Arbeitsrechtlerin: "Streik in
der Regel kein Kündigungsgrund!"

Der österreichische Gesetzgeber hat den Arbeitskampf im Gegensatz zu unserem deutschen Nachbarn nicht geregelt. Streikfreiheit? Ja. Recht auf Streik? Nein. Große Teile der heimischen Arbeitsrechtslehre vertraten deswegen lange die Ansicht, Streik wäre ein zulässiger Entlassungsgrund. Elisabeth Brameshuber vom Institut für Europäisches Arbeitsrecht und Sozialrecht an der WU machte durch ihre wissenschaftliche Arbeit deutlich, dass die Lage nicht ganz so eindeutig ist.

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Arbeitsrecht - Arbeitsrechtlerin: "Streik in
der Regel kein Kündigungsgrund!"

„Seit 2009 ist die Europäische Grundrechtecharta in Kraft, in der ein Grundrecht auf Streik verankert ist. “, so Brameshuber. Ein solches Grundrecht wird seit Kurzem auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention abgeleitet. „Nach der Grundrechtecharta ergibt sich der Inhalt des Streikrechts auch aus den ‚gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der EU-Mitgliedstaaten’“. Es ist ein Paradigmenwechsel im österreichischen Arbeitskampfrecht eingetreten, das Streikrecht gilt allerdings nur mit Einschränkungen.

Streikrecht mit Haken

Unter Streik versteht man die planmäßige Niederlegung der Arbeitsleistung um einen bestimmten Zweck zu erreichen. Grundsätzlich stellt die Teilnahme eines Arbeitnehmers an einem Streik arbeitsrechtlich also einen Bruch des Arbeitsvertrages dar.

Ein solches Niederlegen der Arbeit ist dank des „importierten“ Grundrecht auf Streik aber zulässig, wenn man für die Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen streikt. Gegen allgemeine gesellschaftspolitische Einstellungen der Arbeitgeber darf nicht gestreikt werden. Das Streikziel muss vom Arbeitgeber erfüllt werden können.

Von diesem Streikrecht wird in Österreich allerdings sehr selten Gebrauch gemacht – gerade im internationalen Vergleich. Vom Metallerstreik im Jahr 2011 abgesehen, fiel in den letzten zehn Jahren pro Arbeitnehmer pro Jahr nicht einmal eine „Streikminute“ an.

Streik als Druckmittel

Gerade im Hinblick auf die Ende September gestartete Herbstlohnrunde für die Metallarbeiter, kann ein Streik beziehungsweise die Streikandrohung aber durchaus als Druckmittel eingesetzt werden. „Die Erkenntnis, dass rechtmäßig streikende Arbeitnehmer keinen ‚Entlassungsgrund’ setzen gewährleistet, dass Kollektivvertragsverhandlungen über Mindestentgelte kein ‚kollektives Betteln’ sind, sondern ein Verhandeln auf Augenhöhe“, schlussfolgert die Arbeitsrecht-Expertin.

Das Problem mit der „Gig-Ecnonomy“

Für Brameshuber ist die Lage bei angestellten Beschäftigten also klar. Umstritten ist, ob auch Dienstleister in atypischen Beschäftigungsverhältnissen ein Grundrecht auf Kollektivvertragsverhandlungen und damit auch ein Grundrecht auf Streik haben.

Die sogenannte Gig-Economy beschreibt eine Wirtschaftsform, die auf kurzfristigen Verträgen basiert und in der Personen mit einem Mix solcher Vertragsverhältnisse ihren Lebensunterhalt bestreiten. Nach amerikanischem Vorbild gibt es auch in Österreich immer mehr Unternehmen dieser Art. Während Dienstleistungen wie Taxifahren und Essen ausliefern kein Novum sind, übernehmen bei Uber oder Foodora oft freie Dienstnehmer die Arbeit und erledigen diese meist in Form eines Kurzzeitjobs. Mit der Erledigung des Auftrags ist dieser dann wieder vorbei.

Die App-Betreiber bekommen rund 20 bis 30 Prozent dessen, was der Kunde für das Essen, die Fahrt oder die Putzkraft bezahlt hat. Für die Dienstleister selbst bedeutet das vor allem niedrige Löhne: für die Kuriere bei Foodora gibt es derzeit kein fixes Gehaltsschema, wie News bereits berichtete. Als freier Dienstnehmer gibt es keinen vertraglichen Mindestlohn, keinen Urlaub, kein Krankengeld – ohne dabei als Kurier von wirklich selbstständiger Arbeit sprechen zu können, da nur für einen Arbeitgeber gearbeitet wird.

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In diesen Fällen sei laut Brameshuber zu überlegen, ob sie als Arbeitsnehmer eingestuft werden. Durch die Qualifikation als Arbeitnehmer kommt das gesamte Arbeitsrecht zur Anwendung, das für die meisten Einzelprobleme adäquate Lösungen kennt. In weiterer Folge auch das Grundrecht auf Streik. Mit April wurde bei Foodora ein Betriebsrat gegründet, es wird eine (bessere) kollektivvertragliche Absicherung angestrebt.

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