Österreich hat ein
Lehrlings-Problem

Schlechtes Image: Betriebe suchen immer öfter vergeblich nach Lehrlingen

Den Elektro-Schuster in Pöchlarn in Niederösterreich gibt es seit über 70 Jahren. Seither hat der Betrieb rund 300 Lehrlinge ausgebildet. "Heuer ist es das erste Mal, dass wir keinen Lehrling erhalten haben", erzählte Renate Scheichelbauer-Schuster. Anderen kleineren Betrieben geht es ähnlich, große Industriefirmen tun sich leichter. Die Lehrlingssuche ist höchst unterschiedlich.

von Ein junger Handwerker in der Werkstatt © Bild: iStockphoto.com

"Die Not, keine Lehrlinge zu finden, haben wir nicht", schilderte der für das Personal zuständige KTM-Finanzvorstand, Viktor Sigl. Der oberösterreichische Motorradhersteller hatte heuer für 40 Lehrstellen über 270 Bewerber.

Den Fachkräftemangel spürt KTM aber trotzdem. Vor zwei Jahren gab es Probleme in der Produktion, weil KTM zu wenige Schweißer hatte und es auch keine am Arbeitsmarkt gab. Kurzerhand verpflichtete KTM seine Lehrlinge, zusätzlich eine Schweißausbildung zu machen.

Erfolgsmodell an der Kippe

Sowohl Scheichelbauer-Schuster als auch Sigl sind überzeugt, die Lehre in Österreich sei ein Erfolgsmodell - sowohl für die Wirtschaft als auch für die Lehrlinge. Trotzdem entscheiden sich Jahr für Jahr mehr als 60 Prozent der 15-Jährigen für eine höherbildende Schule. Die neu gegründete Wirtschaftsinitiative "z.l.ö. - zukunft.lehre.österreich" soll die duale Ausbildung - dual, weil sie in Betrieben und in der Berufsschule stattfindet - wieder attraktiver machen.

Eine Umfrage des market instituts für z.l.ö. unter 1.000 Österreichern hat ergeben, dass 82 Prozent der Meinung sind, dass es derzeit zu wenige Menschen gibt, die eine Lehre machen wollen. Lehrlinge selbst halten die Lehre für sehr attraktiv, in der Bevölkerung ist es um das Image der Lehre laut market-Chef Werner Beutelmeyer aber schlecht bestellt. Berufseinstieg und Karrierechancen werden bei Matura oder Studium demnach deutlich besser eingeschätzt.

Schulische Ausbildung bekommt den Vorzug

Das Gegenbeispiel liefert z.l.ö.-Präsident Werner Steinecker. Er selbst hatte 1972 als Lehrling in der Gmundener Lehrwerkstätte der Energie AG seine Karriere begonnen und ist heute, nach zwei Studien und einer postgraduelle Ausbildung Generaldirektor des Konzerns.

Aus Sicht der Initiative wird - trotz hoher Kosten für Nachhilfe - viel zu oft einer schulischen Ausbildung der Vorzug gegeben. Die Matura in HAK, HTL, HBLA oder Gymnasium stellt für die Lehre eine ernst zu nehmende Konkurrenz dar. Aus diesem Grund strich der Verein am Donnerstag in Wien in einer Pressekonferenz die Vorteile der Lehre hervor.

Ein Facharbeiter verdiene ähnlich viel ein Akademiker beim Berufseinstieg, mit dem Unterschied, dass ersterer schon seit er 15 ist, Geld verdient. Laut den Angaben der Initiative ergibt sich daraus ein höheres Lebenseinkommen. Bei KTM haben Lehrlinge, die Ausbildung mit gutem oder sehr gutem Erfolg absolvieren, eine Einstellungsgarantie, sagte Sigl. Obendrauf gibt es ein Motorrad geschenkt.

Wirtschaft selbst schuld?

Das Problem des Fachkräftemangels ist zum Teil aber auch von der Wirtschaft selbst verschuldet. Die Zahl der Betriebe, die Lehrlinge ausbilden ist seit Jahren rückläufig und lag Ende 2017 bei nur noch rund 29.000. Die Gewerkschaftsjugend kritisiert seit längerem, dass niemand darüber spreche, dass in den letzten zehn Jahren rund 10.000 Ausbildungsbetriebe verloren gegangen sind. Steinecker heute dazu: "Das liegt auch daran, dass viele Betriebe resignieren, weil sie keine Lehrlinge bekommen."

Im Fall der offenen Lehrstelle für Elektroinstallationstechnik bei Elektro-Schuster in Pöchlarn gibt es übrigens vielleicht doch noch ein Happy End. Erst kürzlich habe sie eine junge Frau kennengelernt, die sich für den Beruf des Elektrikers interessiert und nun zum Schnuppern eingeladen ist, sagte Renate Scheichelbauer-Schuster. Es wäre in der 70-jährigen Firmengeschichte die erste Elektrikerin, die Elektro-Schuster ausbildet.

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