Spitzentöne
Der Kasperl
muss ewig leben!
Der Kasperl verteidigt seit drei Generationen das wunderbare, unersetzliche Erlebnis des Dabeiseins.
Der Herr aus Hongkong, der zur Aufbringung der nötigen 100.000 Euro die Portokassa bemühen wollte, wird den Kasperl nicht bekommen: Die Fraktionen des Wiener Gemeinderats überbieten einander in Rettungsbereitschaft, und bundesseitig kam dem amtierenden Kunstminister Blümel sein Vorgänger Drozda um einen halben Tag zuvor. Auch Bernhard Paul vom Circus Roncalli würde gern zugreifen. Was ist geschehen? Der Betreiber der Urania-Puppenbühne hat seinen Ruhestand angekündigt. Nachfolger habe er keinen gefunden, der ihm den ungeheuren Bestand an Puppen und Kulissen, Geschichten und Geheimnissen, Glück und Atemlosigkeit ablösen wollte. Das Problem stellt sich dem Theaterdirektor Manfred Müller jetzt nicht mehr: Sogar in Internet-Foren, in denen sonst mehrheitlich die Einstellung sämtlicher kulturfördernder Maßnahmen verlangt wird, mahnt man Rettungsmaßnahmen an. Und das ist gut so: ein Zeichen des Überlebenswillens zu Zeiten, in denen man kleine Kinder mit Tablets zwangsbemustern will; in denen die Lehrpläne "entrümpelt" werden sollen, um "digitalen Inhalten" Platz zu machen. So, als wären Literatur, Theater, Musik, Zeichnen nicht schon nachhaltig genug zum Gerümpel erklärt. Der Kasperl verteidigt seit drei Generationen das wunderbare, unersetzliche Erlebnis des Dabeiseins. Die Interessen von Herz und Hirn, von Courage und Eigensinn. Er lebe ewig.