Wien: Der Kampf
der Essenszusteller

In Wien tobt ein Kampf der Essenszusteller. Noch liegt Foodora vorn, doch Mitbewerber wie UberEats holen auf. Auch Vermittlungsplattformen wollen nun in die Zustellung einsteigen. Derweil haben immer mehr Restaurants Probleme mit den Geschäftsbedingungen ihrer Lieferanten.

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Wirtschaft - Wien: Der Kampf
der Essenszusteller

Das kleine Café in der Wiener Josefstadt ist mit Liebe zum Detail eingerichtet. Gemütliche Sitzecken mit passenden Kissen und ein hübsch dekorierter Schanigarten laden zum Verweilen ein -und natürlich zum Bestellen all der köstlichen Gerichte, die sich auf der Speisekarte finden. Um ihren Aktionsradius zu steigern, hat sich die Inhaberin zusätzlich dazu entschieden, mit Lieferdiensten zu kooperieren und ihre Kuchen auf diese Weise direkt an den Küchentisch ihrer Kunden zu bringen.

Die Umsetzung dieser Idee lief aber nicht ganz so reibungslos wie erhofft. Das eineinhalb Jahre junge Café setzte wenige Monate nach der Eröffnung auf Foodora. Der Essenslieferservice sollte nicht nur einen neuen Markt öffnen, sondern auch eine Marketingchancen bringen. Doch der Versuch ging nach hinten los. "Kundenreklamationen fielen immer auf uns zurück, auch wenn wir keine Schuld hatten", sagt die Gastronomin. So stürzte ein Foodora-Fahrer, das Essen wurde im pinken Thermorucksack durcheinandergewirbelt, und beim Kunden kam ein unansehnlicher Brei an.

Von Foodora kam keine Reaktion, die Gastronomin musste sich mit dem verständlicherweise aufgebrachten Kunden allein auseinandersetzen, sich entschuldigen und ein neues Gericht auf eigene Kosten zubereiten: "Der Umgang mit Kundenreklamationen und die Kommunikation mit uns war bei Foodora sehr unprofessionell oder gar nicht existent."

Schlechtes Image

Die Gastronomin ist mit ihrer Meinung nicht allein. Hört man sich bei Wiener Gastronomen um, ist häufig die Rede davon, dass die Kommunikation schwieriger geworden sei, seit ein Großteil des österreichischen Foodora-Teams nach Berlin gewechselt ist und alle Belange zentral von Deutschland aus geregelt werden.

Das kleine Wiener Café hat Konsequenzen daraus gezogen und ist vor ein paar Monaten zum Konkurrenten UberEats gewechselt. Mit dem persönlichen Kontakt ist man hier zufriedener, auch technisch funktioniere es besser. Das schlechte Image des amerikanischen Giganten Uber wirft allerdings seine Schatten voraus. Noch bevor die erste Bestellung über Uber Eats reinkam, waren die Negativbewertungen auf der Facebookseite des Lokals zu finden: "Uber nein danke!". Dies ist der Grund, weshalb die Betreiberin anonym bleiben möchte. Bei einem jungen und kleinen Betrieb reichen auch wenige schlechte Bewertungen auf Facebook aus, um die gesamte Fünf-Sterne-Statistik zu unterlaufen und Kunden zu vergraulen. Aus Angst vor den Gegnern des amerikanischen Unternehmens hält die Gastronomin sich öffentlich daher lieber zurück.

UberEats ist bereits seit dem Dezember des vergangenen Jahres in Wien und kämpft sich trotz der umstrittenen Unternehmenskultur von Mutterkonzern und Taxi-Mitbewerber Uber bedrohlich nah an Platzhalter Foodora heran. Seit dem Start wuchs die Anzahl der Restaurantpartner von 80 auf über 200 an. Foodora liegt derzeit bei rund 250 Partnern. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir in Wien eine ähnliche Restaurantanzahl erreicht haben", sagt UberEats-Restaurant-Operations-Manager Georg Witting. In der Anfangsphase habe man eine große Bandbreite verschiedenartiger Restaurants akquiriert, mittlerweile gehe man selektiver vor und schaue, in welchen Restaurantkategorien das Angebot erweitert gehöre. Zudem kämen vermehrt interessierte Restaurants auf den Anbieter zu. UberEats will sich als "Wiener Team" positionieren und ohne Mindestbestellwert die Hemmschwelle beim Bestellen senken, preislich transparent und flexibel sein sowie auf Exklusivverträge verzichten. Dezent und forsch zugleich greift UberEats so jeden Kritikpunkt, mit dem Foodora konfrontiert ist, auf und versucht, ihn zu nutzen. Sorgen aufgrund negativer Schlagzeilen aus dem Mutterkonzern macht man sich wenig und ist überzeugt: "Die Kunden werden klar nach Qualität bewerten."

Synergien gefragt

UberEats ist aber nicht der einzige selbstbewusste Konkurrent, der Foodora im Nacken sitzt. Seit April will auch Lieferservice.at das wachsende Feld der Zusteller nicht mehr allein den beiden Mitbewerbern überlassen und stellt in Wien eine eigene E-Bike-Flotte. Gemeinsam mit Mjam gehört Lieferservice.at zu den österreichischen Marktführern, die bislang allerdings lediglich als Vermittlungsplattformen zwischen Kunden und Restaurants gewirkt hatten. Jetzt liefern sie für Ketten wie Vapiano, Türkis oder Nordsee genauso wie für eine Handvoll kleinerer Restaurants aus. "Für uns macht die eigene Zustellung nur einen kleinen Teil unserer Bestellungen aus", sagt Lieferservice.at- Brand-Managerin Janina Scarlet Fisher: "Wir mischen hier mit, weil wir Synergien mit dem Kerngeschäft sehen - wir erweitern das Angebot für unsere Kunden und erhöhen dadurch die Nachfrage." Finanziell sei dies ohne das Kerngeschäft nur schwer möglich.

Aber auch die Restaurants selbst stehen zunehmend unter Druck, mitzuhalten und Angebote abseits der traditionellen Gastronomie anzubieten. So locken die Apps der Essenzulieferer mit integrierten Marketingangeboten und professionellen Fotoshootings, um das Restaurant in Szene zu setzen, und bieten außerdem Werbekostenzuschüsse. Gleichzeitig schrecken sie manche Lokale mit einer durchaus saftigen Provision wieder ab. Mario Pulker, Obmann des Fachverbands für Gastronomie der Wirtschaftskammer Österreich, ist ein Befürworter des neuen Konzepts der Essenslieferung, warnt aber zugleich, dass "die Provisionen sich in Grenzen halten müssen". Bei allen drei großen Anbietern beträgt diese rund 30 Prozent der gelieferten Mahlzeit. "Niedriger zu gehen, ist schwierig", erklärt Fisher von Lieferservice.at. Das Geschäftsmodell sei bereits mit den derzeitigen Konditionen wirtschaftlich eine große Herausforderung.

Genügend Sitzplätze

"Für unsere Kalkulationen sind die Kosten schlicht zu hoch, das können wir nicht abgeben", sagt Matthias Weiss, Geschäftsführer El Hans im zweiten Wiener Bezirk. Mit seinem Lokal, das eher im oberen Preissegment platziert ist, hat er sich bewusst gegen die Kooperation mit einem Lieferservice entschieden. Sowohl Foodora als auch UberEats haben im Vorfeld bei ihm angeklopft. Die beiden hätten mit einem Mehrumsatz argumentiert, ohne dass zusätzliche Kunden dem Lokal Sitzplätze wegnehmen würden. Und mit einem stärkeren Geschäft an den Tagesrandzeiten. Der Druck, bei dieser Entwicklung mitzuhalten, sei durchaus groß, sagt Weiss.

Trotzdem sei der Schritt für El Hans derzeit nicht erstrebenswert. Das Essen wird im Restaurant à la minute serviert, diese Qualität könne man bei einer Lieferung nicht garantieren. Genauso wenig wie guten Service: "Für mich sind alle meine Mitarbeiter das Gesicht des Restaurants nach außen. Sollte ein Foodora-Fahrer negativ auffallen, fällt dies immer auf mich zurück", sagt Weiss. "Wir leben von der guten Qualität auf dem Teller, aber guten Service kann man nicht auslagern."

Höherer Wareneinsatz

Und doch gibt es sie, die glücklichen Gewinner der Zustelldienste: Franz Haslinger, Geschäftsführer der Weinschenke in Wien, ist einer davon. Seine Burger werden nicht nur in drei Restaurants in der Stadt serviert, sondern mit Foodora auch direkt an die Wohnungstür der Wiener geliefert. "Wir arbeiten sehr gut und gerne mit Foodora zusammen", sagt Haslinger. Vor zwei Jahren habe man nahezu zeitgleich zum Foodora-Start in Wien das zweite Lokal eröffnet und sei gleich eine Kooperation eingegangen. So sei man "zusammen groß geworden". Der Gastronom betont, dass sich die Zusammenarbeit mit einem Zustelldienst nur lohnt, wenn die Fixkosten durch das Grundgeschäft abgedeckt seien. Lieferung sei lediglich ein Zusatzgeschäft, um die Auslastung des Restaurants zu erhöhen. Es komme lediglich zu "unwesentlich höheren Personalkosten und einem höheren Wareneinsatz", aber eben auch zu einem entsprechend höheren Umsatz. Bei einer Provision von 30 Prozent an Foodora bleiben dem Gastronom etwa zehn Prozent Gewinnmarge. Die Provision halte er für durchaus berechtigt, sagt Haslinger. Würde man selbst einen Lieferservice anbieten, müsse man nicht nur einen Fahrer anstellen, der dann "höchstwahrscheinlich häufige Stehzeiten hat", sondern brauche auch jemanden, der die Logistik betreue. Dies sei kostenintensiver: "Und man darf nicht vergessen, dass in den 30 Prozent Provision auch Werbung enthalten ist", so der Weinschenke-Chef.

Neue Sondergebühren

Mit Anfang August hat Foodora jedenfalls die Vertragsbedingungen für seine Lokalpartner geändert. Bei "Fehlverhalten" der Restaurants wird von dem Lieferservice eine "Sondergebühr" erhoben. Diese beginnt bei 2,50 Euro für schlecht verpackte Speisen und geht hinauf bis auf zehn Euro bei einer Verspätung von über 30 Minuten. In der Gastronomie, wo die Arbeitslast ohnehin hoch ist, wird der Druck auf die Angestellten damit noch einmal erhöht. Das gilt vor allem für kleine Betriebe.

Laut Foodora haben diese Strafzahlungen den Hintergrund, "weitere Qualitätssicherung für Kunden zu ermöglichen". Man sei überzeugt, dass "beide Parteien die Verantwortung für die Kundenzufriedenheit tragen sollten". Durch regelmäßige Berichte erfahren die Restaurants schon jetzt, wo es bei ihnen besonders gut läuft oder eben hakt. "Natürlich bin ich mit der Änderung der Geschäftsbedingungen nicht glücklich, aber ich kann es verstehen", sagt Haslinger. Für ihn ist die Kontrolle aber auch ein Ansporn, Prozesse zu optimieren.

Die Weinschenke gehört zu den am meisten frequentierten Restaurants auf der Foodora-Website. Die Kommunikation mit dem Lieferdienst klappt gut, und man hole erfolgversprechende Marketingmöglichkeiten aus der Kooperation raus, sagt Haslinger. Derweil liegt im kleinen Café im achten Bezirk immer noch das von Foodora zur Verfügung gestellte Tablet herum. Vielleicht hat man bei Foodora noch keine Zeit gefunden, es abzuholen, vielleicht wurde das kleine Café aber auch einfach nur vergessen.