The Lady is a tramp

Die Dulcinea der Volksoper als Discoqueen. Michaela Knapp traf die Musical- und Operettensängerin Dagmar Koller, die neue Wege beschreitet und am 19. März ihre erste „House“-Single auf den Markt bringt. Titel: „Been there. Done that.“

The Lady is a tramp

Irgendwann weit nach Mitternacht ist auch Dagmar Koller müde. Das Lächeln aber bleibt. Sie hat ihre brandneue House-Single „Been there. Done that.“ präsentiert. Bereits bei der Erstvorstellung im WUK hat ein junges Clubbingpublikum „Da-gi, Da-gi“ skandiert. Diesmal im Palmenhaus scheint es nicht anders zu sein. Sie wird vom medialen Echo förmlich überrollt. „In der Volksoper kriege ich nicht so einen Jubel.“ Dennoch: Disziplin wird großgeschrieben. Unermüdlich gibt sie Interviews, posiert für die Fotografen, strahlt in die Kameras: ein „ZiB 3“-Live-Einstieg für den ORF, ein Porträt für das ZDF, ein launiger Kommentar für die „Seitenblicke“, Händeschütteln, Bussi geben. Strahlen. Unprätentiös, offen: „Ja, natürlich, wir werden schon noch Zeit für ein Gespräch finden. Ich bin ja nicht kompliziert.“

Ein jäher koketter Aufschrei, als sie das Plattencover auf der riesigen Vidiwall des Palmenhauses sieht: „Seid ihr wahnsinnig, ich, so groß?“ Die 62jährige Dagmar Koller im schwarzen Gucci-Lederoutfit, bereit für einen Auftritt der anderen Art. Dann ist es soweit: Die „Popqueen“ wird angekündigt. Mit zwei Tänzern der Volksoper hat sie einen Gig einstudiert. Man scheitert im Palmenhaus an der zu kleinen Bühne, dann fällt auch noch die CD- Anlage aus. Die Koller erweist sich als Vollprofi. „Das fängt ja gut an. Ich bin es gewohnt, mit meiner Stimme und meinem Körper zu arbeiten, aber in der Popmusik scheint alles nur aus der Steckdose zu kommen“, ruft sie ins Publikum. „Also, keine Angst, ich werde jetzt kein Popstar. Ich bleibe, was ich bin. I am, what I am.“ Jubel.

Sieg der Idee über das Produkt?

„Dagmar Koller“, analysiert „profil“-Kulturchef und DJ Sven Gächter, „ist die einzig echte Camp-Ikone der österreichischen Trivialkultur, die sich von einschlägigen Koryphäen wie Liberace oder Dame Edna allerdings dadurch unterscheidet, daß sie ihre ,campness‘ nicht augenzwinkernd inszeniert, sondern ohne jeden Anflug von Selbstironie lebt und dadurch eine fast auratische Naivität ausstrahlt.“
Der Pop-Ergründer und die neue Wiener Schwulenmutti lernten einander kennen, als La Koller die Eröffnung des Club Osmosis, den Nebenerwerbs-DJ Gächter im Volksgarten eingerichtet hatte, mit ihrer naiven Aura beehrte. „Ich mache zwar mein Morgentraining zu Ö3“, erzählt Discoqueen Dagi, „aber ein wirklicher Begriff war mir House-Musik nicht. Der Rhythmus sagte mir unheimlich zu. Das ist die reine Vibration. Warum schreibt nicht jemand so etwas für mich, habe ich dann gefragt.“

Gächter tat es und kreierte mit Koller auf seinem gemeinsam mit Freunden gegründeten Label bearly eine House-CD. „Ein Track, der für den Dancefloor funktioniert, sollte es sein“, so Gächter. „Wir wollten keine Juxnummer machen, kein Trashprodukt wie das einstige Duett Zilk/Koller.“ Der Titel ‚Been there. Done that.‘ stand schnell fest, die Wortpaare music and vine, heartbreak and pain, champagne and kaviar, daydreams and nightmares umreißen das Leben einer Frau, die alles erlebt hat.“

Ohne Koloraturen und Vibrato hat die einstmalige Operettenprinzessin dann den Song im Studio gesprochen, in einer tiefen, entspannten Stimme, sexy, lasziv. Als sie das fertige Produkt hörte, habe sie die Stereoanlage ganz laut aufgedreht, erzählt sie stolz, „und der Helmut war genauso begeistert“.

RegenbogenParade

Seit Helmut Zilk sie vor zwei Jahren zum Auftritt bei der Regenbogenparade überredet hat, liegt ihr neben dem eher traditionell gesinnten Musical- und Operettenpublikum auch Wiens schwule Community zu Füßen. „Daß sie mich mögen, weiß ich schon seit den sechziger Jahren, als ich in Berlin spielte und dort in den Clubs meine Platte ,Hey Big Spender‘ rotierte. Vielleicht sehen sie in mir etwas, das sie selber gern sein wollen. Und sie erkennen besser als andere, daß ich immer in die Schablone Operettenkitschtante gezwungen wurde. Aber das war ich nie, das war nur ein Klischee.“
„Die Koller ist keine divareske Ikone. Sie ist einfach gut unterwegs“, meint Lifeball-Macher Gerry Keszler salopp. Beim Lifeball im Wiener Rathaus am 16. Juni wird die Ruhelose ebenfalls antreten. Die Angst, sich lächerlich zu machen, ist nicht vorhanden. Zu lange ist sie im Geschäft und auch als „Frau Bürgermeister“ auf dem Prüfstand der Medien gestanden. „Früher habe ich immer darauf geachtet, möglichst jedem zu gefallen.“ Jetzt, mit 62, sei die Zeit gekommen, wo sie nur noch jene Dinge tun will, die ihr wirklich Spaß machen. „Man wird mich vernichten oder lieben. Es gibt in dieser Stadt nichts dazwischen.“