"Helfen ist rückbezüglich"

Zu helfen bereitet ihr größte Freude: Das ist Chris Lohner ins Gesicht geschrieben. Seit 16 Jahren engagiert sich die TV-Legende für die Hilfsorganisation "Licht für die Welt" und nimmt lange Reisen auf sich, um vor Ort anzupacken. Zuletzt in Mosambik, Ostafrika

von Zu Gast in Mosambik - "Helfen ist rückbezüglich" © Bild: Licht für die Welt

Was bekommt man für 30 Euro? Ein gebundenes Buch. Ein T-Shirt. Eventuell eine Konzertkarte. In den entlegenen Ecken, wo es Chris Lohner als Goodwill Ambassador für die Hilfsorganisation "Licht für die Welt" regelmäßig hin verschlägt, bekommt ein blinder Mensch für 30 Euro das Augenlicht zurück.

Die weltweit häufigste Ursache für vermeidbare Blindheit ist der Graue Star: 20 Millionen Menschen haben durch diese Erkrankung ihr Augenlicht verloren. Viele Menschen über 60 kennen den schleichenden Sehverlust - die Linsen trüben sich. In einer Operation wird die getrübte Linse entfernt und durch eine klare Kunstlinse ersetzt. Das dauert weniger als eine Viertelstunde pro Auge. Das Know-how haben die ortsansässigen Ärzte in Mosambik nach speziellen Schulungen, die Empathie und das Engagement für die gute Sache hat Lohner wie viele andere Charity-Ladys dieses Landes in der DNA. Sie will etwas bewegen: auf Augenerkrankungen und deren Heilung aufmerksam machen. Die allgemeine Hilfsbereitschaft schärfen. Vor Ort unterstützen. Warum sie sich das mit 74, knie-und hüftoperiert, antut?

»Man kann nicht die ganze Welt retten, aber Einzelschicksale erleichtern«

Chris Lohner, Moderatorin, Autorin, Schauspielerin, seit 2001 als Goodwill Ambassador für Licht für die Welt

© Nina Kaltenböck

Auf manchen Reisen gab es schließlich schon "echte Gruselplätze". In einem Hotel ist regelmäßig der Strom ausgefallen, in einem anderen "eine Kakerlake in der Duschtasse im Karree gelaufen". Die wurde dann Lisi genannt und als Haustier betrachtet. In Äthiopien gab es nicht nur auf dem Boden, sondern auch im Bett Tierchen - da hatten es sich Wanzen gemütlich gemacht. Die Autorin zahlreicher Bücher scheint das mit Humor zu nehmen. "Ich habe ein gutes Leben. Da kann man auch etwas zurückgeben", sagt sie, während sie im Auto beim Schlaglöcherslalom auf der Sandstraße ordentlich durchgeschüttelt wird. "Meine Augen wurden bereits mit 45 am Grauen Star operiert, weil Scheinwerfer sie kaputt gemacht haben. Zuerst, als ich als Model gearbeitet habe, und dann beim Fernsehen." In unseren Breiten übernimmt die Kosten für diesen Eingriff die Krankenkasse, die Laser-OP hat sich dabei als Standard durchgesetzt. In Tansania, Kenia, Sudan, Burkina Faso, Somalia, Äthiopien oder Mosambik, wo Chris Lohner bereits als Schirmherrin der internationalen Fachorganisation unterwegs war, wird noch händisch operiert. Nach einer OP, bei der Lohner einmal in Mosambik assistiert hat, zeigte ein alter, tags zuvor noch blinder Herr beim Entfernen seines Verbands auf den blassen Rotschopf und stellte überrascht, aber kichernd fest: "She's white!" Glückseliges Lachen. Es kullerten Freudentränen, und Gänsehaut machten sich breit.

Dualität zweier Welten

Bis zu diesem Glücksmoment ist es noch ein weiter Weg. Lohner ist auf dem Weg nach Mafambisse. Hier führt ein Arzt unter den Patienten Screenings durch, um festzustellen, ob ein bilateraler Katarakt vorliegt, eine beidseitige Linsentrübung, die zur Blindheit geführt hat. Dicht gedrängt stehen die Menschen stundenlang an. Kein Raunzen, kein Schimpfen, kein Drängen. Wartende Kinder scharen sich inzwischen um Frau Lohner. Nicht nur wegen ihrer außergewöhnlich hellen Optik. Auch weil sie eine kleine Polaroidkamera bei sich hat und die Begeisterung der Kleinen festhält, die mit ihrem Sofortbild - vermeintlich durch pure Zauberei entstanden - stolz zu ihren Eltern laufen. Das Engagement der Wienerin in Afrika verstehen nicht alle. "Warum fährst denn allerweil zu den N*****?", muss sie sich mitunter anhören. "Diese grauslichen Typen, die offenbar unter den Steinen wohnen, formulieren das so. Ich helfe aber auch viel in Österreich. Ja, bei uns gibt es auch Armut, aber hier haben wir trotzdem noch ein soziales Netz."

© Nina Kaltenböck Im Centro de Saude de Mafambisse werden Mosambikaner untersucht, ob sie von der Erkrankung Grauer Star betroffen sind

Auch was Augenkranke betrifft, prallen die Gegebenheiten zweier Welten aufeinander. "Bei uns ist der Graue Star in 20 Minuten operiert, und dann geht man über zur Tagesordnung. In Afrika ist es lebensbedrohlich, wenn du blind bist", berichtet die Trägerin des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich. "Du kannst weder Ziegen hüten noch Wasser holen noch auf die Kinder aufpassen noch Holz sammeln. Du bist zum Betteln verurteilt. Schließlich hat nicht immer jemand Zeit, sich zu kümmern, denn die Menschen leben von einem Tag auf den anderen. Wenn jemand erblindet, dann sitzt er vielleicht am Straßenrand und verhungert."

Von der Bürde zur Würde

Das Ergebnis des Screenings führt Chris Lohner und den "Licht für die Welt"-Mitarbeiter Gabriel Müller, dazu einen Übersetzer der Organisation, der mit den lokalen Dialekten vertraut ist, in ein Dorf 50 Kilometer außerhalb der Stadt Beira. Hier wohnt die 72-jährige Inés Iomo Joao, bereits am grauen Star erblindet. Zusammengesunken kauert sie in ihrem Plastikstuhl vor einer Strohhütte. Eine ihrer Sorgen: "Ich bin eine Last. Ich kann nichts alleine machen. Nicht arbeiten, kochen, meine Familie unterstützen, nicht einmal mich waschen oder mich selbst versorgen." Die Gemüseernte fiel gering aus. Drei Monate nach der Ernte gibt es für Inés' Großfamilie bereits nichts mehr zu essen. Deshalb müssen sich Familienmitglieder als Tagelöhner über Wasser halten. Oft ist aber nicht genug Geld da, um Werkzeug anzuschaffen. Eine sechsköpfige Familie muss nicht selten mit nur einem Rechen arbeiten. Warum sich Inés derart als Bürde empfindet: Aufgrund ihrer Blindheit müssen ihre Tochter oder ihre Schwiegertochter alltägliche Tätigkeiten bleiben lassen, um Inés zu unterstützen.

© Nina Kaltenböck Hier wohnt Inés Iomo Joao mit ihrer Familie. Inés ist bereits am Grauen Star erblindet. Statt auf dem Feld zu arbeiten, braucht sie die Unterstützung ihrer Angehörigen

Doch diese Situation kann in nur einem Tag geändert werden. Inés und ihre Tochter Luisa fahren mit Lohner über Stock und Stein nach Beira. Von Dr. Abel wird die alte Dame dort in nur 30 Minuten an beiden Augen operiert, verbringt eine Nacht in der Klinik und bekommt am nächsten Tag die Verbände abgenommen. Ein wenig angespannt von den Strapazen der letzten Tage, aber freudestrahlend und dankbar schildert Inés: "Als ich meine Augen öffnete, konnte ich wirklich sehen! Wenn ich zurück in meinem Dorf bin, kann ich mich wieder am täglichen Leben erfreuen." Nach einer beschwerlichen Reise in ihren Heimatort schritt sie nach sehr langer Zeit wieder mit vollem Elan über den Hof und begrüßte die neuen Gesichter mit einem kräftigen Handschlag, der manche fast in die Knie zwang. Die 72-Jährige lächelt: "Davor habe ich nur existiert. Jetzt bin ich wieder ein Mensch!" Chris Lohner versucht, ihre Tränen der Rührung zu bändigen, und strahlt: "Wenn ein Mensch operiert wird und am nächsten Tag wieder sehen kann, ist das eine unfassbare Freude! Das ist es wert, hierher zu fahren, denn helfen ist immer rückbezüglich. Wer anderen nicht hilft, versäumt sehr viel im Leben."

© Gregor Kuntscher Im Krankenhaus in Beira wird Großmutter Inés in nur 30 Minuten an beiden Augen operiert. Die OP schenkt ihr wieder das Augenlicht. So kann sie arbeiten und für sich und ihre Angehörigen sorgen
© Nina Kaltenböck Inés Iomo Joao, ihre Tochter Luisa, Chris Lohner und Gabriel Müller nach dem erfolgreichen Eingriff

Selbstbestimmt leben

Ein Mensch, der sein Leben voller Herausforderungen selbst in die Hand nimmt, ist der 21-jährige José Chinaque. Seit dem Vorschulalter ist er gehbehindert. Die Volksschule konnte er nur deshalb besuchen, weil ihn seine Schwester täglich huckepack dorthin getragen hat. Aktuell fährt er jeden Tag knapp zwei Stunden mit seinem dreirädrigen Gefährt zur Schule und ebenso lange wieder nach Hause. Manchmal bewältigt Chinaque die Strecke sogar vier Mal am Tag, wenn er am Nachmittag etwas aus der Bibliothek besorgen muss. Sein Ziel hat der fokussierte Twen dabei klar vor Augen: "Nichts ist umsonst. Ich will Bauingenieur werden, eine Familie gründen und meine Mama unterstützen. Diesen Traum werde ich mir erfüllen!" Josés Vater und sechs Geschwister starben bereits vor einigen Jahren. Damit die kleine Familie überleben kann, baut Josés Mutter Teresa Reis an. Die Ernte reicht allerdings oft nicht einmal für eine Mahlzeit am Tag. Um irgendwie über die Runden zu kommen, repariert José in seiner Freizeit Schuhe und Fahrräder von Nachbarn. Da diese aber finanziell ähnlich gestellt sind, ist das nicht selten ein Freundschaftsdienst und keine Einnahmequelle. Für Gabriel Müller von "Licht für die Welt" hat hier "Bildungshunger eine neue Dimension bekommen". Eine wortwörtliche. "Menschen wie Chinaque nehmen Hunger in Kauf, um ihre Bildung fortführen zu können. Diese Ästhetik des Glücks im Unglück berührt mich sehr. Auch die, die ganz wenig haben, geben etwas weiter. Ein unglaublich schönes Sozialgefüge."

© Zoran Dobric Der 21-jährige José Chinaque (2.v.li.) in seiner Schule mit seinen Unterstützern von Licht für die Welt und Ademo

Rehabilitation statt Isolation

Dass Chinaque seinen Weg weiterverfolgen kann, ist deshalb möglich, weil sich der Hilfsverein Ademo, gefördert von Licht für die Welt, für Menschen mit Behinderungen stark macht. Mitarbeiter von Ademo gehen von Tür zu Tür und suchen nach mobilitätseingeschränkten Menschen, die aus Scham oftmals von ihren Familien versteckt oder verstoßen werden.

© Zoran Dobric Chinaque besucht die Schule und repariert in der seiner Freizeit Schuhe und Fahrräder.
© Zoran Dobric Seine Überzeugung: "Nichts ist umsonst. Ich will Bauingenieur werden, eine Familie gründen und meine Mama unterstützen. Diesen Traum werde ich mir erfüllen!"

"Leider ist das traditionell die Reaktion auf die Behinderung, die als Strafe für Böses gesehen wird. Diese Isolation kennen wir allerdings auch aus unseren Breiten, denken wir doch nur an Kaspar Hauser", hält Lohner fest. Durch Ademo werden Randfiguren wie Chinaque in die Gesellschaft integriert, bekommen im Idealfall eine Perspektive und Selbstvertrauen. Gemeindenahe Rehabilitation im Umfeld der Menschen führt zu Bildung und Beruf.

Ob im Fall von Chinaque oder Inés - ihr Wille und ihre Verve sind ungebrochen. "Sie glauben an Hilfe, beten um Hilfe, finden Hilfe und geben Hilfe", fasst Gabriel Müller den funktionierenden Kreislauf zusammen. Auch hier kann dieses Muster Früchte tragen, selbst wenn nicht jeder über so eine soziale Ader verfügt wie viele bewundernswert selbstlose Menschen dieses Landes. Bereits als Kind hat Lohner Bewohnern von Altersheimen etwas auf der Blockflöte vorgedudelt. Jetzt ist sie "demütig, zufrieden und mittig", dass sie auf diese Art etwas bewegen kann. "Sonst raunzen wir hier ja eh nur wegen Dingen, die total lächerlich sind." Also: ein Buch. Ein T-Shirt. Eine Konzertkarte. Oder Augenlicht. Es gibt viele Möglichkeiten, 30 Euro zu investieren. Eine davon macht besonders glücklich.

© Gregor Kuntscher Chris Lohner im Kreis von Ademo-Mitarbeitern. Ganz links Stelio Ramos, ganz rechts Leo Pechem

Licht für die Welt

Wieder sehen macht Freude

© Gregor Kuntscher Antonio (links) wird vor seiner Augen-OP gründlich untersucht

Mehr als 215.000 Mosambikaner sind blind. Dazu kommen Hunderttausende Menschen, die an Grauem Star oder anderen Augenerkrankungen leiden. In dem Land mit 28 Millionen Einwohnern praktizieren nur 27 Augenärzte, die meisten davon in den Städten. Deswegen ist die Hilfsorganisation Licht für die Welt in diesem Land besonders aktiv.

Mission Possible Im Verhindern und Heilen vermeidbarer Blindheit ist Licht für die Welt eine weltweit bekannte Fachorganisation. Sie ermöglicht Operationen am Grauen Star, errichtet Spitäler, unterstützt die Ausbildung von Augenärzten und Optikern.

Spezifische Spenden 30 Euro schenken einem Menschen das Augenlicht durch eine OP am Grauen Star. 610 Euro ermöglichen ein OP-Besteck für Operationen am Grauen Star. 1.500 Euro erlauben einen dreitägigen mobilen Hilfseinsatz für Hunderte PatientInnen.

Website: www.licht-fuer-die-welt.at

Das "Licht für die Welt"- Spendenkonto: LICHT FÜR DIE WELT IBAN: AT92 2011 1000 0256 6001 BIC: GIBAATWWXXX