Warum der bekannte Marshmallow-
Test einem großen Fehler unterliegt

Selbstkontrolle entscheidet bei Kindern nicht über Erfolg

Ein weit verbreiteter Irrglaube in der modernen Kindererziehung basiert auf einer Studie. Diese wurde nun von Psychologen der New York University widerlegt. Die neuen Erkenntnisse könnten Eltern durchaus zu denken geben.

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Psychologie - Warum der bekannte Marshmallow-
Test einem großen Fehler unterliegt

Nur eine gute Selbstkontrolle macht Kinder im späteren Leben wirklich stark. Das ist die Meinung vieler renommierter Sozialpsychologen. Allen voran Roy Baumeister , der nicht im Selbstwertgefühl, sondern in der Disziplin den Schlüssel zum Erfolg, sieht.

»Selbstkontrolle macht Kinder im späteren Leben stark«

Selbstkontrolle ist der wahre Glücklichmacher, Selbstkontrolle macht Kinder im späteren Leben stark“, behauptet er in seinem Buch „Die Macht der Disziplin“. Menschen mit viel Selbstkontrolle würden im Schnitt bessere und längere Beziehungen als Menschen, die sich weniger gut im Griff haben, führen.

Rückblick in die 1960er Jahre

Die Eigenschaften der Selbstkontrolle hat in der Wissenschaft seit den 1960ern einen hohen Stellenwert.
Festgemacht war diese weit verbreitete Meinung an dem sogenannten Marshmallow-Test.

Warum der Marshmallow-Test falsch ist

Man gibt einem Kind einen Marshmallow und sagt ihm, es bekommt einen zweiten, wenn es 15 Minuten aushält, diesen einen Marshmallow nicht zu essen. Der Test wurde vom Stanford-Psychologen Walter Mischel in den 1960ern entwickelt.

Die Ergebnisse waren bahnbrechend: Jene Kinder, die es aushielten, den ersten Marshmallow nicht zu essen und stattdessen auf den zweiten zu warten, taten sich im weiteren Leben leichter in der Schule, an der Uni und im Job und waren insgesamt erfolgreicher.

Studie stützt bekannte Erziehungsthese

Diese Forschermeinung hat die ohnehin schon weit verbreitete Erziehungsthese nur noch gestützt, dass Kinder lernen müssen, zu verzichten, sich zurückzuhalten, bescheiden zu sein und Dinge zu ertragen, um langfristig erfolgreich zu sein.

Eklatante Mängel in der Originalstudie

Eine aktuelle Studie der New York University durchgeführt von den Psychologen Tyler Watts, Greg Duncan und Hoanan Quan deckten eklatante Mängel in der Originalstudie auf und stellten das Marshmallow-Experiment noch einmal nach. Zunächst einmal erhöhten sie die Teilnehmerzahl von nur 90 auf 900 Kinder, außerdem versuchten sie, die US-Bevölkerung mit all ihren Ethnien und sozialen Ebenen besser zu repräsentieren. Sie bezogen außerdem Kontrollfaktoren ein, die in der ursprünglichen Studie nicht berücksichtigt wurden, wie das Einkommen der Eltern.

Die Erklärung für fehlende Selbstbeherrschung

Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass es keinen starken Zusammenhang zwischen Willensstärke in dem Experiment und Erfolg im späteren Leben gibt. Die Ergebnisse legen nämlich nahe, dass jene dreijährigen Kinder, die aus sozial schwächeren Familien ohne College-Abschluss der Eltern und mit einem niedrigen Haushaltseinkommen kommen, eher dazu neigen, den ersten Marshmallow sofort zu essen.

Ein unsicherer Alltag prägt

Die Forscher glauben, dass die ärmeren Kinder vor allem deshalb nicht auf den zweiten Marshmallow warten, weil sie im Gegensatz zu den reicheren Kindern im alltäglichen Leben nicht wissen, ob der zweite Marshmallow überhaupt kommt. Sie müssen ihr Bedürfnis sofort befriedigen, weil sie einen unsicheren Alltag haben.

Sozialer Hintergrund ausschlaggebend

Bei Kindern wohlhabender und gebildeter Eltern wiederum hatte es keinen Einfluss auf den späteren Erfolg, ob sie den Marshmallow nun aßen oder nicht. Jene, die sich nicht selbst beherrschen konnten, waren nicht weniger erfolgreich als jene, die sich beherrschen konnten. Selbstkontrolle entscheidet also nicht, ob man später erfolgreich ist— ausschlaggebend ist der soziale Hintergrund.