Auf der Erfolgswelle

Und plötzlich stand er ganz oben auf dem Podest: Mit Marco Lang holte zum ersten Mal ein Österreicher den Slalom-Sieg beim größten Windsurf-Event der Welt auf Sylt. Der Applaus aus der Heimat hielt sich dennoch in Grenzen - den Linzer Athleten überrascht das nicht

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Sport - Auf der Erfolgswelle

Er ist frischgebackener Weltcup-Sieger, hat einen Mitfavoriten bravourös geschlagen - Deutscher noch dazu - und sich längst einen Fixplatz in den Top Ten der Weltrangliste gesichert: Ingredienzen also, die normalerweise locker ausreichen, um hierzulande die Titelseite einer Zeitung zu füllen. Doch am Ende hat es nur für eine kleine Randnotiz in einem Regionalblatt gereicht. Wieder einmal. Denn Marco Lang ist nun mal kein Skifahrer und auch kein Fußballer. Lang krönte sich vor zwei Wochen und rund 200.000 Zuschauern beim Windsurf World Cup auf Sylt zu Österreichs erstem Windsurf-Weltcup-Sieger in seiner Paradedisziplin Slalom.

»Es gibt das Klischee, dass Surfen nur eine Funsportart ist und nichts mit Sport zu tun hat«

Er schreibt Sportgeschichte und darf trotzdem nicht auf tosenden Applaus hoffen. "Es gibt ja nicht viele Sportarten, wo Österreicher vorne dabei sind. Ich fahre für Österreich, bekomme aber trotzdem kaum Anerkennung", sagt der 31-Jährige, der zugleich amtierender Staatsmeister ist - seit vier Jahren. Starallüren sucht man bei ihm vergeblich. Netter Bursche von nebenan trifft es eher. "Es gibt nun mal das Klischee, dass Surfen nur eine Funsportart ist und nichts mit Sport zu tun hat. Ich trainiere ja nicht, ich surfe nur", sagt er fast ein bisschen hilflos. Längst hat er sich daran gewöhnt. Und trotzdem fügt er hinzu: "Das tut schon weh."

Seit fünf Jahren ist Lang Profi, seit drei Jahren kann er vom Sport leben. Sein erfolgreiches Abschneiden auf Sylt spülte ein Preisgeld von knapp 6.000 Euro und die ein oder andere Prämie seiner Sponsoren in die Kasse. Sieben Sponsoren hat er; Red Bull ist nicht dabei - noch nicht. Erste Kontakte gibt es aber mittlerweile.

Daheim am Traunsee

Aufgewachsen am Traunsee, stand Lang mit zwölf Jahren und unter Anleitung seines Opas das erste Mal auf einem Surfbrett. Seither ist das Wasser sein zweites Zuhause. Erste Amtshandlung in der Früh: die Windlage checken. "Ich fahre auch mal für einen Tag von Linz an den Neusiedler See." Maui, Südaustralien - das sind Sehnsuchtsorte für Surfer wie Lang. Dennoch sagt er: "Es gibt nichts Schöneres, als daheim am Traunsee zu surfen."

»Ohne Eltern ist kein Spitzensport möglich. Sie haben die Urlaube immer nach mir ausgerichtet«

Immer an seiner Seite: die Eltern, seine größten Sponsoren, wie Lang sagt - und das auch, aber eben nicht nur aus finanzieller Sicht meint. "Ohne Eltern ist kein Spitzensport möglich. Sie haben die Urlaube immer nach mir ausgerichtet." Christa und Bernhard Lang waren auch eigens in der Nacht angereist, um dabei zu sein, als ihr Sohn die Weltcup-Trophäe in den blauen Sylter Himmel reckte - und sich mangels Übung mit dem Öffnen der Magnum-Champagnerflasche für die obligatorische Schampusdusche mühte. Sie waren es auch, die dafür sorgten, dass der Sohn neben dem Sport eine Ausbildung absolvierte. Die Entscheidung fiel auf die Tourismusschule in Bad Ischl - Schwerpunkt Sport. "Aber vom Tourismus bin ich heute meilenweit entfernt", lacht Lang.

Vor fünf Jahren gab es den Punkt, wo er mit dem Sport aufhören wollte. "Wenn du immer nur drauflegst und nichts verdienst, denkst du irgendwann darüber nach. Als Einzelsportler ist es schwierig, in Österreich, an Geld zu kommen. Du bekommst erst etwas, wenn du erfolgreich bist." Also musste Lang vor allem selbst investieren: Ein Brett kostet rund 2.500 Euro, Segel, Mast und Gabelbaum noch mal 4.000 Euro. "Zehn Bretter und 15 Segel habe ich meist im Auto. Alles doppelt und dreifach. Da kommt schon ein kleines Sümmchen zusammen." Jenen, die ihm damals gut zugeredet haben, ja ihn fast dazu gezwungen haben, noch ein weiteres Jahr durchzuhalten, ist er heute dankbar. Ein Jahr nach dem Durchhänger kam der Durchbruch. Heute steht sein Name auf Rang acht der Weltrangliste. Eine Platzierung, die sich "ziemlich gut anfühlt"."Mein Ziel waren immer die top 16. Dann kannst du vom Windsurfen leben."

Immer unterwegs

Eine Woche ist er jetzt zu Hause in Feldkirchen an der Donau, dann geht es wieder auf Reisen. Nächste Station ist Maui auf Hawaii. Ein bisschen Urlaub, ein bisschen arbeiten. "Meine Freundin stellt sich mehr Urlaub vor", schmunzelt Lang. Die Urlaubserholung nimmt er mit nach Neukaledonien, wo Mitte November bis Anfang Dezember der letzte Stopp auf der Wettkampftour ist. Danach ein bisschen Weihnachtsurlaub, drei Monate Training auf Teneriffa und ein Fotoshooting auf Hawaii, bevor im April wieder die neue Saison startet. Zehn bis zwölf nationale und internationale Events fährt Lang pro Jahr. Am größten ist die Nervosität, wenn er vor heimischem Publikum auf sein Brett steigt.

Immer auf Reisen mit dabei: 200 bis 300 Kilogramm Gepäck. "Das ist jedes Mal am Flughafen mit Nervosität verbunden." Darf alles mit? Was kostet es diesmal - und vor allem: Kommt alles vollständig am Bestimmungsort an? Strecken bis 1.500 Kilometer legt er am liebsten in seinem VW-Bus zurück. Im Jahr kommen da gut und gerne 40.000 bis 50.000 Kilometer zusammen.

Und wenn er das nächste Mal hinter dem Lenkrad die Kilometer abspult, wird er sich auch Gedanken machen, ob es nicht wieder Zeit ist, etwas Verrücktes zu wagen. So wie vor drei Jahren, als er mit einem Freund fünf Meter vor einer 70 Meter hohen Gletscherwand in Patagonien gesurft ist. Ein großes, aber auch nicht ungefährliches Abenteuer. Lang weiß: Er muss spektakuläre Bilder produzieren, um Aufmerksamkeit zu erzielen -und um einen Platz jenseits der kleinen Randnotiz zu bekommen.

Windsurf World Cup Sylt 2017

150 Athleten aus 30 Nationen, vier Disziplinen, 120.000 Euro Preisgeld und mehr als 200.000 Besucher: Vom 29. September bis zum 8. Oktober versammelte sich die Weltelite beim 35. Mercedes-Benz Windsurf World Cup 2017 in Westerland auf Sylt, dem größten Windsurf-Event der Welt. Die Wettkampfbedingungen mit bis zu neun Windstärken und vier Meter hohen Wellen waren so gut wie seit Jahren nicht.