Kosak-Florett statt Kanzler-Flex

Er war einer von „Rosi & Kosi“, dem bemerkenswerten Interview-Podcast. Er hat verhindert, dass Elli Köstinger noch mehr Falsches sagt. Nun ist Daniel Kosak Pressesprecher von Karl Nehammer. Und was geschieht mit den Accounts von Sebastian Kurz?

von Kosak-Florett statt Kanzler-Flex © Bild: Gleissfoto

Es wird auf jeden Fall humorvoller: „Noch nicht einmal im Amt, und schon vier Jahre jünger“, twitterte der 49-jährige Daniel Kosak einen Artikelschnipsel über seinen Wechsel vom Landwirtschaftsministerium ins Bundeskanzleramt als Pressesprecher für Karl Nehammer. Und es wird stilvoller. Denn er gab die Quelle der falschen Altersangabe nicht öffentlich preis.

Solch augenzwinkernde Zurückhaltung war Gerald Fleischmann, dem Medienbeauftragten von Sebastian Kurz, fremd. Ein Virtuose mit dem Vorschlaghammer: am Telefon explosiv, auf Twitter blockierend. Dafür reichte die Schuldvermutung. Die Beileidskundgebungen für Elisabeth Köstinger sind zwar fast durchwegs Krokodilstränen, aber berechtigt. Sie verliert ihre beste Stimme.

Angesichts des Flex-geprägten Images des Neokanzlers mag es überraschen, dass er ihr diesen Florettfechter wegnimmt. Doch der Großteil von Nehammers politischem Leumund ist seinen Anforderungsprofilen als Generalsekretär von ÖAAB und ÖVP sowie Innenminister geschuldet. Er hat sie mit der Disziplin des Berufssoldaten ausgefüllt, kann aber auch Pragmatik. Sein Anredezusatz für „alle Menschen, die in Österreich leben“ ist ein erster Hinweis dazu. Seinen Pressesprecher hat der neue Regierungschef wohl schon als Leiter der Abteilung Kommunal in der ÖVP Niederösterreich schätzen gelernt.

Denn Kosak war bis zu seiner Berufung ins türkise Kabinett 14 Jahre Kommunikationschef des Gemeindebundes und ist „Österreichs wohl bekanntester Vizebürgermeister“ (© ORF-Journalistin Julia Ortner). Das verdankt er nicht Altlengbach, sondern Twitter, wo er serviceorientiert und humorvoll mit viel Fachwissen brilliert. Für 9.500 Follower. Sein neuer Chef hat dreimal so viele – dazu noch 44.000 Abonnenten auf Facebook und 23.000 auf Instagram. Damit liegt er aktuell hinter allen anderen Parteichefs.

Insbesondere Herbert Kickl ist mit 170.000 Likes und 230.000 Abos (bei ihm klaffen diese Werte am weitesten auseinander) auf Facebook weit voraus, wo auch Pamela Rendi-Wagner mittlerweile über eine sechsstellige Gefolgschaft verfügt. Kurz hingegen hat auf diesen drei Plattformen eine digitale Heerschar von 1,86 Millionen hinter sich. Daraus ergeben sich für seinen neuen Parteichef sowohl eine strategische als auch eine operative Kommunikationsfrage: Wagt Nehammer die Aufholjagd auf Social Media und gewichtet dadurch zwangsläufig seine Öffentlichkeitsarbeit entsprechend?

Kurz hatte seinen Aufstieg 2016 noch als Außenminister parallel zur Präsidentschaftswahl vor allem via Twitter und Facebook (FB) befeuert. Er verdreifachte damals in nur acht Monaten seine FB-Fanzahl auf 300.000. Also weit mehr als jeder heute aktive Parteichef. Solch ein rasanter Zuwachs in dieser Dimension benötigt viele Ressourcen – an Geld und Personal. Sie dienten vor allem dazu, mit Heinz-Christian Strache gleichzuziehen. Ausgerechnet rund um das Ibiza-Skandalvideo im Mai 2019 war das mit 800.000 gelungen. Nun steht der FB-Site des Ex-Kanzlers das gleiche Schicksal bevor wie jenes seines einstigen Vize.

Sie, der Twitter- und der Instagram-Auftritt werden wohl deaktiviert. Denn sie gehören der ÖVP, aber die Umbenennung auf Nehammer ist nicht möglich. Ein Millionengrab, das Zweifel schürt, ob die Partei sich nochmals solchen Aufwand antun soll. Doch der Wettbewerb in diesen Netzwerken ist wichtig. Hier die klügste Lösung zu finden, ist nicht Aufgabe eines Pressesprechers. Doch dass „His Master’s Voice“ auch auf Social Media kompetent ist, war bei seiner Auswahl mitentscheidend. Denn für den Kanzler und Parteichef geht es um „das Beste aus beiden Welten“: der neuen türkisen und der alten schwarzen ÖVP. Ein „Kommunikator aus Leidenschaft“ – so Kosak über sich – erfüllt diesen Anspruch.