Marcel Hirscher: Steht
er vor dem Karriereende?

Marcel Hirscher muss sich entscheiden: Beendet er seine einzigartige Karriere, oder macht er weiter? Er selbst bezeichnet es als die "härteste Entscheidung meines Lebens". Ein gewichtiges Wörtchen wird wohl auch seine Ehefrau Laura mitreden.

von Wie geht es weiter? - Marcel Hirscher: Steht
er vor dem Karriereende? © Bild: imago images / Pacific Press Agency

Am Wochenende sicherte sich Marcel Hirscher mit dem sechsten Platz im Riesentorlauf und dem dritten Platz im Slalom von Kranjska Gora den achten Gesamtweltcupsieg in Folge. Die kleinen Kristallkugeln in den beiden technischen Disziplinen hat er schon länger fix in der Tasche.

Freilich gelang Hirscher mit der vorzeitigen Fixierung des Gesamtweltcups der große Coup, die Rennen selbst verliefen aber nicht wunschgemäß. Salzpistenpräparierungen bei Frühlingstemperaturen mag der Eis-Spezialist einfach überhaupt nicht. Bei der Pressekonferenz nach dem sonntäglichen Slalom traf Hirscher auf Henrik Kristoffersen - Salzliebhaber, Dauerrivale, Gewinner des Riesentorlaufs am Samstag und Zweiter des Slaloms am Sonntag hinter Ramon Zenhäusern. Der Norweger kommentierte annähernd jeden Satz des Salzburgers, stichelte ("Sei nicht so ernst"), versuchte ihn mit allerhand Argumenten zur Fortsetzung der Karriere zu überreden bzw. die Verbesserung des Weltcup-Siegrekordes von Ingemar Stenmark (mit 68 fehlen Hirscher noch 18) schmackhaft zu machen. "Ich habe dich noch nie so lustig erlebt", kam selbst Hirscher aus dem Lachen nicht mehr heraus.

© imago images / Pacific Press Agency Marcel Hirscher wirkte gelöst wie schon lange nicht

Die aufgelockerte Stimmung kam auch nicht ganz von ungefähr. Bei Hirscher war mit der Fixierung des achten Gesamtweltcupsieges am Tag davor eine große Last abgefallen. Er verglich das mit der letzten Prüfung nach jahrelangem Lernen. "Du bist so zufrieden, jede Last ist von deiner Schulter weg. Da ist es hart, die Motivation zu finden und die Energie", erklärte er seine Leistung im Rennen. "Und ich hasse salzige Bedingungen. Ich mag diese Frühlingslett'n wirklich nicht."

»Irgendwie ist es Zeit, dass es jetzt vorbei ist«

Zu Rang drei dürfe man ihm daher ruhig gratulieren, er habe nicht viel mehr rausholen können. "Es hat in der Früh beim Einfahren schon mit einer gescheiten Brez'n angefangen. Das ist mir in den letzten zehn Jahren nicht ein einziges Mal passiert. Irgendwie ist es Zeit, dass es jetzt vorbei ist. Es fällt einfach alles weg, wenn du so hinhackelst auf was. Das kennt eh jeder. Es ist eh jedes Jahr das gleiche. In Anbetracht der Umstände: dritter Platz, bist du wahnsinnig!"

Hirscher wird nun ein paar Tage Pause machen ("Ich muss schauen, wie es mir geht") und am Freitag zum Weltcupfinale nach Soldeu/Andorra fliegen. Dort stehen für ihn am Wochenende noch je ein Riesentorlauf und ein Slalom auf dem Programm. Zudem erfolgt wie immer die offizielle Vergabe der Kugeln, was auf der Rückreise wieder Übergepäck bedeutet. "Es war eine sehr gute Saison. Ich habe wirklich, wirklich sehr stark angefangen", blickte Hirscher auf den Winter zurück. Zehn Siege feierte er im Weltcup, beginnend mit dem Slalom am 18. November in Levi bis zu jenem am 29. Jänner in Schladming. Dazu kamen die Kugeln und WM-Medaillen. "Es war und ist eine gewaltig schöne Zeit. Ich bin extrem dankbar."

Wie geht es mit Marcel Hirscher weiter?

Wie es weitergeht? "Diese Entscheidung wird die härteste in meinem ganzen Leben werden. Im Moment kann ich nicht sagen, wohin es geht. In meinem Kopf spielt es im Moment verrückt." Er freut sich nach dem Finale erst einmal auf eine lange Zeit daheim. Danach wird der Familienvater berichten, ob er noch ein Jahr dranhängt.

»Im Moment kann ich nicht sagen, wohin es geht. In meinem Kopf spielt es im Moment verrückt«
© imago images / Pacific Press Agency Hirscher muss die "härteste Entscheidung seines Lebens" treffen

Trainer Pircher hält sich zurück

Marcel Hirschers Trainer Mike Pircher erklärte im APA-Gespräch, er habe keine Rolle in dieser Entscheidungsfindung. "So lange Marcel will, mache auch ich weiter, natürlich", ist dem Ski-Superstar der Rückhalt seines steirischen Wegbegleiters aber sicher. Hirscher hat im diese Woche zu Ende gehenden Weltcupwinter seine Ehefrau Laura und den gemeinsamen Sohn an die erste Stelle gestellt, an Trainingstagen eingespart und aus seinen Ressourcen geschöpft. Mit der Bilanz von zehn Saisonsiegen im Weltcup, der großen und zwei kleinen Kugeln sowie Gold und Silber bei der WM scheint dem Salzburger die Verbindung Beruf und Familie hervorragend gelungen zu sein, jedes geplante Rennen bestritt er auch. "Danke an Laura", sagte Hirscher.

"Marcel muss mit sich selbst und seiner Frau ausmachen, wie es weitergeht, er muss das für sich entscheiden. Ich werde nicht versuchen, ihn zu beeinflussen, das ist nicht meine Aufgabe. Wenn er aufhört, ist es die richtige Entscheidung und genauso, wenn er weiterfährt. Es gibt keine falsche Entscheidung, er muss sie nur für sich selbst finden", weiß Pircher. "Ich habe jetzt mehr als zehn Jahre mit ihm arbeiten dürfen. Wie es auch ausgeht, ich werde ihn voll unterstützen."

»Marcel muss mit sich selbst und seiner Frau ausmachen, wie es weitergeht«

Bis Pircher realisieren wird, dass die achte große Kristallkugel ins Hirscher-Lager gewandert ist, wird es dauern. "Echt unglaublich, wie in einem falschen Film. Die letzten acht Jahre sind sehr schnell vergangen, da hat man nie Zeit gehabt zum Nachdenken. Zum Realisieren, was er geleistet hat, braucht es die Zeit danach."