Mediation im Unternehmen: Wann ist es sinnvoll?

Dass es zwischen Personen in Unternehmen einmal kracht, ist normal. Doch ab wann sollte man eine/n MediatorIn holen zur Konfliktlösung? Und wann sollte man sich als Chefin besser raushalten? Judith Girschik, Wirtschaftsmediatorin und Gründerin des Leadership Institute, gibt Auskunft.

von Mediation © Bild: iStockphoto

Bei welchen (innerbetrieblichen) Problemen raten Sie Unternehmen, eine/n MediatorIn zu engagieren?
Judith Girschik: Konfliktlösung per Mediation lohnt sich immer dann, wenn Menschen, die miteinander ein Problem haben, das Interesse teilen, das anstehende Problem zu lösen.
Typische Anwendungsfälle sind Konflikte zwischen GeschäftsführerInnen, die für unterschiedliche Unternehmensbereiche verantwortlich zeichnen, ebenso Konflikte zwischen Team- und AbteilungsleiterInnen, und natürlich auch auf der Mitarbeiterebene.

Wie erkenne ich als ChefIn, dass es in meinem Unternehmen/meiner Abteilung Konflikte gibt, für deren Lösung ich externe Hilfe benötige? Und wann ist es besser, sich rauszuhalten?
Prinzipiell kann man sagen: Das Lösen von Konflikten zählt zum Managementalltag. Die Unternehmensleitung sollte Führungskräften die Problemlösungskompetenz zubilligen, die für das Bewältigen des Tagesgeschäfts nötig ist. Von daher ist es empfehlenswert, sich in alltägliche Reibereien nicht einzumischen.

»Aufhorchen sollte man als Führungskraft immer dann, wenn Konflikte beginnen, den Geschäftsfortgang zu stören.«

Aufhorchen sollte man als Führungskraft immer dann, wenn Konflikte beginnen, den Geschäftsfortgang zu stören. Oft liegen die Ursachen in ungeklärten Sachfragen, wie etwa unzureichend abgegrenzten Zuständigkeiten oder verschleppten Entscheidungen auf Managementebene. Dann ist zunächst die zuständige Führungskraft aufgerufen, die Fronten zu klären.

Schwieriger wird es, wenn die Konflikte emotionale Hintergründe haben und aus divergierenden Persönlichkeitsmerkmalen stammen. Konflikte, die sich daraus entspinnen, lassen sich viel schwerer per Managemententscheid in den Griff bekommen. In solchen Situationen lohnt sich das Hinzuziehen eines Mediators.

Schließlich gibt es auch Situationen, in denen das Hinzuziehen eines Mediators verpflichtend ist. Das ist der Fall, wenn ein Arbeitgeber ein Lehrverhältnis vorzeitig beenden möchte. In diesem Fall muss ein Mediationsgespräch mit einem/einer beim Justizministerium eingetragenen MediatorIn geführt werden- man spricht dann von einer Lehrlingsmediation.

Welche Anwendungsgebiete gibt es für Mediation im Unternehmen?
Eine Mediatorin hilft Menschen dabei, Konflikte zu lösen. Sie moderiert schwierige Gespräche. Dabei achtet sie darauf, dass alle am Gespräch Beteiligten sich frei äußern können, respektvoll miteinander umgehen und über dieselbe Redezeit verfügen. Das vermeidet Schieflagen im Gespräch und ebnet den Weg zu einem ausgewogenen Miteinander. Zusätzlich erhebt sie am Beginn des Gesprächs die gemeinsamen Ziele, behält diese während der Diskussion im Blick und achtet darauf, dass diese am Ende auch erreicht sind.

Judith Girschik
© Judith Girschik Judith Girschik: "In den meisten Fällen handelt es sich um emotional aufgeladene Situationen auf Managementebene."

Für welche Art der innerbetrieblichen Konfliktlösung werden Sie am öftesten gerufen?
In den meisten Fällen handelt es sich um emotional aufgeladene Situationen auf Managementebene. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Menschen mit stark unterschiedlichen Persönlichkeitsprofilen für längere Zeit miteinander arbeiten müssen. Meist verfolgen diese Menschen auch nachhaltig divergierende Ziele, die zu erkennen, zu benennen und zu ordnen sich als gewinnbringend erweist.

Üblicherweise moderiere ich Gespräche zwischen zwei Personen. Selbstverständlich können auch mehr Personen am Prozess teilhaben. Allerdings: Je größer die Teilnehmerzahl, desto komplexer der Prozess.

Welche Qualifikationen sollte ein/e MediatorIn mitbringen?
Die Erfahrung zeigt, dass MediatorInnen sich umso besser in die Probleme ihrer Unternehmenskunden (Medianden) hineinversetzen können, je mehr Erfahrung sie sowohl in der Wirtschaft als auch auf der für konfliktrelevanten Führungsebene haben. Das vermeidet Missverständnisse, verkürzt die Vorbereitungszeit und unterstützt das zügige Abarbeiten anstehender Probleme.

Ein Blick auf den beruflichen Werdegang des Mediators bietet also wertvolle Hilfe bei der Auswahl eines geeigneten Mediators. Zusätzliche Sicherheit bietet die Mediatorenliste des BMJ. Hier finden sich MediatorInnen, deren fachliche Qualifikation das Bundesministerium für Justiz vorab geprüft hat. Dazu zählt vor allem ein Check der absolvierten Mediationsausbildung und der Nachweis einer laufenden Haftpflichtversicherung.

»Als Mediatorin achte ich darauf, dass es gelingt, Problem und Person zu trennen.«

Wie sieht ein Mediationsprozess aus? Was muss das Unternehmen dafür auch bereitstellen?
Das Mediationsverfahren verfügt über eine klare Struktur.
In der ersten Phase kläre ich in Form von Einzelgesprächen Art und Umfang des Auftrags.
In einer Plenumssitzung werden zunächst alle zu behandelnden Themen festgelegt.
Dem Harvard-Verhandlungskonzept folgend, legen die Konfliktparteien im nächsten Schritt ihre jeweiligen Standpunkte, Interessen und Bedürfnisse im Hinblick auf die zu klärenden Sachverhalte dar. Als Mediatorin achte ich dabei darauf, dass es gelingt, Problem und Person zu trennen.

Auf dieser Basis erarbeiten die Kunden– Schritt für Schritt – Lösungen - immer mit Blick auf die gegenseitigen Interessen und Wünsche. Das stellt eine für beide Seiten tragfähige Lösung im Sinne einer Win-Win-Situation sicher. Diese Phase nimmt üblicher Weise mehrere Sitzungen in Anspruch. Ihre Dauer hängt maßgeblich von der Teilnehmerzahl und der Komplexität der Themen ab.

Wenn alle erfolgreich Fragen geklärt sind, halten die Gesprächspartner ihr Verhandlungsergebnis schriftlich fest und verpflichten sich, die getroffenen Vereinbarungen umzusetzen.

Literaturtipps:

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Zwischen welchen Personen oder Ebenen kracht es in Firmen am häufigsten?
Je unterschiedlicher die Persönlichkeiten, die in einem Konflikt aufeinandertreffen, desto lauter kracht es. Solche Unterschiede manifestieren sich in der individuellen Arbeitsweise von Menschen:
Müssen besonders gewissenhafte, genaue Personen mit eindringlich flexiblen, die Dinge weniger genau nehmenden KollegInnen zusammenarbeiten, kann es zu Reibereien kommen.

Harmoniebedürftige und zuvorkommende Personen, die es allen recht machen wollen, können sich von dominanten, aggressiven Naturen überfahren fühlen. Im Extremfall entwickelt sich das zu Mobbing. Wer gerne hemdsärmelig die Probleme am Schopf packt, hat wenig Verständnis für den/die KollegIn, der/die jeden Arbeitsschritt hinterfragen und ausführlich diskutieren möchte. Zumindest auf Dauer.

Am intensivsten schwelen solche Konfliktherde zwischen KollegInnen auf der gleichen hierarchischen Ebene: Wenn der/die eine sich dem/der anderen gegenüber im Recht oder überlegen fühlt, aber über kein formales Weisungsrecht verfügt.

»Lösungsvoraussetzung ist so gut wie immer der gute Wille aller Gesprächspartner.«

Finden Sie immer eine Lösung? Oder gibt es manchmal auch einfach keine?
Prinzipiell liegt es an den Medianden, eine Lösung zu finden. Der/Die MediatorIn spielt am Weg der Lösungsfindung eine neutrale, begleitende, der Lösung zuträgliche Rolle. Man könnte auch sagen: Das Mediationsgespräch ist eine moderierte Verhandlung.

Lösungsvoraussetzung ist so gut wie immer der gute Wille aller Gesprächspartner. Haben alle Beteiligten ein ehrliches Interesse an einem tragfähigen Ergebnis, findet sich dieses auch. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn beide Parteien Vorteile darin erkennen, auch in Zukunft mit dem Gegenüber zusammenzuarbeiten.

Wenn eine der Konfliktparteien ausschert oder über eine Hidden Agenda verfügt, stehen die Chancen für die Mediation schlecht. Das passiert, wenn einer der Partner die Mediation lediglich als untergeordnete Option sieht, wenn er etwa weiß, dass er organisatorisch, wirtschaftlich oder politisch ohnehin am sprichwörtlich längeren Ast sitzt.

»Studien zeigen, dass Führungskräfte ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit dem Bewältigen von Konflikten und deren Folgen verbringen. «

Wie groß können die wirtschaftlichen Belastungen für Unternehmen durch interne Konflikte sein?
Studien zeigen, dass Führungskräfte ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit dem Bewältigen von Konflikten und deren Folgen verbringen.

Interne Streitereien führen zu Reibungsverlusten in der Arbeitsorganisation, lassen Projekte scheitern und Kunden das Weite suchen. Die Konfliktkosten aufgrund gescheiterter und verschleppter Projekte können – je nach Unternehmensgröße – bis zu 100.000e Euros betragen.

Auf der interpersonellen Ebene können ungelöste emotionale Konflikte in kontraproduktivem Verhalten münden, die Gesundheit schädigen und zu Burn-Out führen. Die entstehenden Krankheits- und Fluktuationskosten sind enorm.

Was können Unternehmen präventiv tun, um Konfliktpotenzial zu vermeiden?
Ein wesentlicher Aspekt gelungenen Konfliktmanagements ist es, MitarbeiterInnen ihren Kompetenzen und Stärken entsprechend einzusetzen. Wer es schafft, Teams unter Berücksichtigung individueller Persönlichkeitsprofile zusammenzustellen, legt den Grundstein für gelungene Zusammenarbeit. Und setzt eine wertvolle Maßnahme gelungener Konfliktprävention.

Die Unterstützung der Mitarbeiter durch Persönlichkeitsentwicklungsmaßnahmen im Hinblick auf Zeit,-Stress- und Konfliktmanagement entfaltet eine positive Wirkung. Professionelles Coaching hilft Führungskräften, das eigene Verhalten laufend zu reflektieren, ungünstige Konfliktmuster aufzubrechen und das individuelle Konfliktmanagement zu optimieren.

»Ein Großteil der innerbetrieblichen Mediationen führt in zwei bis drei gemeinsamen Sitzungen zum Erfolg. «

Was kostet Unternehmen eine Mediation?
Die Kosten für eine Mediation betragen – je nach Qualifikation des/der Mediators/Mediatorin- zwischen 250 und 400 Euro pro Stunde. Ein Großteil der innerbetrieblichen Mediationen führt in zwei bis drei gemeinsamen Sitzungen zum Erfolg.