Die Turbulenzen der Air Berlin

Air Berlin stellt seine Langstrecke ein. Zudem kritisiert Konkurrent Germania die Bürgerschaft der Regierung für die Airline.

von
Airline - Die Turbulenzen der Air Berlin

Die AUA-Konzernmutter Lufthansa will Insidern zufolge nach dem geplanten Kauf von Air Berlin viele Überseeflüge der Pleitefluglinie weiter betreiben. Geplant sei, Verbindungen von Berlin und von Düsseldorf aus weiter zu bedienen, sagte eine mit den Plänen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag.

Insgesamt wolle die Lufthansa für ihre Billigtochter Eurowings etwa ein Dutzend der 17 Langstreckenmaschinen der insolventen Konkurrentin übernehmen. "Die Planungen sehen vor, dass zwei der Flugzeuge in Berlin und bis zu zehn in Düsseldorf stationiert werden", ergänzte der Insider. Vorstellbar seien Flüge von der Hauptstadt an die US-Ostküste, etwa nach New York oder Washington. Bisher bietet die Lufthansa keine Langstreckenflüge von Berlin aus an.

Insgesamt bietet die Lufthansa Insidern zufolge für bis zu 90 der rund 140 Maschinen. Damit würden bis zu 3.000 der rund 8.000 Beschäftigten zum deutschen Marktführer wechseln, und zwar ausschließlich fliegendes Personal. "Im jetzt vorliegenden Konzept geht es um die Crews", sagte der Insider.

Countdown für Interessenten

Interessenten haben bis zum 15. September Zeit, ihre Angebote abzugeben, wie die Niki-Mutter Air Berlin bestätigte. Sechs Airlines und Luftfahrtunternehmer wollen nach Informationen aus Unternehmens-und Branchenkreisen für Air Berlin bieten. Die Zahl dürfte wegen neuer Interessenten noch steigen.

Die Zeit drängt offenbar, da Air Berlin ab Mitte kommenden Monats einige Überseeflüge streicht, etwa von Berlin nach Abu Dhabi und Chicago. Zudem fallen die Strecken von Berlin nach Los Angeles und San Francisco sowie von Düsseldorf nach Boston früher weg als bis jetzt geplant, wie Air Berlin mitteilte. Die Passagiere der betroffenen Flüge sollten umgebucht werden. Weiter angeboten würden die Verbindungen von Berlin nach New York und Miami. Nach Aussagen von Air-Berlin-Chefsanierer Frank Kebekus gingen die Buchungen seit der Pleite zurück, insbesondere auf der Langstrecke.

Schnappt sich Ryanair Air Berlin?

Air Berlin hat sich schwer damit getan, ein profitables Langstreckengeschäft aufzubauen. Dafür war die Flotte mit 17 Jets zu klein. Zudem waren auf den Verbindungen von und nach Berlin Geschäftsreisende rar, die viel für ein Ticket ausgeben.

Interesse an einem Kauf von Air Berlin bekundet auch Ryanair. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) warnt jedoch vor einem solchen Schritt. "Ryanair ist ein arbeitnehmerfeindliches Unternehmen. Das Geschäftsmodell ist frühkapitalistisch", sagte er dem "Tagesspiegel". Er glaube vielmehr, "es ist für alle Beteiligten unstrittig, dass bei mehreren seriösen Bewerbern die Lufthansa für Verlässlichkeit steht".

Ryanair-Chef Michael O'Leary hatte kritisiert, Air Berlin werde in einem mit der Politik "abgekarteten" Spiel zerschlagen, um die Lufthansa zu stärken. Der Ire kündigte ein Gegenangebot für Air Berlin an. Am Mittwoch will er dazu auf einer Pressekonferenz in Berlin Stellung nehmen.

Konkurrent Germania zieht wegen Bürgschaft vor Gericht

Die Fluggesellschaft Germania zieht wegen der Bürgschaft der deutschen Regierung zugunsten von Niki-Konzernmutter Air Berlin vor Gericht. Germania habe beim Landgericht Berlin ein Eilverfahren eingeleitet, teilte die Justizpressestelle am Dienstag mit. Dadurch solle der Bundesregierung untersagt werden, den Kredit in Höhe von 150 Mio. Euro zu gewähren, bevor die EU-Kommission dies genehmigt habe.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sprach sich unterdessen gegen den irischen Billigflieger Ryanair als Käufer von Air Berlin aus.

Germania gab nach Angaben der Berliner Justiz zur Begründung für das eingeleitete Eilverfahren an, dass der Bund die an Air Berlin interessierte Lufthansa einseitig bevorzuge. Mit dieser Fluggesellschaft solle ein "deutscher Champion" geschaffen werden, hieß es. Diese Wortwahl hatte kürzlich unter anderem Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gebraucht, als er sich für die Übernahme "wesentlicher Teile" von Air Berlin durch die Lufthansa aussprach.

Mit dem Verfahren soll dem Bund nun untersagt werden, den Überbrückungskredit zu gewähren, bevor die EU-Kommission diese Form der Beihilfe nicht genehmigt hat. Mit dem Geld soll in den kommenden Wochen der Flugbetrieb von Air Berlin aufrechterhalten werden. Germania hält dies nach Justizangaben aber für "nicht nachvollziehbar".

Der Antrag der Airline Germania richtet sich gegen das Verkehrsministerium, das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium. Die mündliche Verhandlung darüber wurde auf den 15. September angesetzt. Für den Fall, dass bereits Bürgschaften gestellt wurden, beantragte Germania zudem, diese rückabzuwickeln und bis zur Genehmigung durch die EU-Kommission abzuwarten, wie weiter mitgeteilt wurde.

"Verlässlichen Partner"

Müller sagte unterdessen in Berlin, er wünsche sich für Air Berlin einen "verlässlichen Partner", der ein langfristiges Interesse an Berlin als Luftverkehrsstandort habe. Das Beschäftigungsmodell des Konkurrenten Ryanair sei nicht das, was er anstrebe, fuhr er fort, ohne den Billigflieger beim Namen zu nennen. Der Billigflieger arbeite mit Subunternehmen in den Kabinen und Beschäftigte erhielten nur eine befristete Anstellung.

Müller äußerte sich an der Seite von Arbeitnehmervertretern und Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Air-Berlin-Betriebsrat Wolfgang Fleischer forderte, vor allem den Air-Berlin-Mitarbeitern müsse eine Perspektive geboten werden, und zwar unabhängig davon, wer für die Airline biete. "Ohne Technik geht gar nichts", sagte Fleischer, der diese Beschäftigten im Betriebsrat vertritt. Gemeinsam mit der Verwaltung seien die Techniker derzeit am meisten gefährdet, ihren Job zu verlieren.

Kommentare