Gestern und Heute
Mythos Weihnachtsansprache
Peter Pelinka über die Rede von Leopold Figl, die gar nicht zu Weihnachten stattfand
Sie findet sich auch auf Youtube, mit Quellenhinweis: „Eine der berühmtesten Reden vom damaligen Bundeskanzler von Österreich und Landeshauptmann a. D. von Niederösterreich Leopold Figl war die Weihnachtsansprache am 24.12.1945.“ Man hört tatsächlich berührende Worte, untermalt von „Stille Nacht, heilige Nacht“, dazu das Porträt Figls: „Ich kann euch zu Weihnachten nichts geben, kein Stück Brot, keine Kohle zum Heizen, kein Glas zum Einschneiden. Wir haben nichts. Ich kann euch nur bitten: Glaubt an dieses Österreich!“ Kommentare von Youtube-Nutzern fallen entsprechend aus, ihr Tenor: Das waren damals noch Politiker, hingegen die heutigen … Tatsächlich drücken die Worte des ehemaligen
KZ-Häftlings die Lage im neuen Österreich gut aus: bittere Armut, große Zerstörung, aber auch Freude über die Auferstehung eines eigenständigen Landes. Die Worte Figls gelten vielen bis heute als entscheidende Begleittöne dieses Prozesses. Bloß: Die Rede wurde zu Weihnachten 1945 gar nicht gehalten, schon gar nicht im Rundfunk. Der bereits todkranke Mann sprach sie erst im April 1965, drei Wochen vor seinem Tod. Die Idee dazu hatte Hans Magenschab, damals 26-jähriger Generalsekretär der Katholischen Verbände.