Til Schweiger: "Ich habe keine
Angst, Fehler zu machen"

Til Schweiger erklärt seinen Mut zu scheitern zum Erfolgsgeheimnis. Hin und wieder zwickt ihn zwar das Alter, doch seine Filme und Hotels halten ihn jung -und auch seine neue Hüfte

von Interview - Til Schweiger: "Ich habe keine
Angst, Fehler zu machen"
© Bild: imago images/Reiner Zensen

Sein Liebesglück macht schnell Schlagzeilen. Bei einer Boxveranstaltung in Hamburg zeigte sich Til Schweiger in Begleitung einer jungen Frau, und schon war zu erfahren: Sie ist 25 Jahre jung, Lehrerin und, so sein Kommentar zur "Bild"-Zeitung: "Es ist noch ganz frisch." Der 56-jährige Schauspieler und Regisseur ist nach der Trennung von Frau Dana, seinen Beziehungen mit Model Svenja Holtmann (2010 bis 2013), Regieassistentin Marlene Shirley (2014 bis 2016) und sechs Monaten an der Seite von Filmproduzentin Francesca Dutton also wieder vergeben. Geheiratet wird aktuell aber nur im Kino.

Nach seinem Erfolg mit "Klassentreffen 1.0" kommt Til Schweiger mit der Fortsetzung "Die Hochzeit"(ab 23. Jänner) ins Kino. Das deutsche Multi- Talent liefert damit ein "Feel Good"-Movie und macht den Flop der englischen Version des Kinohits "Honig im Kopf" ("Head Full of Honey") vergessen. Im Interview zieht Til Schweiger Bilanz. Und wirft einen Blick in die Zukunft.

News: Wann haben Sie zum letzten Mal einen Pornofilm synchronisiert?
Til Schweiger: (Lacht) Ich habe zwischen 1990 und 1994 Pornos synchronisiert. Seitdem nicht mehr.

Ursprünglich wollten Sie Lehrer werden, haben sich aber für die Schauspielerei entschieden. Haben sich die Erwartungen, die Sie damals an den Beruf hatten, erfüllt?
Meine Erwartungen haben sich vehement übererfüllt. Dazu muss ich sagen, dass ich gar keine großen Erwartungen oder Träume hatte. Als ich auf die Schauspielschule ging, habe ich allenfalls davon geträumt, mal in einem "Schimanski-Tatort" die Hauptrolle spielen zu können. Denn 1986 gab es eigentlich keine Filmindustrie in Deutschland. Vor allem für kommerzielle Filme, die vom Publikum goutiert worden wären. Die große Ausnahme war "Männer" von Doris Dörrie. In meinem Abschlussjahr habe ich mich ernsthaft gefragt, ob ich von dem Beruf überhaupt mal würde leben können. Die meisten Schauspieler waren arbeitslos. Ich wollte versuchen, beim Fernsehen unterzukommen; an Kinofilme habe ich damals überhaupt nicht gedacht. Da war ich 27 und dachte, ich gebe mir Zeit, bis ich 30 bin. Wenn ich bis dahin einen Fuß in die Tür kriege, mache ich weiter; und wenn nicht, studiere ich Germanistik und werde Lehrer.

» Ich hatte schon immer einen guten Lauf bei den Mädels«

Es gibt die Klischeevorstellung, dass vor allem der Wunsch nach viel Geld, Ruhm und Sex einen motiviert, Schauspieler zu werden. Sie auch?
Ich komme aus Gießen. Und in Gießen kommt man 1986 nicht auf die Idee zu sagen: "Ich will jetzt reich und berühmt werden!" Und was den Sex betrifft: Ich hatte schon immer einen guten Lauf bei den Mädels. Auch als ich nicht auf der Schauspielschule war. Das war also nicht der Antrieb. Und an Ruhm war gar nicht zu denken. Im Gegensatz zu heute: Fast jeder will ja Influencer werden oder Model oder Schauspieler. Und oft auch aus dem falschen Antrieb. Nämlich nur, um berühmt zu sein. Wenn die denken, dass das so erstrebenswert ist, sollen sie es ruhig versuchen. Die Chancen sind allerdings eher gering.

Was also war Ihr Antrieb?
Mir hat die Schauspielerei Spaß gemacht. Allerdings habe ich bald gemerkt, dass mir das nicht reicht. Denn ich wollte Geschichten erzählen, die ich selbst geschrieben habe und die ich als Regisseur auch inszeniere. Das ist mein eigentlicher Antrieb: Die Freude an den Dingen, die ich mache!

Sie sind Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor, Produzent. Sie entwerfen aber auch Kaschmir-Pullover, haben einen Online-Shop, ein Hotel, ein Restaurant, eine Lodge in Südafrika und bald auch die MS Barefoot, ein Restaurant-Schiff. Die Filmarbeit füllt Sie offensichtlich nicht aus...
Ich habe eben sehr viele Ideen und kreiere sehr gerne Dinge. Ich rede nicht, ich mache! Wie ich das alles unter einen Hut kriege? Indem ich mit vielen tollen Leuten zusammenarbeite. Ich produziere einen Film ja nicht alleine! Wenn ich einen Film mache, dann bin ich hundertprozentig dabei und blende alles andere aus, bis auf meine Kinder. Aber sonst bin ich offen für neue Vorschläge und Ideen. Wenn man auf mich zukommt und mir etwas anbietet, das mich interessiert, dann greife ich natürlich zu. Das sage ich auch immer meinen Kindern: Ihr müsst die Chancen erkennen, die euch das Leben bietet. Und wenn sie euch gefallen - nutzt sie!

»Ich habe auch keine Angst, Fehler zu machen«

Dazu gehört auch viel Mut.
Sicher. Ich bin mutig. Ich habe auch keine Angst, Fehler zu machen. Man muss nur zu seinen Fehlern stehen. Und daraus lernen. Es gibt ja dieses Sprichwort: "Nur wer wagt, gewinnt!" Viele Menschen trauen sich nicht, etwas zu wagen und vielleicht auch Fehler zu machen. Leider ist dann genau bei denen die Schadenfreude sehr groß, wenn jemand anderer etwas gewagt hat und dabei auf die Nase gefallen ist. Das Wort "Schadenfreude" gibt es übrigens nur im Deutschen. Im Englischen haben sie das Wort einfach übernommen. Sollte man aber Erfolg haben mit dem, was man macht, dann wird man von denen beneidet. Schadenfreude und Neid gehören immer zusammen.

Sprechen wir über Ihren neuen Film "Die Hochzeit". Da geht es vor allem um Liebe und Freundschaft. Was wiegt denn für Sie schwerer?
Im Idealfall hat man ja mit dem Partner, den man liebt, auch eine Freundschaft. Ansonsten ist das Wichtigste im Leben für mich die Freundschaft. Liebe vergeht. Freundschaften bleiben. Freunden gegenüber ist man auch toleranter. Man sieht sie ja auch nicht jeden Tag!

Sie äußern oft in den sozialen Medien Ihre Meinung und nehmen kein Blatt vor den Mund. Dafür bekommen Sie schon mal den ein oder anderen Shitstorm ab. Haben Sie das Gefühl, dass man hierzulande noch alles sagen kann?
Der Handballer Stefan Kretzschmar hat schon vor ein paar Jahren gesagt, dass es in Deutschland nur eine "gefühlte Meinungsfreiheit" gibt. Und hat dafür einen riesigen Shitstorm bekommen. Er war da wohl seiner Zeit voraus. Natürlich darf man in Deutschland alles sagen, was man will. Per Grundgesetz ist die Meinungsfreiheit ja garantiert. Allerdings muss man mit den Konsequenzen leben. Leider ist es so, dass oft nicht geschätzt wird, wenn man öffentlich seine ehrliche Meinung sagt.

Gerade ging eine Dekade zu Ende. Was waren denn für Sie die Hochs und Tiefs in dieser Zeit?
Zu den Höhepunkten gehören auf jeden Fall meine Filme "Kokowääh 1 +2" und natürlich 2014 "Honig im Kopf". Der Film hatte über 7,4 Millionen Zuschauer. Ein Tiefpunkt war sicherlich die ungerechtfertigten Rezensionen von "Head Full of Honey" in Amerika. Was dort gelaufen ist, möchte ich nicht weiter kommentieren. Privat gab es viele Höhepunkte. Menschen, die ich kennengelernt habe, die Zeit mit meinen Kindern, Beziehungen, die lange sehr, sehr schön waren.

»Ich mache keine Pläne«

Welche Pläne haben Sie für die folgenden Jahre?
Ich mache keine Pläne, weil es eh so kommt, wie es kommt. Wünschen kann man sich viel, aber ob das in Erfüllung geht? Das heißt nicht, dass man nicht träumen soll. Aber ich versuche, realistisch zu träumen. Ich hoffe einfach, dass mir auch weiterhin gute Geschichten einfallen. Und dass ich noch den ein oder anderen guten Film machen oder das ein oder andere Hotel oder Schiff-Restaurant eröffnen kann.

Woher nehmen Sie die Energie für diese Projekte?
Ich bin so auf die Welt gekommen. Mit 19 hat mein Hausarzt zu mir gesagt: "Til, du stehst ständig so unter Strom - du musst Tai Chi oder Yoga machen, um etwas runterzukommen." Habe ich dann auch probiert, hat aber nicht funktioniert. Es ist ganz einfach: Ich liebe das, was ich mache. Daraus ziehe ich viel Energie.

Das zu machen, was man machen will, ist auch ein Teil vom Glück.
Ganz genau. Das habe ich auch immer zu meinen Kindern gesagt. Sucht euch einen Beruf aus, der euch Freude macht. Nicht den, der euch das meiste Geld bringt, oder den, der gesellschaftlich am höchsten angesehen ist. Sondern macht das, was euch glücklich macht.

Sie haben vor einiger Zeit wieder Ihre Fühler nach Hollywood ausgestreckt und den Thriller "Run of the Hitman" mit Bruce Willis gemacht.
Leider nicht. Die Dreharbeiten wurden zweimal verschoben und dann hat Bruce Willis für einen anderen Film zugesagt. Seitdem liegt der Film auf Eis und soll nun im April gedreht werden. Die Verschiebung war eine große Enttäuschung, denn ich hatte schon meinen ganzen Text gelernt. Da Englisch ja nicht meine Muttersprache ist, musste ich wochenlang vorher anfangen, mir den Text einzuhämmern. Das hat perfekt geklappt. Vier Tage vor Abreise in die USA kam dann die Absage. Jetzt sind die Dreharbeiten für April anvisiert und ich weiß nicht, ob ich dann zeitlich zur Verfügung stehen kann, da ich ein eigenes Projekt vorbereite.

»Vor eineinhalb Jahren habe ich eine neue Hüfte bekommen«

Wie kommen Sie, als bald wieder aktiver Action-Star, mit dem Älterwerden zurecht?
Ganz gut. Es zwickt halt immer mehr. Zuerst die Schulter, dann der Rücken, dann habe ich vor eineinhalb Jahren eine neue Hüfte bekommen. Sonst? Ich habe auch heute noch dieselbe Energie und Leidenschaft, dieselbe Lebensfreude, dieselben starken Emotionen wie früher. Ich fühle mich innerlich keinen Tag älter als 23.

Und wenn Sie mal einen "Bad Hair Day" haben? Oder schlechte Laune?
Bei einem Bad-Hair-Day ziehe ich einfach eine Wollmütze über.

Und wenn Sie in ein schwarzes Loch fallen: Wie ziehen Sie sich da selbst wieder heraus?
Nach dem Misserfolg von "Head Full of Honey" war ich wirklich sehr traurig. Ich hatte zwar keine Depressionen, denn dazu neige ich von meinem Charakter her nicht, doch ging es mir eine Weile wirklich schlecht. Ich habe mich schließlich durch neue Arbeit wieder aus dem seelischen Tief herausgeholt. Und mit dem Drehbuchschreiben von "Die Hochzeit".

Ihre Ex-Frau Dana hat vor Kurzem ein Buch über ihr Leben geschrieben. Wann schreiben Sie denn Ihre Autobiografie?
Dazu habe ich überhaupt keine Lust. Vielleicht ändert sich das ja mal, aber ich schaue, ehrlich gesagt, gar nicht so gerne in die Vergangenheit. Ich lebe im Hier und Jetzt. Wenn ich gefragt werde, ob ich auf mein künstlerisches Schaffen stolz bin, kann ich das schon mit Ja beantworten. Aber ich liege nicht nachts im Bett und denke, wie toll das alles war. Und wenn ich zum Beispiel an meine Kinder denke, als sie klein waren und so süß, dann pushe ich das auch wieder weg, denn da werde ich schnell sehr melancholisch.

» Ich weiß ganz genau, wie das Filmbusiness funktioniert«

Wenn Sie irgendwann doch mal einen Gang herunterschalten, werden Sie dann vielleicht Ihren Traum von einer eigenen Schauspielschule verwirklichen?
Das würde ich sehr gerne machen. Letztes Jahr hat mich Wladimir Klitschko eingeladen, um vor seiner Abschlussklasse an der Universität von St. Gallen zu sprechen. Wladimir hat dort über seine Erfahrungen gesprochen, die er all die Jahre im Boxsport gesammelt hatte. Und zwar vor Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft. Die waren zwar mit ihrer Arbeit ziemlich unglücklich, hatten aber nicht den Mut, etwas Neues zu beginnen. Es war also ein Studiengang, der darauf abzielte, den Mut zu schärfen, etwas Neues zu wagen. Da hatte ich einen Auftritt als Abschlussredner. Und danach habe ich mich mit den Studenten unterhalten und die waren alle erleuchtet: nicht von meinem Vortrag, aber durch den Studiengang. Das war für mich eine echte Inspiration.

Kann man jemandem die Schauspielerei wirklich beibringen?
Nein, kann man nicht. Dazu gehört vor allem Talent. Und damit wird man geboren. Oder eben nicht. Aber ich könnte den Leuten zeigen, was man sonst noch braucht, um beim Film Karriere zu machen. Ich weiß ganz genau, wie das Filmbusiness funktioniert, und dieses Wissen kann ich ganz konkret und sehr pragmatisch weitergeben. Das haben wir mit dem von Heiner Lauterbach ins Leben gerufene Projekt "Meet your Master" auch schon umgesetzt. Da kann man sich online sogenannte Master-Classes über verschiedenste Themen kaufen. Ich lehre Filmemachen, Heiner Lauterbach Schauspielerei und Alfons Schuhbeck Kochen.

Wenn Ihr Leben ein Film wäre - was wäre der Titel?
Das ist einfach: "Der bewegte Mann".

ZUR PERSON

Til Schweiger Schweiger kam 1963 als mittlerer von drei Brüdern zur Welt und wuchs in Gießen auf. Nach der Schauspielschule und einer Rolle in der "Lindenstraße" gelang ihm der Durchbruch mit Filmen wie "Manta, Manta" oder "Knockin' on Heaven's Door". Später reüssierte er auch als Regisseur ("Keinohrhasen") und mit seiner Produktionsfirma. Der vierfache Vater engagiert sich u. a. gegen Kinderarmut. Schweiger lebt in Hamburg

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 4/20

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