Verhandeln gegen den
Zwölf-Stunden-Tag

Offiziell geht es nur um Lohnerhöhungen. Tatsächlich steht bei den aktuellen Kollektivvertragsverhandlungen viel mehr auf dem Spiel

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KV-Verhandlungen - Verhandeln gegen den
Zwölf-Stunden-Tag

Auf den ersten Blick hat sich nicht allzu viel verändert. Der Ort ist der gleiche. Die Personen größtenteils auch. Vermutlich werden in den Pausen ähnliche Snacks und Getränke wie im Vorjahr gereicht. Und doch ist etwas gravierend anders bei der heurigen Herbstlohnrunde. Denn diesmal geht es um mehr als nur um Lohnerhöhungen für die Metaller.

Nicht, dass diese Zuschläge nichts wert wären. Die Verhandler der Arbeitnehmer – die beiden Gewerkschaften ProGe und GPA-djp – hoffen immerhin auf ein Plus von fünf Prozent. Der Wirtschaftsaufschwung und die verbesserte Auftragslage der Betriebe würden diese Forderung rechtfertigen, sagen sie. Die Arbeitgebervertreter kontern hingegen mit einem Angebot über 2,02 Prozent – nicht viel mehr als eine Inflationsabgeltung, wie die Arbeitnehmervertreter monieren.

Neues Gesetz

Und doch ist es nicht die Differenz in der Forderung, die den Verhandlungsführern zu schaffen macht. Das echte Problem dieser Kollektivvertragsgespräche liegt in der Arbeitszeit.

Denn der mit Anfang September gesetzlich legitimierte Zwölf-Stunden-Tag trübt die Stimmung und zwar ganz massiv. Immerhin hatten die Metaller nach langen Verhandlungsjahren erst vor kurzem eine Regelung zur flexiblen Arbeitszeit auf den Weg gebracht. Die Regierungsoffensive zum allgemeinen Zwölf-Stunden-Tag bringt nun aber neuen Gesprächsbedarf. Denn nach Meinung der Gewerkschaftschefs soll derjenige, der vom neuen Arbeitszeitgesetz profitiert, auch dafür zahlen.

Diese Einstellung sorgt für Verdruss bei den Unternehmern. Sie fühlen sich für gesetzliche Anpassungen bei der Arbeitszeit nicht zuständig und würden lieber nur über Lohnerhöhungen sprechen. Gleichzeitig verweisen sie aber auch darauf, dass die im Kollektivvertrag bisher vorgesehenen freien Tage für Hochzeit oder Umzug ebenfalls durchaus verzichtbar wären.

Im Verhandlungsloch

Es ist also kein Wunder, dass sich die Verhandler der Metallbranche derzeit in einem Verhandlungsloch befinden. Vier Gesprächsrunden sind ergebnislos vorüber gegangen. Und über allen weiteren Verhandlungen schwebt ein Damoklesschwert, denn die Gewerkschaft hat sich schon vor dem ersten Termin für alle Fälle einen Streikbeschluss besorgt. Zwischen 1. und 7. November sollen in den betroffenen Unternehmen außerdem immer wieder Betriebsversammlungen stattfinden – durchaus gedacht als Vorstufe für eine mögliche Arbeitsniederlegung.

Denn ursprünglich sollte der neue Kollektivvertrag bereits ab 1. November gelten. Nun aber wird erst am 8. November weiterverhandelt – wenngleich beide Seiten Gesprächsbereitschaft signalisieren, um nur endlich zu einem Ende zu kommen.

Das Vorbild

Wie sich diese Pattsituation auflösen lässt, ist unklar. Noch dazu wenn – nach guter alter Tradition – am Ende eine Einigung stehen soll, mit der beide Seiten zufrieden sind.

Dazu kommt, dass die Arbeitszeit nicht nur bei den Metallern ein Thema sein dürfte. Diese Woche starten die Kollektivvertragsverhandlungen im Handel und auch hier geht es zusätzlich um den Zwölf-Stunden-Tag. Immerhin, so Gewerkschafter Karl Dürtscher, seien verlängerte Dienste um die Weihnachtszeit wahrscheinlich und würden vor allem Frauen am Land mit Kinderbetreuungspflichten besonders betreffen.

Ziel der Arbeitnehmervertreter ist es, sowohl für Metall- wie auch Handelsbranche kollektivvertragliche Regelungen zu finden, die den Zwölf-Stunden-Tag zwar nicht rückgängig machen, ihn aber zumindest – auch finanziell – erträglich machen.

Das Thema dürfte allerdings noch weitere Kreise ziehen: Da der Zwölf-Stunden-Tag theoretisch für jede Branche in Österreich zutrifft, ist davon auszugehen, dass er im Laufe dieses Verhandlungsjahres noch öfters Thema am Verhandlungstisch sein dürfte. Damit könnte aber auch der Arbeitskampf zum Dauerzustand werden.

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