"Beleidigend und frauenfeindlich": Bericht zum ORF spart nicht mit Kritik an Küniglberg

Rügen für Gerhard Draxler und Heinz Fiedler Neue Struktur für Fernseh-Information gefordert

Sowohl entlastende als auch kritische Anmerkungen für ORF-Chefredakteur Werner Mück bringt der Schlussbericht der ORF-Evaluierungsgruppe, die in den vergangenen vier Wochen kolportierte Missstände im ORF untersucht hatte. Rügen gibt es in dem 30-seitigen Papier für Informationsdirektor Gerhard Draxler sowie Zentralbetriebsratsobmann Heinz Fiedler.

In dem Bericht, der der APA vorliegt, heißt es unter anderem, dass im Inlandsressort der Fernsehinformation "das Arbeitsklima tangierende herabwürdigende und beleidigende Äußerungen auch frauenfeindlicher Art im Umlauf sind". Dabei würden allerdings "unsensibel formulierte Qualifizierungen" nicht selten erst "über den Haustratsch zu beleidigenden, kränkenden und herabwürdigenden Botschaften".

Erwähnt wird etwa der Fall einer Redakteurin, die nach ihrer Rückkehr aus der Baby-Karenz und einem Auftritt in der "Pressestunde" von Mück mit ihrem Aussehen konfrontiert worden sein soll. "Sie sei eine Beleidigung für sein Auge gewesen, müsse sie wirklich jedem zeigen, dass sie so viel zugenommen habe, so wie sie dagelehnt sei, habe man ihren Hintern groß im Bild gesehen", fasst der Bericht den angeblichen Wortwechsel zwischen Chefredakteur und Redakteurin zusammen. Die Bewertung der Gruppe dazu: "Das Dienstgespräch über Haltung und Kleidung der Moderatorin war gerechtfertigt, allerdings erfordert ein solches Gespräch in jedem Fall eine gesteigerte Sensibilität. Mit Rücksicht auf die geschilderten Umstände des konkreten Falles hätte der Chefredakteur erhöhte Rücksicht nehmen müssen, an der er es aber fehlen ließ."

Beim Vorwurf, Mück habe einen Redakteur mit dem "beruflichen Umbringen" bedroht, hat die Gruppe hingegen "Zweifel an der Bedrohtheit des Redakteurs zum damaligen Zeitpunkt". Generell wird in der "Zeit im Bild"-Redaktion ein "gestörtes Betriebsklima" konstatiert. Von einem "strikten Führungsstil" ist die Rede. "Dass es klimatische Probleme gibt, liegt nicht an mir allein, sondern auch an anderen Mitarbeitern", so Mück dazu im Gespräch mit der APA.

Zum Themenbereich "Behauptete Manipulation der Berichterstattung" wird Mück und den "Zeit im Bild"-Sendungen überwiegend korrektes Verhalten attestiert. "Dass in der Berichterstattung ein manipulativer Einfluss wirksam geworden wäre, der die Verwendung als Beispiel unzulässiger Rücksichtnahme auf Regierung oder regierungsnahe Interessen rechtfertigt, konnte die Gruppe nicht feststellen", heißt es etwa auf Seite 24 des Berichts.

Im Zusammenhang mit der Homepage-Affäre von Karl Heinz Grasser wird allerdings auch ein "ZiB"-Interview angeführt. "Da der Moderator mit der Nachricht, das Interview habe der Generaldirektorin nicht gefallen, auch vom Chefredakteur vermittelt bekam, gerade sei es noch nicht zu seiner Absetzung als Moderator gekommen, liegt der unzulässige Versuch der Einschränkung der Freiheit der journalistischen Berufsausübung vor", urteilt hierbei die Gruppe.

Nach Ansicht der ORF-Evaluierer ist die bestehende Struktur der Hauptabteilung Information Fernsehen, der Mück vorsteht, einer "Überprüfung" wert. "Insbesondere zielt dies auf den Umstand, dass der Hauptabteilungsleiter auch Sendungsverantwortlicher aller ZiB-Sendungen ist. Die direkte Führung einer derart großen Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stellt einen überhöhten Anspruch dar. Daraus resultierende Kommunikationsdefizite sind vor allem im Bereich des Ressorts Inland/EU deutlich geworden." Es bestehe die "Gefahr fehlerhafter Kommunikation und eingeschränkter Kreativität und Pluralität und kann damit zu geringerer Programm-Attraktivität für das Publikum führen", heißt es. Mit einer Änderung der Struktur habe er grundsätzlich "kein Problem", meinte Mück dazu. "Dafür ist die Geschäftsführung verantwortlich."

Kritik gibt es in dem Evaluierungsbericht an Informationsdirektor Gerhard Draxler. So regt die Gruppe an, "insbesondere durch frühzeitig eingeleitete Kommunikationsmaßnahmen für rechtzeitige Abhilfe bekannt werdender Beschwerden und Missstände zu sorgen. Eine führende Aufgabe kommt dabei dem zuständigen Direktor zu, der bei den geprüften Sachverhalten regelmäßig kaum in Erscheinung trat."

Im Zusammenhang mit der Besetzung des ORF-Korrespondentenpostens in Peking gibt es aber auch eine Schelte für ORF-Zentralbetriebsratsobmann Heinz Fiedler. Ein Hörfunk-Redakteur war bereits für den Job vorgesehen, was auch öffentlich kommuniziert wurde. Danach gab es jedoch ORF-interne Querschüsse, der Redakteur zog darauf hin seine Bewerbung zurück. "Die Gruppe stellt fest, dass durch die Vorgangsweise beim Abgehen von einer getroffenen Entscheidung nach offensichtlich sachlich nicht begründeter Intervention durch den Zentralbetriebsratsvorsitzenden die Grundlage für eine dem Unternehmensansehen abträgliche vehemente öffentliche Resonanz geschaffen wurde. In Kauf genommen wurde damit ein beträchtlicher Imageschaden für den ORF."

Abschließend hebt die Gruppe aber auch den Umstand hervor, "dass die Mehrzahl der zu untersuchenden Vorwürfe nicht in einem zeitlichen Naheverhältnis zum Ereignis erhoben und öffentlich gemacht wurde. Dies lässt mehrere Deutungen zu und hat auch solche gefunden: Kampagnisierung, Mangel an Zivilcourage, Mangel an Vertrauen in Beschwerdeinstanzen, das Bild vom 'letzten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt', repressive Strukturen, parteipolitische Motive in der Vorwahlzeit".

Zwölf Arbeitssitzungen mit einer Gesamtdauer von über 80 Stunden absolvierte die ORF-Evaluierungsgruppe. 18 Auskunftspersonen, davon 13 aus der Hauptabteilung Fernsehen Information, stellten sich zur Verfügung. Betont wird deshalb in dem Bericht auch, "dass die Evaluierungsergebnisse zu den 18 Sachverhalten bzw. Sachverhaltsgruppen schon auf Grund der Anzahl der Auskunftspersonen (die Hauptabteilung FI 1 hat rund 230 Redakteurinnen und Redakteure) nicht den Anspruch erheben können, als Gesamtbild der Fernseh-Information zu gelten".
(apa)