Chill den Henssler

Steffen Henssler ist einer der bekanntesten Köche im deutschsprachigen Fernsehen. Dafür, dass ihn Kochen früher nicht interessiert hat, ist der Mann aus Hamburg ziemlich erfolgreich unterwegs. Jetzt kommt er mit der Live-Show "Henssler tischt auf" nach Österreich

von Steffen Henssler © Bild: VOX / Philipp Rathmer

"Mmmmh", macht das Publikum und kann sich nicht sattsehen an dem, was der deutsche Fernsehkoch Steffen Henssler in seiner Fernsehküche fabriziert. Kosten dürfen aber nur die, die in der Jury sitzen. Wobei der 44-jährige Küchenstar in der ziemlich langen und ziemlich hektischen TV-Show "Grill den Henssler" auf Vox eh kaum kocht. Vielmehr macht er den Alleinunterhalter, wirbelt durchs Studio, verkleidet sich oder lässt sich zwischendurch von einem Barber rasieren, während auf dem Studioherd das Nudelwasser blubbert. Seine Mitspieler nennt er "Hase" oder "Schatzi", that's entertainment.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Tim Mälzer zählt der Norddeutsche zu den bekanntesten Köchen im Fernsehen. Henssler besitzt zwei Lokale in Hamburg und hat rund um seine Person eine eigene Marke aufgebaut. Kochschule, Fernsehen, Bücher und Tourneen: Die Maschine brummt. Mit seiner Live-Show "Henssler tischt auf" füllte er gleich zweimal die Wiener Stadthalle F. Um so weit zu kommen, muss man nicht nur kochen können, man muss auch Entertainer sein.

"Das ist eines der Geheimnisse, warum's bei mir so läuft: dass ich keine Angst vorm Scheitern habe", sagt Steffen Henssler. Er sitzt - ungewohnt im hippen Schlabberpulli statt in der weißen Kochweste - auf dem Sofa eines Wiener Luxushotels, schaut aus braunen Rehaugen und macht glaubwürdig solche Ansagen. Authentizität dürfte ein weiteres Erfolgsrezept des Starkochs sein. Genau wie Humor. Wie bitte? Seit wann kommen die Lustigen aus Hamburg? "Vielleicht ist es die entspannte, lockere Art, nicht gleich so exaltiert und snobby zu sein; erstmal ein bisschen sutje", vermutet Henssler in seiner norddeutsch-schnoddrigen Art. "Sutje" klingt zwar italienisch, ist aber plattdeutsch und bedeutet gemütlich, chillig. Das hätte man dem Hektiker aus der Fernsehküche gar nicht zugetraut.

© Christopher Wurmdobler News-Reporter Christopher Wurmdobler mit Koch-Entertainer Steffen Henssler

Sind Sie inzwischen ein Tourismusfaktor für Hamburg, Herr Henssler?
Total. Ganz viele Touristen, auch extrem viele Österreicher, planen ihren Hamburg-Wochenendtrip so: Sie gucken sich ein Musical an, besuchen das Miniatur-Wunderland und gehen zum Henssler essen oder machen einen Kochkurs in meiner Kochschule. In beiden Restaurants merkst du: Freitag, Samstag sind 80 Prozent Touristen da. Die Leute buchen jetzt schon für kommendes Jahr!

Wie lang sollte man vorbuchen, um "beim Henssler" einen Tisch zu bekommen?
Am Wochenende haben wir schon sechs bis acht Wochen Vorlauf, wenn man um acht Uhr kommen will. Wir reservieren in zwei, manchmal sogar drei Staffeln. Unter der Woche reicht eine Woche vorher.

Sie stehen aber nicht mehr selbst in der Küche?
Doch, doch! Das Menü wird mit mir abgesprochen. Und wenn ich in Hamburg bin, springe ich auch ein: ein Abend in dem Laden, ein Abend im anderen, teilweise auch in beiden an einem Abend. Es sind alles Rezepturen, die ich mitentwickelt habe. Mein Küchenchef, der sich ums Henssler und die Kochschule kümmert, ist seit 16 Jahren bei mir. Der im anderen Restaurant ist schon sieben Jahre da. Die Leute verdienen alle gutes Geld bei mir, gute Leute müssen auch gutes Geld verdienen.

Wieso?
Wenn du als erfolgreicher Koch im Fernsehen den Hampelmann machst, kannst du nicht hintenraus sagen: "Willst du 'n Fuffi mehr? Schön malochen und wenig Geld!" Die verdienen alle gut, deswegen arbeiten sie auch lange für mich.

Würden Sie um Ihren Ruf fürchten, wenn Sie Ihre Leute schlecht bezahlen?
Das ist mir völlig wurscht. Ich habe selbst einen sozialen Anspruch.

Schlechte Erfahrungen gemacht?
In der gehobenen Gastronomie kommt es oft vor, dass sich die Leute für 900 Euro netto im Monat den Arsch aufreißen. So was kann ich nicht nachvollziehen. Ich bin gut zu meinen Leuten. So kann ich hier sitzen, ein Interview geben und weiß: Heute Abend im Restaurant passt trotzdem alles.

Handschlagqualität nennt man das wohl. Steffen Henssler dürfte so ein Typ sein, der mit jedem gut zurechtkommt. Aber so eine Karriere bastelt man sich nicht nebenher, Ehrgeiz gehört auch dazu. Weshalb die Geschichte vom Lottogewinn 1999 ganz gut passt, 44.000 Mark, die er nicht auf den Putz haute, sondern in eine Ausbildung an der Sushi-Akademie in Los Angeles investierte.

Als Henssler neun Jahre alt war, starb seine Mutter und er kam zum Vater, der in Norddeutschland ein Lokal hatte. Der Bub begann mitzuhelfen, sortierte Getränkekisten, machte Telefondienst, räumte Sachen weg. Als er älter wurde, kellnerte er ein bisschen. In der Küche einzuspringen, kam Henssler damals erstaunlicherweise nicht in den Sinn.

Wieso haben Sie als Jugendlicher nicht gekocht?
Ich war nie so einer, der bei der Oma am Rockzipfel hängt und sagt: "Ich will den Kuchen mitbacken." Ich hab gegessen. Kochen hat mich überhaupt nicht interessiert. Vorne mit den Leuten, Wein einzuschenken, mich da zu bewegen, da war ich in meinem Element. Mir war klar, dass ich auch Restaurantchef werden will, als ich mit 16 die Schule beendet habe. Mein Vater meinte, dass Koch eine gute Grundausbildung ist: Wenn du ein richtig guter Restaurantchef werden willst, musst du wissen, was in der Küche passiert. Ich habe dann ein paar Tage in der Küche mitgemacht. Das war okay, aber nicht die Offenbarung. Dann habe ich in einem Sternerestaurant in der Pampa meine Kochlehre begonnen. Nach vier Monaten wurde dort der Thorsten Ambrosius Küchenchef. Das war mein Glück. Er kam gerade von Eckart Witzigmann (deutscher Sternekoch, Anm.) und es war seine erste Küchenchefstelle. Warum auch immer hatte er mich ausgeguckt, seine rechte Hand zu werden. Weil er so eine Leidenschaft hatte, hat er bei mir was geweckt und ich habe diese Freude am Kochen gewonnen. Im zweiten Lehrjahr hatte ich dann schon meinen ersten eigenen Lehrling, und wenn Thorsten nicht da war, habe ich so ein bisschen die Küche geführt. Diese knapp drei Jahre mit ihm haben mich echt geformt.

Trotzdem hatten Sie einen Vierer im Berufsschulzeugnis.
Wir hatten damals einen Stern und zum Schluss 18 Punkte im "Gault-Millau" - zwei, drei Hauben oder was das in Österreich ist. Die Art und Weise, wie wir gekocht haben, hat sich komplett von dieser klassischen Küche in der Berufsschule unterschieden. Ich habe die theoretische Prüfung echt nur mit Ach und Krach bestanden. Praktisch haben sie bei mir ein paar Sachen moniert. Ich musste zum Beispiel eine Broccolisuppe kochen. Die wollten sie mit Stücken haben und ich hab eine Schaumsuppe gemacht, das fanden sie ganz komisch. Das Gratin hab ich mit Thymianspitzen gemacht, das kannten sie auch nicht. Sie waren ein bisschen damit überfordert, wie ich die Gerichte ausgelegt habe. So kam es, dass ich "ausreichend/ausreichend" im Zeugnis stehen habe.

»Kulinarisch ist das hier in Österreich ein anderes Level«

In Österreich muss man in der Kochausbildung ein ganzes Tier zerlegen.
Das merkt man aber auch. Wir hatten in der Kochschule nur eine Rinderkeule, an der wir uns probieren konnten. Kulinarisch ist das hier in Österreich ein anderes Level.

Nach seiner Kochlehre und der Ausbildung zum "Professional Sushi Chef" eröffnete Henssler 2001 mit seinem Vater in Hamburg sein erstes Restaurant - kurz vor den Anschlägen auf das World Trade Center und schlecht fürs Geschäft. Denn nach 9/11 wollte erst einmal niemand mehr ausgehen und feiern. Schließlich begann das Lokal aber zu laufen, nach zwei Jahren kam der wirtschaftliche Erfolg; 2005 holte ihn das Fernsehen.

Wären Sie nicht "Starkoch" geworden, wären Sie dann überhaupt noch Koch mit eigenem Restaurant?
Die ersten Jahre stand ich jeden Tag 14,16 Stunden in dem Laden, auch am Wochenende. Ich hab da malocht, dass die Heide wackelt, weil ich wollte, dass es ein Erfolg wird. Klar wäre ich beim Kochen geblieben. Aber ich hatte immer das Gefühl, da geht noch was. Ich hab gespürt, dass ich noch nicht am Ende meines Weges bin.

Dann kam der Plan, berühmt zu werden?
Nein! Ich hatte nie den Plan, ins Fernsehen zu kommen. Als es da losging mit Tim Mälzer oder Jamie Oliver, hab ich nicht gedacht: "Wow! Das wär doch was für dich." Das hatte ich gar nicht auf dem Schirm.

Fanden Sie Jamie Oliver cool?
Klar fand ich den interessant. Der hat was ganz anderes gemacht. In Kochshows sah man ja damals eher so Leute wie Johann Lafer, die ein bisschen bedächtig waren. Wo es auch mehr ums Kochen ging und gar nicht um Halligalli. Aber ich hab nie gedacht, dass ich da hin muss. Das hat sich erst ergeben, als die Kamera anging.

Sie waren aber auch in Ihrem Lokal Entertainer?
Das ist ein Riesenladen, 120 Plätze mit offener Küche. Du siehst alles. Aber ich habe keine Show gemacht. Und wenn mich das Fernsehen nicht entdeckt hätte, würde ich da wohl immer noch stehen.

Neben dem Vierer im Abschlusszeugnis und dem Lottogewinn ist auch der Führerscheinentzug wegen Schnellfahrens immer gerne Thema, wenn es um Ihre Vergangenheit geht. Wenn Sie jetzt als Temposünder erwischt würden ...
... würde ich es nicht mehr erzählen!

»Am Wochenende weggehen, mit den Jungs ein bisschen feiern - das hat sich erledigt«

Die "Bild-Zeitung" würde es sicher rausbekommen. Ist Ihr Leben mit der Öffentlichkeit schwieriger geworden?
Na logisch, man wird ständig beobachtet. Am Wochenende weggehen, mit den Jungs ein bisschen feiern - das hat sich erledigt. Aber das ist "part of the deal". Ich mache schon noch meine Sachen, aber ich mache die im stillen Kämmerlein. Wenn ich jetzt mit 100 km/h zu schnell geblitzt würde, hätte das eine andere Auswirkung.

Bergsteigen, Abenteuer, schnelle Autos, wilder Kerl: Das Exzessive bleibt dennoch Teil der Erzählung "Henssler". Steuern Sie dieses öffentliche Bild von sich?
Nein, aber die Medien reduzieren das alles sehr schnell nur darauf. Du brauchst ja auch eine Schublade, in die du passt. Es ist nicht so, dass ich nur zu Hause sitze, mit 50 km/h zur Arbeit fahre und jeden freundlich grüße. Ich habe eben schnelle Autos, und es gibt genug Momente, in denen mein Management an mir verzweifelt. Aber wo ich mich befinde, geht es um Unterhaltung und nicht um Tiefgang. Was jemand politisch denkt - das interessiert doch gar keinen.

Was denken Sie politisch?
Klar habe ich eine Meinung. Aber ich äußere sie nicht ständig auf allen Social-Media-Kanälen. Ich weiß auch nicht, ob irgendjemand meine Meinung unbedingt hören möchte. Das mache ich im Privaten. Nur weil man mehr als 100.000 Leute bei Facebook hat, muss man nicht jeden Scheiß kommentieren.

Immerhin: Der zweifache Vater ist Schirmherr bei der Aktion "Gesundes Essen für Kinder" und engagiert sich auch bei der Stiftung "Mittagskinder", Kindertagesstätten in sozialen Brennpunkten, die sich um Kinder kümmern, "die zu Hause nicht gern gesehen sind", wie er es formuliert. Henssler und Kollegen kochen mit den Kids, machen Ausflüge. Nicht nur Halligalli also. Offenbar ist es dem Fernsehstar wichtig, der Gesellschaft etwas zurückzugeben und die Bodenhaftung nicht zu verlieren.

Steffen Henssler
© VOX / Frank W. Hempel "Grill den Henssler" auf Vox ist die Nachfolgesendung der "Kocharena". Seit 2014 ist Henssler bei RTL "Restauranttester"

Kann man sehen, ob jemand gut kocht?
Der Normalo lässt sich blenden. Wenn einer die Pfanne gut schwenkt und das Messer rund läuft, suggeriert das gleich, dass er gut kochen kann. Das lässt sich im Fernsehen schwierig transportieren. Wenn einer ein Mikro in die Hand nimmt und singt, weißt du sofort: Der singt gut oder singt schlecht. Wenn einer was kocht, musst du es eigentlich probieren.

Im Fernsehen steht aber ohnehin die Show im Vordergrund.
Der Wettkampf, würde ich sagen. Gleichzeitig ist es ein Balanceakt. Ich muss gute Unterhaltung bieten, aber mit einem Auge schauen, dass das, was ich koche, gut ist. Da komme ich her, das ist, was ich kann. Wenn ich da schwächeln und in jeder Sendung dreimal verlieren würde, würden sich die Leute auch wundern.

Sie lassen sich rasieren, rennen in Lederhosen herum, reißen Witze - wird in der Show zu viel Halligalli gemacht?
Die Show ist eine gute Mischung. Aber ich kann verstehen, dass das manchen zu viel Partytime in einer Bude ist.

Würden Sie Ihre dritte Tournee "Henssler tischt auf" als Kochshow bezeichnen?
Es ist Entertainment, ein Hauch Comedy, aber auch Kochen.

Es wird in der Wiener Stadthalle aber nicht nach Essen riechen?
Doch, das kann man schon hinkriegen.

Darf man auch kosten?
Ein paar Leute aus dem Publikum schon. Aber ich würde mir als Besucher eine Stulle einpacken oder ein bisschen Rohkost. Die Zuschauer bekommen nämlich Hunger, das ist schon nicht unlecker, was da passiert.

In der letzten Show ging es auch darum, was die Leute in Restaurants mitgehen lassen. Was klauen Ihre Gäste?
Das geht ganz profan los mit Klopapier, Besteck, Stäbchenbänkchen, Kochbuchseiten werden rausgerissen, Kleiderhaken werden aus der Klotür rausgeschraubt. Alles, was in irgendeiner Form bewegbar ist, wird eingesackt.

Klopapier als Souvenir?
Na ja, auf dem Klopapier steht nicht mein Name drauf. Noch nicht.


Steffen Henssler

Der Starkoch wurde 1972 im Schwarzwald geboren, wuchs aber in Norddeutschland auf, wo sein Vater ein Restaurant hatte, in dem er - nicht in der Küche! - schon als Bub mithalf. Nach der Kochlehre machte er in Kalifornien eine Ausbildung zum "Sushi Chef" und eröffnete 2001 in Hamburg sein erstes Lokal "Henssler"; 2009 folgte das "Ono". Henssler betreibt in Hamburg eine Kochschule.

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