Über viele Steine zum Erfolg

Drei Jahrzehnte nach der Flucht aus der ČSSR ist Thomas Kamenar sowohl in der Slowakei als auch in Österreich als Moderator gefragt. Dass er am Weg dahin ab und zu scheitern musste, gehört ebenso zu seiner Geschichte wie sein unerschütterlicher Optimismus

von Thomas Kamenar - Über viele Steine zum Erfolg © Bild: News/Matt Observe

Wenn im Kräutergarten das Basilikum wächst, reißt er freudig ein Blatt ab, um es zu genießen. Auf seinem Gesicht liegt dann das Lächeln, das man kennt, wenn ein Kandidat seiner Quizsendung richtig antwortet. Thomas Kamenar zelebriert die positiven Momente im Leben, egal, wie groß sie sind. "Ich finde, man kommt besser durchs Leben, wenn man sich darüber freuen kann, dass die Sonne scheint", sagt der Radiomoderator und Neo-Quizmaster. Seine markante Stimme ist durch zahlreiche Ö3-Sendungen österreichweit bekannt. Seit 15 Jahren begleitet er die Hörer des Popsenders gut gelaunt durch den Tag. Seit einigen Wochen ist er auch im Fernsehhauptabend angekommen. Jeden Freitag testet er auf ORF eins in der Show "Zur Hölle damit" das Wissen der Kandidaten.

© ORF/Roman Zach Kiesling Noch bis Ende Mai testet Thomas Kamenar in der von Olvier Baier erdachten Quizshow "Zur Hölle damit" im ORF das Wissen der Kandidaten

Der Weg ins österreichische Fernsehen schien überfällig: In der Slowakei ist Kamenar längst ein TV-Star. Drei Jahre lang, bis 2014, moderierte er in seinem Geburtsland eine Quizsendung und wurde dank seiner auffälligen Aussprache so etwas wie der Rudi Carrell der Slowakei. Kamenar war drei Jahre alt, als seine Eltern mit ihm und dem älteren Bruder aus der damaligen ČSSR flüchteten. Obwohl die Eltern mit den Kindern stets die Muttersprache pflegten, erschöpften sich seine Sprachkenntnisse im "Küchenslowakisch". Shitstorms hat er deshalb zu Beginn seiner Karriere in der einstigen Heimat erlebt. Er nähme einheimischen Moderatoren den Job weg, wurde kritisiert, bevor ihn das Publikum lieben lernte. Vielleicht gerade wegen der charismatischen Sprachschwäche - dergleichen kann den Sympathiebonus durchaus steigern. Thomas Kamenar muss laut lachen, als er sich an eine Episode erinnert, die weniger selbstbewusste Zeitgenossen vermutlich totschweigen würden. Es geschah, als er einer Kandidatin seiner TV-Show ein Kompliment machen wollte. "Sie hatte sich unglaublich fesch gemacht für die Sendung, und ich wollte sagen: 'Das steht Ihnen aber gut!'" Die Phrase übersetzte er zu wörtlich. "Am Ende habe ich begeistert zu ihr gesagt: 'Wow, Sie haben wirklich eine beachtliche Erektion!'" Kamenar kommentiert die Episode stoisch. "Gelernt. Abgehakt", sagt er. Nicht zu beklagen, was man ohnehin nicht ändern kann, scheint ein Wesenszug des Moderators zu sein. Kamenars positiver Zugang zum Leben wuchs auf kargem Boden. "Natürlich habe ich damals durch die Flucht Dinge erlebt, die mich geformt haben, auch wenn ich sie vielleicht gar nicht mehr weiß", sagt er dazu.

Auf die Gosch'n fallen hilft

Es war auf dem Heimweg aus dem Urlaub in die Slowakei 1982. Die Busreise führte durch Österreich, und die Familie nutzte eine Toilettenpause zur Flucht. Statt wieder in den Bus zu steigen, blieben sie mit dem Wenigen, das sie am Körper hatten, in der unbekannten, neuen Heimat. Ein Bekannter brachte sie nach Traiskirchen. Später zog die Familie nach Innsbruck, wo Kamenar aufwuchs - in Freiheit zwar, aber mit einigen Entbehrungen. Die Schokobrezen, die man nicht kaufen konnte, sind ihm ebenso in Erinnerung wie das Busticket, für das kein Geld da war. So dauerte der Fußmarsch zum Arzttermin eben eine halbe Stunde. Seine Kindheit sieht er trotzdem in einem wohligen, warmen Schein, wie er sagt. Die Déjà-vus, die ihm die eigenen Kinder nun bescheren, kostet der zweifache Vater voll aus: Mit Fotografin Petra Kamenar hat er die dreijährige Tochter Emilia und den eineinhalbjährigen Sohn Jakob. "Wenn Emilia stundenlang Wasserspiele im Badezimmer macht, statt sich nur kurz die Hände zu waschen, muss ich schmunzeln. Ich weiß noch genau, wie ich das genauso gemacht habe und wie sich das angefühlt hat. Herrlich!"

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Scheitern und lernen

Ob er die kleinen Dinge besser schätzen kann als andere, weil sein Weg teilweise steinig war, wagt Kamenar nicht zu beurteilen. Klar ist, dass die Karriere alles andere als selbstverständlich war. "Im Nachhinein liest sich das so locker: Er war ein schlechter Schüler, hat die Schule abgebrochen und ist heute ein 'Star'. Aber das ist ja nicht die ganze Geschichte", sagt Kamenar. Zur Geschichte gehören auch die Volksschullehrerin, die ihn gedisst hat, weil er Ausländer war. Die Oberstufenprofessorin, die ihm das Durchfallen schon am ersten Schultag prophezeite, weil er ein Heft vergessen hatte. Die wochenlange Angst, als er merkte, der Schulabschluss geht sich nicht aus. "Irgendwann in der siebten Klasse haben meine Eltern mir die Entscheidung abgenommen und gesagt: Du hörst jetzt auf, machst den Zivildienst und dann die Abendschule. Bis dahin war es ein furchtbar langer Weg. Ich habe tagelang geweint."

»Ich habe gewusst, dass es auf dem klassichen Weg echt schwierig wird für mich«

Statt in der Abendschule landete er bei den Radiosendern Welle 1 und Antenne Tirol, wo er erste Erfahrungen sammelte, bevor er 2003 zu Ö3 wechselte. Die Schule nicht abgeschlossen zu haben, bedauerte er eine ganze Weile, wie er erzählt. Heute sieht er die bittere Erfahrung positiv: "Sie hat mir die Einstellung gebracht, Dinge fertig zu machen. Wenn ich etwas angehe und Kräfte investiere, dann tue ich das, bis es abgeschlossen ist. Ja, du musst manchmal auf die Gosch'n fallen, damit du richtig schätzen kannst, was du hast. Da ist schon etwas Wahres dran."

Für nichts zu schade

Chancen zu erkennen und zu nutzen, wurde zum Erfolgsrezept für Thomas Kamenars Karriere. Denn: "Ich habe gewusst, dass es auf dem klassischen Weg echt schwierig wird für mich." So quatschte er auf einer Party den Lichtbildner Wolfgang Pohn an, um etwas über sein damaliges Hobby Fotografie zu erfahren. Er ist heute Vorbild für Kamenar. Dem Sänger James Cottriall bot er an, ihn gratis als Fotograf in die USA zu begleiten, wenn er dafür die Bilder für sein Album machen dürfe. Nunmehr arbeitet Kamenar neben seinen Moderationen auch als professioneller Fotograf. An dieser Stelle muss er Frau Petra Rosen streuen, die vom Fach ist und von der er das "essenzielle Know-how" gelernt hat. "Ich war mir aber auch nie zu schade, ihr zu assistieren, Koffer zu schleppen, das Licht aufzubauen und Kabel zu verlegen", erinnert er sich an die Lernphase.

Eine weitere Chance ergriff er, als ihn der slowakische Fernsehsender nach dem Ende des Quizformats fragte, was er denn sonst gern moderieren würde. Da sein Interesse gerade dem Kochen und der Food-Fotografie galt, optierte er für eine Küchenshow, die dann auch erfolgreich produziert wurde. Das begleitende Kochbuch brachte er mit Frau Petra in den Handel. Die jüngste Leidenschaft des 39-Jährigen gilt dem Vloggen, also dem Herstellen eines Video-Tagebuchs. "Mich hat immer die Neugierde angetrieben. Viele Dinge wollte ich einfach machen, um zu verstehen, wie sie funktionieren. Ich weiß jetzt, wie man ein Kochbuch macht. Ich weiß, wie eine Fernsehshow produziert wird. Ich bin überzeugt davon, dass sich alle meine Interessen ergänzen und voneinander profitieren. Ich lerne beim Fernsehen auch fürs Radio oder von meinem Vlog fürs Fernsehen."

»Berühmt sein ist ein Nebeneffekt, macht mein Leben aber nicht besser«

Dass er nun auf der Straße erkannt wird, gehört nun einmal dazu. Den Drang nach Bekanntheit spürt er nicht, sagt er. Eher im Gegenteil. "Ich habe den Beruf des Moderators nie ausgeübt, um berühmt zu sein, sondern immer, weil der Job mich fasziniert hat. Berühmt zu sein, ist sicherlich ein witziger Nebeneffekt, macht mein Leben aber nicht besser."

Immer wieder Stürme

In Gattin Petra, mit der er seit 2015 verheiratet ist, hat Kamenar seine beste Freundin gefunden. Das nennt er das Glück seiner Ehe. Ihre Genesis wirkt schicksalhaft: Die beiden tauschten sich auf Facebook über Fotografie aus, trafen einander, verliebten sich und stellten fest, dass Petra wie Thomas einst mit ihren Eltern aus der Slowakei geflüchtet war. In vielen Dingen versteht sich das Paar blind. Wenn es doch einmal Streit gibt, ist es wichtig, keine Wunden aufzureißen, sondern ihn zu betrachten, als würden die Möbel neu aufgestellt. "Man soll ja aus jedem Streit etwas mitnehmen für eine bessere Zukunft", sagt er. Dann zitiert er einen Bekannten, der die Ehe mit einem Start-up-Unternehmen verglichen hat. "Es gibt die Storming-Phase, in der alle Luftschlösser bauen und blind vor Liebe sind. Dann kommt die Forming-Phase, in der du die Sache angehst und Regeln aufstellst. Dann folgt die Norming-Phase, in der es im besten Fall einfach gut läuft, aber oft aus Gewohnheit dahinplätschert. Dann braucht es neue Storming-Phasen, in denen alles neu geordnet wird. Sobald es plätschert, ist etwas faul, dann sollte man etwas unternehmen", sagt Kamenar. Es gefällt ihm, eine Beziehung als derart beweglich zu betrachten.

© News/Matt Observe Er kann sich selbst auf den Arm nehmen: Der ORF produzierte Thomas Kamenar als Pappaufsteller

Als Vater rückt er Neugierde und Kreativität in den Mittelpunkt seines Erziehungskatalogs. Den Kindern diese Fähigkeiten mitzugeben, hält er für besonders wichtig. Im Heim mit Garten wird gemeinsam viel gemalt und neuerdings auch getöpfert, seit Petra Keramikkunst herstellt. Einen besonderen Stellenwert gibt Kamenar dem Ausdruck von Zuneigung durch Umarmungen, Busserln oder Kuscheln. Diesen Familiensinn hat er aus der Slowakei mitgenommen und will ihn unbedingt erhalten. Diese Herzlichkeit sei etwas Besonderes, wie er sagt. "Ich küsse meine Eltern heute noch, und würde ich meinem Vater zur Begrüßung kein Bussl geben, würde er fragen, was los ist. Das gehört dazu wie liebevolle Umarmungen. Das habe ich mitgenommen, das will ich auch weitergeben", erzählt der Moderator. Schräg habe er das damals gefunden, erinnert er sich, als er in der Volksschule Freunde hatte, die nie mit den Eltern kuschelten.

Und dann fällt dem Mann mit der Gute-Laune-Stimme noch ein Spruch ein, den er sich auf dem Weg von Traiskirchen ins Haus mit Garten am Rande Wiens einverleibt hat: "'Teamwork makes the dream work.' Stevie Wonder hat das gesagt, und ich finde es wunderschön. In meinem Arbeitsumfeld bin ich abhängig von anderen. Da musst du ein Teamplayer sein, um eine guten Job zu machen. Die Botschaft kann sich gerne jeder aufschreiben. Damit kommt man recht weit im Leben."

Dieser Artikel ist der Printausgabe von News Nr. 16/2018 erschienen.