Waltraut Haas:
Der Blick nach vorn

Zurzeit ist Publikumsliebling Waltraut Haas im Kinofilm „Das kleine Vergnügen“ zu sehen, und hält Lesungen aus ihrem Buch „Jetzt sag ich’s“. Die vielbeschäftigte 91-Jährige über ihre Lieblingsrolle und große Verluste.

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Der Blick nach vorn

Im weißen Rössl am Wolfgangsee, da steht das Glück vor der Tür und ruft dir zu ,Guten Morgen, tritt ein und vergiss deine Sorgen!‘“ Dieser Ohrwurm in der heiteren Filmkomödie „Im weißen Rössl“ aus dem Jahr 1960 blieb für Peter Alexander reserviert. Die immerwährende Rössl­wirtin Waltraut Haas hingegen musste stumm zuhören. Das entnehmen wir den Lebenserinnerungen der Schauspielerin, die unter dem Titel „Jetzt sag ich’s“ erschienen sind. Für diese Sanktion sorgte Schnurrdiburr, besser bekannt als Peter Alexanders Ehefrau Hilde. „Ich hab danach ungefähr 700-mal die Rösslwirtin gespielt und bewiesen, dass ich singen kann. Im Film wollte aber seine Frau, dass nur er singt“, erinnert sich Waltraut Haas. „Und das hab ich akzeptiert. Sonst hätte ich die Rolle ablehnen müssen. Aber es ist meine absolute Lieblingsrolle. Nach wie vor!“

© Getty Images Als Waltraut Haas fünf war, starb ihr geliebter Vater. Später wurde Hans Moser für viele Jahre ihr Ersatzvater.

Die Rösslwirtin außer Dienst weist in der Nachbetrachtung schmunzelnd auf einige unbeachtete Filmdetails des Heimatseligkeitsklassikers hin. Warum sie in einigen Szenen augenscheinlich pausbäckiger ist? Das ist schnell erklärt: „Wir waren beim Dreh in Ischl und da ist auch die Konditorei Zauner. Da hat Peter immer gesagt: ,Hasi, gemma naschen?‘ Und das taten wir dann auch regelmäßig.“ Der Zwetschkenkuchen war fantastisch, so Haas, und deswegen habe sie eine Zeit lang fest zugelegt. So wie Peter Alexander seine Filmpartnerin kulinarisch verwöhnte, tat das Jahre zuvor eine andere österreichische Unterhaltungsgröße in Sorge um Haas’ Wohlergehen. 1947 war ihr die Rolle zugefallen, die ihre Karriere bestimmen sollte: das Mariandl im Nachkriegsfilm „Der Hofrat Geiger“. Als einer der ersten Heimatfilme nach dem Zweiten Weltkrieg lenkte er den Blick auf die weitgehend unzerstörte Provinz und trug zur Bekanntheit der Wachau bei. Produzent Willi Forst war es wichtig, dass die drei Hauptdarsteller Paul Hörbiger, Maria Andergast und Hans Moser vor Drehstart ihre junge Kollegin, das erst 19-jährige Mädel aus Meidling, kennenlernen. „Moser merkte sofort, dass ich Angst hatte, und sagte: ,Ich bin für dich der Hansi und du bist für mich die Hasi und die Klane lasst’s gfälligst in Ruh! Die steht unter meinen Schutz!‘ Der hat wirklich auf mich aufgepasst!“ Als Haas einmal erkrankte und der Arzt Sonnenabstinenz verordnete, mimte der Altmeister den Bodyguard. „Dann ist der Moser mit dem Sonnenschirm immer hinter mir her und hat gerufen: ,Die Hasi, sie stirbt ma! Sie stirbt ma!‘ Er war rührend.“ Zu ihrer großen Freude haben die beiden mehr als zehn Filme mitsammen gedreht und blieben bis zu seinem Tod anno 1964 Freunde. Dass sich die junge Haas auf ihre Erfolge nichts einbildet, dafür sorgte ihre Mutter: „Wenn du jetzt hochnäsig wirst, kriegst heut no a Watschen.“ Deswegen habe sie sich stets bemüht, natürlich zu sein und auch zu bleiben, betont die 91-Jährige.

© IMAGNO/Archiv Hajek Mit Peter Alexander genoss sie die Dreharbeiten zum Film „Im weißen Rössl“ – und den Zwetschken­kuchen in der Konditorei Zauner

Die Bühne als Rettung

Die Schauspiellegende steht seit 72 Jahren auf der Bühne. Davon konnte sie keine Tragödie abbringen. Ihr erster Sohn kam als Frühchen zur Welt und starb. Jahre später betrauerte sie innerhalb kürzester Zeit den Verlust ihrer Mutter und ihres Bruders. 2011 musste sie sich nicht nur von ihrem lieben Kollegen Peter Alexander verabschieden, sondern auch von ihrer großen Liebe Erwin Strahl. Damals hatte sie alle Kraft verloren, wollte nichts mehr vom Leben. Dann aber richtete sie den Blick nach vorn. Ein Rezept gegen das Vermissen gebe es nicht, sagt sie nachdenklich. „Momentan träume ich sehr viel von meinem Mann, von unseren Reisen und schönen Erlebnissen.“ Mit den Spätfolgen eines Treppensturzes vor drei Jahren lebt die rüstige Dame ebenfalls, so gut es geht. Damals hat sie sich zwei Rippen und einen Halswirbel gebrochen, musste dort, an Arm und Hand operiert werden. Als sie aus der Narkose erwachte, wollte sie nur eines wissen: Wann kann ich wieder Theater spielen? Sie empfindet nämlich die größte Freude, wenn sie mit ihren blitzenden Augen selbst die Zuschauer in der letzten Reihe erreicht.

Kraftquelle ist ihr geliebter Sohn, Theaterregisseur und Intendant der Wachaufestspiele Marcus Strahl: „Ich bin so dankbar, ihn zu haben. Wenn er mich täglich am frühen Abend besuchen kommt, plaudern wir und das ist wirklich das Schönste am Tag.“ Daneben genießt es die Bühnengröße, mit ihrer braunen Pudeldame Puppi spazieren zu gehen. „Ich spreche mit ihr wie mit einem Menschen und es gibt nichts, was sie nicht versteht. Ich bin sehr glücklich, dass es sie gibt!“

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Printausgabe 46 2018