In Wandas Wohnzimmer

Mit ihrem vierten Album, "Ciao!", schreibt Österreichs Pop-Export Nr. 1, Wanda, seine Erfolgsgeschichte fort. Sie begann in einem Beisl im zweiten Wiener Bezirk. Seitdem hat sich alles verändert. Im Leopoldistüberl erzählen Marco Wanda und Manuel Poppe davon.

von Wanda © Bild: Ricardo Herrgott

Diese Aufmerksamkeit liegt Ernst im Blut. An ihren Händen erkennt er die Profession seiner Gäste. Mit einem Blick ist ihm der Bauarbeiter vertraut oder der Beamte. Oder die, mit denen man sich besser nicht anlegt. Dabei wird nicht geurteilt. Im "Leopoldistüberl" sind alle gleich. Seit Jahrzehnten führt Ernst das Lokal in Wiens zweitem Bezirk, ein Beisl der aussterbenden Art. Die Wände zeugen von der Sammelleidenschaft des Chefs: Geldscheine aus aller Herren Länder, rare Musikinstrumente, Ansichtskarten. Sie waren wie Ernst Zeugen bei der Geburtsstunde der Band Wanda, Österreichs erfolgreichsten Popexports der letzten Jahre. Hier spielte Sänger Marco Fitzthum, der sich lieber Marco Wanda nennt, Gitarre, bevor ihn 100.000 Fans auf der Donauinsel hören wollten. Was Marcos Hände über ihn verrieten? Nur so viel, sagt Ernst über die fünf Musiker, die sein Lokal seit sieben Jahren als zweites Wohnzimmer nutzen: "Ganz tolle Burschen!"

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© Ricardo Herrgott Kettenrauchen beim Ernst: Manche Dinge haben sich für Wanda nicht geändert

Von Marco Wanda und Gitarrist Manuel Poppe gibt es zur Begrüßung eine herzliche Umarmung. Man ist einander sichtlich vertraut. "Das ist ein Lokal, wo man noch Musik machen kann", wird sich Marco später im Gespräch an seine ersten Besuche erinnern. "Das verschwindet leider, dabei ist es etwas, dass Wien immer begleitet hat. Schubert hat in Gasthäusern Klavier gespielt "

Der Platz der "wilden Wanda"

Der Kopf der mit Sechsfach-Platin-geadelten Band belegt seinen Stammplatz in der hinteren Ecke des kleinen Lokals. Hier hat die Band ihren ersten Plattenvertrag unterschrieben. Hier singen Polizisten Lieder von Wolfgang Ambros. Hier haben Wanda ihr erstes Interview gegeben. Hier saß in den 70er-Jahren die berüchtigt-berühmte erste Zuhälterin Wiens, Wanda Kuchwalek. Die Frau, nach der die fünf Musiker vor sieben Jahren ihre Band benannten und auszogen, um das Popland Österreich im deutschsprachigen Raum wieder auf die musikalische Landkarte zu hieven. Lokalchef Ernst hat die "wilde Wanda" einst persönlich erlebt und reiht sie in die Kategorie derer, mit denen man sich besser nicht anlegt. Dem Wanda-Sänger hat er erst vor Kurzem von dem schicksalhaften Zufall mit dem Lokal-Stammplatz erzählt. Im Popfach gibt es freilich keine Zufälle, nur Legendenbildung.

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© Ricardo Herrgott Manuel Poppe und Marco Wanda mit Ernst vom Leopoldistüberl - er sagt "unser" Wanda

Die Bandlegende erreichte nach Top-Ten-Platzierungen in Deutschland und der Schweiz, Spitzenplätzen in Österreichs Charts, fünf Amadeus Awards und ausverkauften Tourneen mit dem Konzert auf der Wiener Donauinsel im Sommer letzten Jahres einen vorläufigen Höhepunkt. Mit drei Alben ("Amore", "Bussi", "Niente") war es der Band gelungen, Rock 'n'Roll mit deutschen Texten neu zu definieren und hymnische Kritiken einzufahren. Das Zitat der Musikbibel "Musikexpress" über Wanda als "letzte wichtige Rock-'n'-Roll-Band unserer Generation" ist längst Teil des fiktiven Wanda-Museums. Marco durchschreitet es selbstkritisch.

"Ich war nicht gut", urteilt er über den letzten Band-Meilenstein auf der Donauinsel. "Mein einziger Gedanke war: Ich bin einfach noch nicht so weit. Ich hab nicht so gut gearbeitet, wie ich es hätte können", sagt er. Überhaupt habe er die sogenannten Meilensteine nie genießen können. Außer jenen einen vielleicht, als die fünf Musiker und Freunde nach drei Jahren im Proberaum zum ersten Mal gespürt haben: "Das wird groß". Es war beim Stadtfest 2015, ein gutes halbes Jahr, nachdem ihr Debütalbum erschienen war und die Zeile aus dem Hit "Bologna" allen Musik -Aficionados als Erkennungszeichen diente: "Wenn jemand fragt, wofür du stehst, sag, für Amore". Bestenfalls 300 Menschen locken die Bands auf der Bühne am Michaelerplatz üblicherweise an. An diesem Junitag kamen laut polizeilichen Schätzungen 14.000 und säumten die Straßen bis zum Graben, um Wanda hören zu können. "Dass so etwas passieren kann, hatte sich davor meiner Vorstellungskraft entzogen. Die Freude der Menschen dort hat so eine Kraft gehabt, dass mir klar war: Jetzt verändert sich alles", sagt Marco. Ab da war der Hype ständiger Bandbegleiter.

Vom Größenwahn zur Demut

Von der Singlereleaseparty im April 2014 mit ein paar Hundert Fans im Wiener Fluc über das Konzert im ausverkauften Gasometer, die Show in der zweimal ausverkauften Stadthalle bis zum Inselfest vergingen insgesamt gerade mal vier Jahre. "Wenn eine Band wie wir so schnell Erfolg hat, überholt sie der Erfolg zum Zeitpunkt der Meilensteine. Deshalb ist das Thema Meilensteine für mich erledigt. Ich will gut arbeiten, ich will etwas Sinnhaftes über das Leben schreiben ,gemeinsam mit meinen vier besten Freunden Konzert spielen und davon leben. Das ist alles", sagt Marco. Vor einigen Jahren klangen seine Aussagen noch vollmundiger. Vom Masterplan für die nächsten vier Alben war da oft die Rede. "Das war der verzweifelte Versuch, Kontrolle zu behalten, weil man in diesem Geschäft natürlich eigentlich nichts planen kann", blickt der Sänger auf damals zurück.

Auf den eigenen Größenwahn, der ihn als junger Mensch begleitet hat, war er früher stolz. Heute sieht er das pragmatisch. Marco: "Um es mal schnell an die Spitze zu schaffen, muss man auch ungesunde Eigenschaften seiner menschlichen Natur verstärken. Aber um in diesem Geschäft zu bestehen, muss man zur Dankbarkeit und Demut finden. Sonst blattelt es einen auf." Gitarrist Manuel nickt dazu und meint: "Der nächste Meilenstein wäre, einfach weitermachen zu dürfen, was wir tun. Dass die Leute uns spielen sehen wollen. Wenn das aufhört, hören wir auch auf. Wir zwingen uns niemandem auf."

Manchmal tut's so weh

Über die Ruhe ihres letzten Albums "Niente" haben Wanda zu sich gefunden, erzählen sie. Sich bewusst Auszeiten gestattet. So wie die zehn Tage, die sie sich im Waldviertel an der tschechischen Grenze in ein Haus zurückgezogen haben, um das neue Albums "Ciao" aufzunehmen. "Wir haben ein Studio reingebaut und uns mit Gegrilltem selbst versorgt. Geschlafen haben wir am Dachboden. Fast wie im Bettenlager", beschreibt Manuel das Idyll fernab des Hypes. Ein Fußballplatz und ein Teich dienten dem Zeitvertreib zwischendurch. "Wir sind nach den Aufnahmen nicht nach Hause gegangen. Das hat die Musik besser atmen lassen", so Poppe. Das Ergebnis diese Luftholens ist tatsächlich das bislang vielschichtigste Werk der Band mit überraschenden Ausflügen, die dennoch nie den Wanda-Sound leugnen. Da wird mit Grunge und 60ies-Swing geflirtet und doch auch deutlich dem Britpop gehuldigt. Marcos Lieder, die binnen drei Wochen im Sommer letzten Jahres entstanden sind, kreisen wie üblich um Liebe und ihren bittersüßen Beigeschmack. Vielleicht mit mehr Schmerz als sonst? Da ist das Intro von Cat Stevens "The First Cut Is The Deepest" hörbar bei "Der Erste der aufwacht". Zeilen wie "Keine Angst um meine Welt mehr, weil ich weiß, dass sie ohne dich steht." oder: "Manchmal tut's so weh wie Ciao Ciao Baby".

Wanda liefern freilich nur Projektionsflächen, wollen ihr Material nicht selbst interpretieren und schon gar nicht über Privates sprechen. "Themen wie Liebe waren schon immer da. Ich möchte über etwas singen, das die Menschen vereint", weicht Marco auf die Frage, wie Liebeskummer zu Wanda passt, aus. Ist Liebe schwieriger oder leichter mit all der Berühmtheit im Nacken? Marco: "Das muss jeder für sich ein Leben lang herausfinden. Ich bin bemüht, das zu tun."

Überhaupt könne er nicht strategisch Themen abarbeiten, sagt der Sänger, sondern die Lieder würden ihn finden und er sich oft selbst nach deren Bedeutung fragen. "Lieder oder Texte sind manchmal viel schneller als das Bewusstsein, ich laufe ihnen dann hinterher. Ich versuche mein Leben lang, herauszufinden, was ich sagen wollte mit meiner Musik und Texten. Ich habe mich redlich bemüht, Antworten zu finden, aber ich habe es aufgegeben, weil ich es selbst nicht weiß."

Wanda
© Alexander Bachmayer Schlagzeuger Lukas Hasitschka, Bassist Ray Weber, Sänger Marco Wanda, Keyboarder Christian Hummer, Gitarrist Manuel Poppe (v. li.) sind Wanda

Das Versprechen hält

Die Zeit der albtraumhaften Zustände am Höhepunkt des Hypes ist jedenfalls vorbei. Damals, erzählt Manuel, war er nach einer Tour zwei Tage lang unfähig, mit seiner Familie zu sprechen. Manuel: "Ich habe mich gar nicht gespürt." Marco ging es ähnlich: "Ich habe mich wie ein 80-Jähriger gefühlt, körperlich, und bin im Kopf nie zur Ruhe gekommen. Diesem Rock-'n'-Roll-Todeszug haben wir ein paar km/h genommen", beschreibt er die neue Ära von Wanda. "Körper und Geist reisen wieder zum selben Zeitpunkt an denselben Ort und kommen nicht erst ein paar Tage später an. Das ist gut", sagt Manuel.

Das Leben hat sich durch die Karriere verändert, da sind sich beide einig: "Manches zum Guten, manches zum Schlechten." Nichts hat sich an der Motivation geändert, meint Marco, mit der Wandas Weg vor sieben Jahren begonnen hat. "Das Versprechen, das wir uns als Band gegeben haben, war ja nicht nur ein Musikalisches, sondern ein Geistiges. Wir waren voneinander als Menschen fasziniert und wollten gemeinsam auf eine geistige Reise gehen und vielleicht sogar ein besseres Leben finden." Diese Versprechen habe sich erfüllt, so Marco, durch die Möglichkeit, Menschen live mit Musik beglücken zu dürfen. Noch immer. Dieser Gedanke mache ihn demütig, meint er, denn mit dem Alter käme ohnehin die Unsicherheit. Marco: "Konzerte zu spielen, ist für mich heilig. Dass sich fremde Menschen über unsere Musik begegnen, gibt mir ein sinnhaftes Gefühl und macht mein Leben besser. Jahrelang bin ich in zerrissenen Klamotten ziellos durch die Stadt gelaufen, jetzt habe ich einen Platz in dieser Gesellschaft gefunden, der sinnhaft ist."

Wie immer steht bei Wanda der Mensch im Mittelpunkt der Botschaft, daran hat sich nichts geändert. Betont wird das Verbindende. Fans aller politischen Orientierungen würden auf ihren Konzerten zusammen feiern, glaubt Marco. "Ich lass mir nicht einreden, dass diese Gesellschaft gespalten ist, das erlebe ich anders, und wo die Politik versagt, ist die Musik wichtiger als je zuvor", erklärt er. Das ist dann bei Wanda-Konzerten wie im Leopoldistüberl: Vorm Chef sind alle gleich.

Wanda auf Tour 2020:

  • 9.5., Innsbruck | Olympiahalle
  • 15.5., Wien |Stadthalle
  • 16.5., Wien |Stadhalle
  • 18.7., Graz |Freiluftarena B

Am 6.9. erscheint mit "Ciao!" das vierte Wanda-Album*, ein ungewohnt vielschichtiges Indie-Folk-Rock-Opus Wanda auf Tour 2020

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