die von der Präsidentin der Hoteliervereinigung, Michaela Reitterer, auch skeptisch gesehen werden. "Die Preise in der Branche sind ohnehin schon extrem im Keller. Und die Frage ist auch, was passiert, wenn im März das Betretungsverbot für Touristen noch nicht aufgehoben ist." Dann seien wieder nur Businessbuchungen möglich; alle anderen Gäste dürften dann nicht kommen, und von den Beherbergungsbetrieben auch nicht akzeptiert werden, so Reitterer mit Verweis auf bekannt gewordene Negativbeispiele in Wintersportorten in Tirol.

»Wenn der Lockdown verlängert wird, könnte es sein, dass viele Seilbahnen den Betrieb wieder einstellen«

Sperren Skilifte wieder zu?

Apropos Skifahren: Ob der Lieblingssport vieler Österreicher, der trotz Lockdowns weiter möglich ist, noch für längere Zeit ausgeübt werden kann, ist ebenfalls unklar. Nicht nur, weil vereinzelte Menschenansammlungen und Corona-Cluster bei Skilehrerkursen immer wieder für Wirbel und Warnungen von Virologen sorgen. Auch weil sich der Betrieb für die Seilbahnen bei geschlossenen Hotels und fehlenden Urlaubern nicht rechnet. Nur mit regionalen Tagesgästen alleine fehle den meisten Liftgesellschaften die Geschäftsgrundlage, speziell jenen in Westösterreich, sagt Branchensprecher Franz Hörl: "Diejenigen, die offen halten, produzieren jeden Tag Verluste und verbrennen Geld." Die Seilbahnen seien zwar grundsätzlich "weiter bestrebt, für die Einheimischen ein Angebot aufrechtzuerhalten", würden aber unter der Woche ihren Betrieb reduzieren. Es sei offen, wie es ab Mitte Februar, nach den Semesterferien, weitergehe, so Hörl: "Die Stimmung im Tourismus ist schlecht. Wenn der Lockdown verlängert wird, dann könnte es leicht sein, dass viele Seilbahnen den Betrieb wieder einstellen."

Wie man es dreht und wendet: Besser wird es für Urlaubswillige in nächster Zeit eher nicht. Wann es wieder möglich sein wird, ohne Einschränkungen zu reisen, steht noch in den Sternen. Geschweige denn, wann das wieder so unbeschwert der Fall sein wird wie vor Corona.

Dieser Beitrag ist in der aktuellen Ausgabe von News (04/2021) erschienen.