Orban-Denkfabrik landet am Kahlenberg

Die Wiener Modul University am Kahlenberg hat einen neuen Mehrheitseigentümer: das rechtskonservative Mathias Corvinus Collegium (MCC) mit Sitz in Budapest. Der Thinktank steht der Fidesz-Partei Viktor Orbans auffällig nahe.

von Modul-Universität Kahlenberg © Bild: Shutterstock.com

Die Modul University thront mit Blick über ganz Wien auf dem Kahlenberg. Am Campuseingang prangen Schlagwörter: "Gegenseitiger Respekt", "Wissen" und "persönliche Integrität" steht in Spanisch, Arabisch und anderen Sprachen auf der Glasfassade. 1.100 Studierende aus über 80 Ländern lassen sich hier an der MU in Wirtschaft und Tourismus ausbilden, alle Kurse finden auf Englisch statt. "Auf unserer Eingangstür kann jeder lesen, welche Werte in unserem Haus gelten", sagt Karl Wöber, der Rektor der Privatuniversität. "Diversität ist ein großes Markenzeichen."

Die neuen Eigentümerverhältnisse werfen Zweifel auf, ob das auch künftig so bleiben wird. Mitte Mai wurde bekannt, dass das ungarische Mathias Corvinus Collegium (kurz MCC) 90 Prozent der Anteile an der Modul University Vienna erworben hat. Die "Denkfabrik" mit Sitz in Budapest gilt nicht als neutraler Akteur. Per Parlamentsbeschluss hat das MCC bisher knapp 1,7 Milliarden Euro von der Orban-Regierung erhalten -zur Ausbildung einer "neuen, patriotischen Elite." Im Herbst 2022 hat das MCC bereits in der EU-Hauptstadt Brüssel ein Institut eröffnet, "um die europäische Debatte aufzurütteln". Mit der Modul Universtiy Vienna hat die Orban-nahe Stiftung nun auch ein Standbein in Wien.

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Vorwurf einer "Kaderschmiede"

Minister, Staatssekretäre, Geschäftsleute: Im Hauptquartier des MCC in Budapest gehen die führenden Persönlichkeiten von Orbans Ungarn ein und aus. Die "talentiertesten" Studenten des Landes können hier neben günstigen Zimmern auch Kurse in Wirtschaft, Leadership, Recht und mehr besuchen -und ganz nebenbei ein exklusives Netzwerk mit der rechtskonservativen Elite knüpfen. Mehr als 7.000 Schüler und Studenten werden an MCC-Niederlassungen in ganz Ungarn ausgebildet. Die Vortragenden sind ideologisch zumeist rechts der Mitte verortet und positionieren sich als Verfechter des Patriotismus. "Das MCC bettet die talentiertesten Köpfe direkt in ein regierungsnahes Netzwerk ein", sagt der Politikanalytiker Bulcsu Hunyadi, der zu den Aktivitäten des MCC forscht. Das sei demokratiepolitisch problematisch, weil das MCC durch ehemals öffentliche Gelder finanziert werde. "Ziel des MCC ist es, die zukünftige Elite des Landes auszubilden."

Angeblich alles beim Alten

"Die Studenten der Modul University wurden über den Eigentümerwechsel prompt per E-Mail verständigt", gibt die Studienvertretung der MU News gegenüber per E-Mail bekannt. Dass ein gewisser "Orban-Stempel" dem Ruf der Ausbildung künftig schaden könne, sei kein Risiko. "Das Image der MU wird durch deren Absolventinnen und Forschungsleistungen definiert", sagt die Studierendenvertretung. Die Tourismus-Privatuni wurde im Jahr 2007 von der Wiener Wirtschaftskammer, der Stadt Wien und dem saudi-arabischen Geschäftsmann Mohamed Bin Issa Al Jaber gegründet. 2020 gab die WKW 90 Prozent ihrer Eigentumsanteile an einen britischen Unternehmer ab. Diese wurden jetzt an das MCC verkauft. Der zehnprozentige Minderheitsanteil dient laut WKW dem Schutz der Bildungsmarke "Modul".

"Es wird keine vom MCC beeinflussten Änderungen an der MU geben", sagt Karl Wöber, Rektor der Privatuniversität.Die ungarische Stiftung werde sich weder in Curricula noch das Lehrpersonal betreffend einmischen "Wir sind wirtschaftlich unabhängig und haben klar geregelte Strukturen, um wissenschaftliche Mitarbeiter vor der Einflussnahme des Eigentümers zu schützen." Im Gegensatz zum vorherigen Eigentümer agiere das MCC als Non-Profit-Organisation -somit gebe es weniger finanziellen Druck auf die Erhöhung der Studienbeiträge.

© IMAGO/Xinhua Der "illiberale Staat" Viktor Orbans ist zum Vorbildmodell für Konservative weltweit lanciert

Indirekte Vorteile für MCC

"Das MCC ist nicht auf Profite angewiesen, weil es großzügig von der ungarischen Regierung finanziert wird", sagt der ungarische Politikanalyst Bulcsu Hunyadi. "Es ist auch kein Wunder, dass sich das MCC nicht offen in die Curricula der MU einmischen will." Als Bildungseinrichtung mit dem Schwerpunkt Tourismus sei die MU der falsche Ort für sofortige, direkte Politisierung. Stattdessen unterstütze sie andere, indirekte Ziele des MCC. "Erstens kann sich das MCC künftig mit den akademischen Leistungen der MU schmücken", sagt Bulcsu Hunyadi. Das legitimiere das MCC als seriöse, qualitativ hochwertige Bildungseinrichtung. "Zweitens bietet eine österreichische Privatuniversität viele Möglichkeiten, das MCC und dessen Werte mit internationalen Intellektuellen und Unternehmern zu vernetzen." So seien auch ohne explizite Einflussnahme viele indirekte Vorteile zu erreichen. "Auf bildungspolitischer Ebene möchte das MCC die Hegemonie linksliberaler Intellektueller aufbrechen", sagt Bulcsu Hunyadi. "Das Ziel ist, rechtskonservative Positionen weiter in den Mainstream rücken."

Ein internationales Netzwerk

Der MU-Rektor Karl Wöber dementiert im Gespräch mehrmals, dass es neue, vom MCC beeinflusste Personalentscheidungen geben werde. Das MCC gab in einem Tweet aber einige Namen bekannt, die an der Modul University zur Vernetzung beitragen sollen. Darunter ist etwa der US-Ökonom Jeffrey Sachs, der mit Verschwörungstheorien um den Ursprung des Coronavirus aufhorchen ließ. Auch die Britin Joanna Williams, Autorin der Bücher "Women vs. Feminism" oder "How woke won", steht auf der Liste.

"Das MCC treibt den Kulturkampf der Fidesz-Regierung gegen liberale und demokratische Werte voran", sagt Hunyadi. "Bei öffentlichen Veranstaltungen sind häufig die Narrative der Regierungspartei Fidesz zu hören. Das ist vor allem problematisch, weil das MCC hauptsächlich aus öffentlichen Geldern finanziert wird. Auf EU-und sogar globaler Ebene ist das Hauptziel des MCC, die radikale rechtspopulistische Agenda von Orbans Regierungspartei auch am internationalen Parkett mehrheitsfähig zu machen."

Partnerschaften in ganz Europa

"Der Erwerb der Modul University ist Teil der akademischen Netzwerkbildung des MCC", teilt Krisztian Erdei, Pressesprecher des MCC in Budapest, in einer E-Mail an News mit. Das MCC-Zentrum in der EU-Hauptstadt Brüssel ist nicht das einzige Projekt. Es gebe mittlerweile ein breites Portfolio an Partnerschaften, etwa mit der Berliner ESMT-Universität oder der englischen Roger Scruton Legacy Foundation, die MCC-Studierenden die Türen zu den renommiertesten Universitäten des Vereinigten Königreiches öffnet.

"Die Modul University Vienna passt perfekt in unser Portfolio, da sie eine international ausgerichtete Ausbildung in kleinen Gruppen mit persönlichem Mentoring bietet", sagt Erdei. Absichten, Curriculum oder Personal zu ändern, dementiert er. "Die bisherigen Leistungen der Modul University sprechen für sich. Das MCC ist der Ansicht, dass es von Vorteil ist, wenn die Modul University ihre Tätigkeiten in der bisherigen Form weiterführt."

Die Netzwerkarbeit trägt Früchte. Auch über Europa hinaus hat sich Viktor Orban zum Vorbild für Konservative gemausert: Die Conservative Political Action Conference (kurz CPAC), ursprünglich ein Event der US-Republikaner, fand Anfang Mai in Budapest statt. Im März 2022 war MCC- Stiftungsvorsitzender Balazs Orban auf der "National Conservatism Conference" als Speaker geladen. "Wir werden unsere Kinder durch ein Referendum vor der LGBTQ-Propaganda schützen", verkündet Balazs Orban, der mit dem Ministerpräsidenten zwar nicht verwandt, aber immerhin dessen politischer Direktor ist. Bei einer neuerlichen "NatCon" Ende September wetterte er gegen EU-Institutionen, die "das Überleben der europäischen Zivilisation bedrohen" würden.

Ob diese Aussagen mit den Grundwerten, die auf der Tür der MU prangen, vereinbar sind?"Nein, konkret passt das nicht zusammen", sagt MU-Rektor Karl Wöber. "Ich bitte, hier klar zwischen der Modul University und dem MCC zu unterscheiden. An unserer weltoffenen Haltung wird sich rein gar nichts ändern."

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 22/2023.