"Ich bin nicht immer lustig"

Jazz Gitti musste lernen, das Leben leicht zu nehmen - um nicht daran zu zerbrechen

In der ORF-Show "Dancing Stars" ist Jazz Gitti der Publikumsliebling. Sie lacht gerne, auch über sich selbst. Die Sängerin musste lernen, das Leben leicht zu nehmen - um nicht daran zu zerbrechen

von Menschen - "Ich bin nicht immer lustig" © Bild: News/ Sebastian Reich

Dank Ihrer launigen Performance avancierten Sie bei "Dancing Stars" rasch zum Publikumsliebling. Wie lustig ist das denn wirklich, wenn die Leute zwar wie wild für Sie klatschen, die Jury aber dennoch kaum Punkte gibt?
Es ist lustig, weil ich es mir lustig machen will, so schaut's aus. Natürlich möchte ich so graziös und schön wie die anderen sein, aber das ist nicht möglich, ich werde eben immer ausschauen wie der Hustinettenbär. Und was die Jury für einen Part hat, interessiert mich nicht, ich nehme das nicht tragisch. Die können doch nicht verlangen, dass ich wie eine Turniertänzerin tanze. Ich habe zwei Knieprothesen, das heißt, das sind gar nicht mehr meine eigenen Knie, sondern zwei Eisenstücke. Und zwei Schrauben im Kreuz habe ich auch, aber wurscht. "Gittl, ich will, dass du drinnenbleibst, dafür habe ich schon meine halbe Pension vertelefoniert" - so etwas schreiben mir meine Fans. Ja, was will ich denn mehr? Soll ich traurig sein und mich aufhängen, weil ich nicht mehr als zehn Punkte kriege? Das kann doch nicht sein!

Jazz Gitti und Willi Gabalier
© ORF/MILENKO BADZIC Jazz Gitti im ORF-Ballroom: Bei "Dancing Stars" avancierte die knapp 70-jährige Sängerin auf Anhieb zum Publikumsliebling

Zeitsprung: Blicken wir zurück in jene Tage, als die Jazz Gitti noch Martha Margit Bohdal hieß. Wie sehr haben Sie Ihre Kindheitserfahrungen als jüdisches Mädchen im Wien der Nachkriegszeit geprägt?
Vom zerstörten Wien habe ich kaum etwas mitbekommen, das war für mich ganz normal, ich wurde ja unmittelbar nach dem Krieg gezeugt und kannte die Stadt nicht anders. Also eigentlich war ich ein verwöhnter Fratz. Ich habe nie Hunger gelitten, die meiste Zeit hat man mich mit einer Knackwurst und einer Salzgurke gesehen. Aber als ich dreizehn war, ist meine Mutter plötzlich ins Spital gekommen. Als ich dann vierzehn geworden bin, ist sie gestorben. Das war der eigentliche Hammer in meinem Leben, denn genau genommen musste ich seit damals auf mich selber schauen.

»Meine Mutter sah, wie die Nazis ihren Bruder und meine Oma wegführten.«

Und wo war Ihr Vater?
Ich habe seine Veränderung damals nicht kapiert: Bis zum Tod meiner Mutter war er der beste Papi, den man sich vorstellen kann - aber mit meiner Mutter ist auch ein Teil von ihm gestorben. Die beiden waren ja fast wie eine Person. Meine Mutter war Jüdin, mein Vater nicht, er hat sie vor den Nazis gerettet, sonst hätte man auch sie vergast. Sie musste zusehen, wie sie den Mani, ihren jüngsten Bruder, und ihre Mutter, meine Oma, weggeführt haben, und konnte gar nichts machen.

Weggeführt - wohin?
Nach Auschwitz.

Und wie hat Ihre Mutter überlebt?
Ach, das ist eine lange Geschichte ...

Erzählen Sie.
Also, mein Vater wurde zur Wehrmacht eingezogen und hat sich am Anfang so deppert gestellt wie der Soldat Schwejk. Doch das hat ihm alles nichts geholfen, denn er war ein sehr guter Autofahrer -und so wurde er Chauffeur eines Offiziers, dessen Truppe nach Aachen versetzt wurde. Meine Mutter, die damals ja schon die Verantwortung für meine ältere Schwester Lisa hatte, nahm mein Vater heimlich mit nach Deutschland und versteckte sie und das Kind in einem Kloster. Als dort eine Scharlachepidemie ausbrach, starb meine Schwester -mit drei Jahren. Meine Mutter konnte das nicht fassen, glaubte, die Nazis hätten sie erwischt und verschleppt. Mein Vater ist nachts ins Leichenschauhaus eingedrungen, um ihr als Beweis die Ohrringerln meiner Schwester zu bringen. Danach ist meine Mutter so schwer gestürzt, dass sie sich beide Beine gebrochen hat und nicht mehr arbeiten konnte. Da sagten die Klosterschwestern, sie muss gehen.

Aber wohin?
Mein Vater nahm sich den Wagen seines Offiziers, fälschte die Marschpapiere, setzte meine Mutter ins Auto und brachte sie zurück nach Wien. Doch da haben sie schon gewartet, auf die Jüdin und den Deserteur. Mein Vater hatte aber rechtzeitig davon erfahren, und so sind sie beide sofort in den Untergrund. Sie haben sich in einem Lehmkeller in Atzgersdorf versteckt, bis der Krieg aus war.

Ohne ihren Unterschlupf jemals zu verlassen?
Aber nein, meine Mutter hat ja überhaupt nicht jüdisch ausgesehen, die war eine Urweanerin. Sie hat im Krieg als Kinokassierin in Atzgersdorf gearbeitet -ohne jemals einen gelben Stern zu tragen, das wäre ihr niemals eingefallen. So hat sie überlebt, aber fast ihre ganze Mischpoche war deportiert worden, und kaum wer kam lebend zurück. Auch nicht die Gittl, von der ich ja eigentlich meinen Rufnamen habe.

Wer war das?
Eine Verwandte meiner Mutter, sie hat in Russland gelebt und lange vor dem Krieg immer wieder Lebensmittelpackerln geschickt. Meine Oma hatte ja vier Kinder und kein Geld. Meine Mutter erzählte mir später, dass sich meine Oma, wenn sie einfach nicht mehr weiterwusste, das Leben nehmen wollte. Doch dann ist immer wieder als letzte Rettung so ein Packerl von der Gittl gekommen - und meine Mutter hat sich ganz besonders auf die Dosensardinen gefreut. Und weil ich als Baby fast immer gelacht habe und meiner Mutter so eine Freude machte, hat sie mich nach der Gittl benannt. Martha Margit heiße ich ja nur, weil meine Mutter mich unbedingt taufen lassen wollte. Sie hat mich auch nicht jüdisch erzogen, lange wusste ich ja gar nicht, was Juden sind. Ab und zu hat sie mir zwar schon jiddische Lieder vorgesungen, aber immer dazugesagt: "Sag es niemandem." Sie hatte stets diese Angst, dass der Hitler vielleicht doch irgendwann wieder zurückkehren könnte. Überhaupt plagten sie oft Ängste, das hat sie an mich weitergegeben und ich sogar noch an meine Tochter.

Wovor haben Sie Angst?
Ich fühle mich in der Dunkelheit nicht wohl, auch nicht in engen Räumen oder Aufzügen, aber das sind keine Phobien. Ich spüre oft Angst, wo es einfach keinen sichtbaren Grund gibt. Ich habe das nie erforscht und mir auch nie Hilfe geholt, denn ich habe im Laufe der Jahre gelernt, meine Sachen mit mir selbst zu regeln. Ich verberge nichts und rede über das, was mich bewegt. Wenn ich dann das Gefühl habe, dass es anderen ähnlich geht, weiß ich, dass ich normal bin.

»Eine alte Frau hat meine Mutter 'Saujüdin' geschimpft. Ich wusste nicht, was das bedeutet.«

Wie haben Sie den unverhohlenen Antisemitismus im Österreich Ihrer Jugend erlebt?
Meine Mutter war eine Kommunistin, die am 1. Mai stolz über die Reichsbrücke marschierte. Die Kommunisten haben ihr eine Chance gegeben, sie aus dem Keller befreit. Sie hat dann einen Usia-Konsum in Kaisermühlen geführt, das waren die Läden, die von den Russen als ehemaliges Eigentum des Deutschen Reichs beschlagnahmt worden waren. Einmal stand ich mit meiner Mutter vor dem Geschäft und wollte gerade die Rollläden herunterziehen. Da kam plötzlich eine alte Frau vorbei, schaute meine Mutter ganz böse an und sagte: "Du schiache Saujüdin, der Teufel soll dich holen!" Ich war damals so acht, neun Jahre alt und wusste nicht, was die da schimpft. Ich habe nur gesehen, dass meine Mutter blass wurde. "Saujud" oder "Trottel", das war für mich damals ja das Gleiche. Einmal habe ich von einer Freundin ein braunes Strickkapperl bekommen. Ich stand vor dem Spiegel und schaute, wie es mir steht. Plötzlich habe ich von hinten eine Watschen von meinem Vater bekommen: "So einen Hut wie die HJ-Madln brauchst mir nicht aufsetzen!" Ich hatte keine Ahnung, was er meint. Jahre später, im Kibbuz in Israel, kehrte ich einmal zusammen und sang dabei laut "Schwarzbraun ist die Haselnuss". Da kam eine ältere Frau und sagte: "Gitti, das ist doch ein Nazilied." Aber nach dem Krieg hat man über all diese Dinge bei uns ja kaum gesprochen, auch daheim in der Familie nicht.

Brachte es Ihre Mutter fertig, zu verzeihen?
Leute, von denen man wusste, dass sie Nazis waren, sind zu uns einkaufen gekommen. Der Nachbar fragte, warum wir denen überhaupt etwas verkaufen. Da sagte meine Mutter: "Es muss Schluss sein mit dem Hass. Ich schenke ihnen nichts, sie kaufen etwas, und die Sache ist erledigt, sie müssen ja auch leben." So war meine Mutter.

Woran ist sie gestorben?
Sie hatte ihr Leben lang nichts gehabt, musste stets Hunger leiden. Dann hatte sie auf einmal etwas zu essen - und hat auch viel gegessen. So wurde sie, wie später auch ich, Diabetikerin. Damals war diese Krankheit aber noch nicht so erforscht. Zwei, drei Mal hat man sie noch vom Tod zurückgeholt, doch dann war nichts mehr zu machen. Und ich war böse auf sie, weil sie mich verlassen hat. Das macht mich immer noch traurig, und ich kann bis heute nur sehr schwer mit Verlusten umgehen.

Sie erwähnten schon, dass der Tod Ihrer Mutter auch Ihr Verhältnis zum Vater belastete.
Der war nach diesem Verlust nicht mehr derselbe, absolut nicht. Er hatte dann eine Freundin, die war gerade zehn Jahre älter als ich, die hat er geheiratet, ließ sich dann wieder scheiden, heiratete sie aber noch einmal. Es gab immer Streitereien. Mit vierzehneinhalb bin ich dann nach Israel zu meinem Onkel, und nach einem halben Jahr schrieb mir mein Vater, ich soll zurückkommen. Das Kaffeehaus "Espresso Gitti" am Mexikoplatz, um dessen Übernahme sich noch meine Mutter gekümmert hatte, sollte eröffnet werden. Dort habe ich dann jeden Tag von acht in der Früh bis sieben am Abend gearbeitet, aber es war zwischen uns nicht mehr so wie früher. Mit siebzehn bin ich dann wieder nach Israel, diesmal für neun Jahre. Ich sagte meinem Vater, ich brauche ein Ticket, um die Hochzeit einer Cousine zu besuchen. Doch ich wusste, dass ich diesmal nicht mehr so rasch zurückkomme. Die Leute dort haben gehört, da ist eine Dicke aus Wien gekommen, die gut Boogie tanzen und dazu singen kann. Ich hatte dort ein lustiges Dorfleben.

Sie sagen "die Dicke". Gingen die Anspielungen auf Ihre Figur denn stets völlig spurlos an Ihnen vorüber?
Natürlich habe ich mich gekränkt. Wenn jemand zu mir garstig ist, packe ich das bis heute nicht. Ich kann sehr zornig sein, mich sehr kränken, dann weine ich - ich bin überhaupt nicht immer lustig. Je lieber ich wen hatte, je mehr ich wem vertraut hatte, desto mehr hat es wehgetan, wenn er mich gekränkt hat. Mittlerweile habe ich mir aber einen Puffer geschaffen, ich drehe mich um und gehe. Heute denke ich mir: Okay, du willst garstig sein, das kommt irgendwann zu dir selbst zurück, ich lasse nicht zu, dass ich so sein könnte wie du. Ich vergleiche das, was man mir sagt oder tut, dann immer mit etwas wirklich Schlimmem: Wenn ich mein Kind verlieren würde oder ein Enkelkind, das wäre schlimm. Wenn mich ein Mann verlässt oder ich verliebt bin und gekränkt werde, denke ich mir heute: Einen Mann kannst du austauschen - ein Kind nicht.

»Zuerst habe ich immer klar verwarnt und erst dann zugeschlagen«

Und früher, als Sie noch nicht so abgeklärt waren?
Wenn mich wer geschimpft hat, habe ich gesagt: "Halt die Goschen!" Wenn er nicht aufgehört hat, habe ich ihn vermöbelt, auch wenn es sich schon um einen älteren Burschen handelte. Als ich aus Israel wieder nach Wien zurückgekommen bin, fragte mich ein Taxler, der auch ein respektierter Prater- Strizzi war, plötzlich: "Sag, bist du die Bohdal-Gitti?" Und dann: "Weißt eh noch, Gittl, von dir habe ich gelernt, dass man Menschen, die anders aussehen, nicht schimpfen soll. Von dir habe ich die Hiebe meines Lebens gekriegt." Ich habe immer zuerst klar verwarnt - und erst dann zugeschlagen.

Und dann, als Künstlerin, flüchtete sich "die Dicke" in die öffentliche Rolle der ewig Lustigen, die sich nix pfeift?
Ich war schon immer die Lustige. Als meine Mutter noch lebte, hatten wir immer Gäste, immer Halligalli. Wenn alle beisammengesessen sind und mich meine Mutter schlafen schicken wollte, sagte ich: Moment, ich muss noch die Julischka tanzen. Und dann habe ich die dicken Haxen geschmissen und losgelegt: "Die Julischka, die Julischka aus Buda-budapest " Und alle waren entzückt: "Oh, dieses Kind, dieses Talent!" Wir sind auch oft zum Heurigen, da hat mir mein Vater ein Achtel -halb mit Wein, halb mit Kracherl -gegeben, und ich habe mich zu den Musikern gesetzt und mitgesungen. Die anderen Gäste fragten immer, was ich denn gerne hätte: erst eine Cremeschnitte, dann ein Paar Würstel oder den Bensdorp-Riegel mit Nuss, nicht den billigen, sondern den um zwei Schilling. Meine Mutter wollte dann immer, dass ich für sie "Mei Muatterl war a Weanerin" singe. Als ich nach ihrem Tod noch einmal mit meinem Papa beim Heurigen war und das Lied singen wollte, habe ich geheult wie ein Schlosshund.

Sie selbst sind ja sehr jung Mutter geworden.
Meine Mutter hat mir ein paar Sprüche auf meinen Lebensweg mitgegeben, und einer davon war: "Wer nicht schnackselt, kann auch nicht schwanger werden." Und so habe ich es auch gehalten. In Österreich habe ich mit den Burschen nur geschmust, wer mich begrapschen wollte, hat eine Watschen gekriegt. Dann, in Israel, ist es mit einem jungen Marokkaner passiert - ich war neunzehn und sofort schwanger. Das war eine schlimme Zeit, wir haben sofort geheiratet, doch in der Hochzeitsnacht hat mich mein Mann verprügelt. Angesoffen und jähzornig, so war er, aber eigentlich kein schlechter Mensch.Eine Zeit lang habe ich mir das angeschaut, aber dann bin ich zornig geworden und habe ihn so verdroschen, dass er schwor, mich nie mehr anzugreifen. Als ich dann meine Tochter Shlomit zum ersten Mal spürte, wusste ich: Jetzt muss ich Verantwortung übernehmen, ich habe für jemanden zu sorgen. Und die Shlomit war mein Leben lang meine beste Freundin.

Waren Sie mit Ihrer Situation nicht völlig überfordert?
Die Shlomit hat zwar manchmal gesagt, dass sie keine behütete Jugend gehabt hat. Als sie sechs war, sind wir zurück nach Wien, und ich musste sie ins Internat geben, weil ich als Kellnerin ja auch in der Nacht gearbeitet habe. Ich habe sie nie belogen, ihr immer die ganze Wahrheit gesagt. Sie hat immer gewusst, in welcher Situation wir sind. Die Shlomit war neun Jahre alt, da hatte ich drei Monate hindurch keinen Job. Da kam sie mit ihrem Ersparten zu mir und fragte mich, ob ich ihr den Rest für eine Glockenhose drauflege. Ich sagte ihr: "Shlomit, ich habe es nicht." Da hat sie ihr Geld genommen und in mein Brieftascherl gesteckt. Wenn es mit dem Geld recht knapp war, hat sie gesagt: "Ich gehe auf die Bank Scheiben putzen, so kommen wir auch zu Geld." Oh ja, die Shlomit taugt fürs Leben, die ist eine Checkerin, eine Macherin.

Dennoch klingt das so, als wäre die Beziehung zu Ihrer Tochter nicht immer ganz friktionsfrei gewesen.
Sie hat mir viel vorgeworfen: zu wenig Liebe, zu wenig Zeit. Ja, das hat sie gesagt -aber das glaube ich nicht. Wenn ich Kohle gehabt habe, dann hat mein Kind von mir alles bekommen, alles. Oh, wir haben gestritten, wir sind ja beide temperamentvoll. Aber als sie selbst bereits drei Kinder hatte, hat sie mich einmal angerufen und gesagt: "Mami, entschuldige, jetzt verstehe ich dich." Ich habe ihre Wünsche immer akzeptiert, aber ich habe einen riesengroßen Fehler gemacht: Ich hätte ihr mehr Grenzen setzen müssen. Wenn sie den Mistkübel trotz mehrmaligem Bitten nicht ausgeleert hat, dann habe ich es halt selber gemacht. Wenn ich ihr mehr Grenzen gesetzt hätte, wäre ihr vieles im Leben leichter gefallen.

Sie selbst lebten ja auch ziemlich grenzenlos. Ihre orgiastischen Auftritte mit der Undergroundband Drahdiwaberl sind Legende.
Durch die Zeit bei Drahdiwaberl bin ich bühnengeil geworden, der Stefan Weber war ein Genie. Wir hatten ja auf der Bühne nicht wirklich Sex; wenn sich der Weber auf mich draufgehaut hat, sagte er: "Gell, Gitterl, heut' hammas wieder lustig." Ich sagte nur: "Pass auf, dass du mir meine Netzstrümpfe nicht zusammenhaust."

Sie entwickelten sich vom Bürgerschreck zum Inbegriff österreichischer Gemütlichkeit. Wie schwierig war das vor dem Hintergrund dessen, was Ihrer Familie widerfuhr?
Aber das war doch nur ein Teil der Menschen, die Nachkommen können ja nichts dafür. Die Österreicher sind gute Menschen, ein gutes Volk, teilweise halt nur ein bisserl naiv, sonst würden jetzt nicht so viele dem Strache nachrennen. Ich bin aber eine begeisterte, patriotische Österreicherin, ich liebe dieses Land. Früher, als ich noch als Kellnerin arbeitete, dachte ich, es gibt in Österreich lauter Ang'schüttete, weil halt alle Wahnsinnigen bei mir im Lokal waren. Erst danach, als ich Karriere machte, habe ich gesehen: Aha, es gibt auch andere Leute. Die Menschen, die seit mehr als dreißig Jahren meine Fans sind, die lieben mich. Die ticken auch ähnlich wie ich, die verstehen meinen ganzen Wahnsinn und auch meine Offenheit.

Vor dem Hintergrund all Ihrer Erfahrungen - worauf kommt es denn im Leben wirklich an?
Das Beste daraus zu machen.

ZUR PERSON
Jazz Gitti wurde am 13. Mai 1946 als Martha Margit Bohdal in Wien geboren. Ihren heutigen Nachnamen, Butbul, hat sie von ihrem mittlerweile verstorbenen Mann, einem Marokkaner, den sie während eines mehrjährigen Aufenthalts in Israel heiratete. Dieser Beziehung entstammt Tochter Shlomit. Zurück in Wien, schlug sich Butbul als Kellnerin durch, ging mit einem Jazzclub pleite und startete unter dem Künstlernamen Jazz Gitti bei der Band Drahdiwaberl ihre Gesangskarriere, ehe sie sich als Solokünstlerin etablierte. Am 13. Mai veröffentlicht Jazz Gitti ihr neues Album "Gib net auf".

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