Swissair-Prozess - Gründe für die Pleite:
"Hunter"-Strategie führte direkt in die Krise

Neue Zusammenschlüsse waren Fass ohne Boden

Der Aufkauf von Beteiligungen an europäischen Fluggesellschaften hat zum Ruin der SAirGroup geführt. Der Geldabfluss an die zum Teil maroden Airlines war enorm. Dabei war die so genannte "Hunter"-Strategie als Ausweg aus der Isolation gedacht.

Durch das "Nein" des Schweizer Stimmvolks zu den EWR-Verträgen im Dezember 1992 war das bilaterale Luftverkehrsabkommen zwischen der Schweiz und der EU blockiert. Der Swissair war der freie Zugang zum europäischen Markt verwehrt.

Die Swissair suchte zunächst einen Ausweg im Zusammenschluss mit Austrian Airlines (AUA), der skandinavischen SAS und der niederländischen KLM. Das Projekt mit dem Namen "Alcazar" wurde aber 1993 abgebrochen.

1994 genehmigte der Verwaltungsrat den Erwerb einer Beteiligung von 49 Prozent an der belgischen Sabena. 1998 beschloss er auf Antrag der Konzernleitung die "Hunter"-Strategie. Ziel war es, sich Zugang zum europäischen Markt zu verschaffen.

In kurzen Abständen kaufte die SAirGroup Beteiligungen an europäischen Fluggesellschaften: 1998 waren es 34 Prozent an der italienischen Volare, 49 Prozent an der französischen Air Littoral, indirekt 49 Prozent an der Air Europe und 49,9 Prozent am deutschen Ferienflieger LTU. 1999 folgten Beteiligungen von 49,5 an AOM, 20  Prozent an South African Airways und 37,6 Prozent an der polnischen LOT.

Im Jahr 2000 vereinbarte die SAirGroup mit Belgien eine Absichtserklärung zur Erhöhung ihres Anteils an der Sabena von 49,5  Prozent auf 85 Prozent. Dies obwohl die Lage bei Sabena schon damals desolat war. Sabena flog im Jahr 2000 einen Verlust von 200 Mio. Euro ein.

Die Beteiligungen bei den diversen Gesellschaften erwiesen sich als Fass ohne Boden. Im August 2000 zeigte der vom Beratungsunternehmen McKinsey erarbeitete Bericht "Shield" die finanzielle Schieflage auf: McKinsey rechnete mit einer Finanzierungslücke von 3,225 bis 4,45 Mrd. Franken (2 bis 2,76 Mrd. Euro).

Im November 2000 diskutierte der Verwaltungsrat Ausstiegsszenarien. Im Dezember 2000 stellte schließlich der Verwaltungsrat fest, dass der SAirGroup die finanziellen Mittel zum Aufbau der "vierten Kraft" in Europa neben den drei großen Allianzen von 2001 fehlt.

Der Wendepunkt wurde im Jänner 2001 markiert. Der Verwaltungsrat beschloss, auf weitere Beteiligungen zu verzichten. Konzernchef Philippe Bruggisser musste zurücktreten, Eric Honegger übernahm die Leitung. Der Verwaltungsrat visierte nunmehr eine "Dual"-Strategie an. Am 25. Jänner wurde die Vereinbarung über eine Erhöhung des Anteils auf 85 Prozent an der maroden Sabena vollzogen.

Der Ausstieg aus den Beteiligungen erwies sich als kostspielig. Die Revisionsstelle PricewaterhouseCoopers (PwC) stellte im Februar 2001 Gruppenverbindlichkeiten von 10 Mrd. Franken fest. Davon waren 3,6 Mrd. Franken bereits 2001 fällig, 1,6 Mrd. Franken im Jahr 2002.

McKinsey errechnete für 2001 und 2002 einen Liquiditätsbedarf von bis zu 5,9 Mrd. Franken, der durch Erträge der flugverwandten Konzerntätigkeiten nicht zu decken war. Der Geldabfluss an die Sabena wurde auf 1,5 Mrd. Franken beziffert, zu den französischen Gesellschaften floss 1 Mrd. Franken und zur LTU 0,5 Mrd. Franken.

Im August 2001 wies die SAirGroup für das erste Halbjahr 2001 einen Verlust von 2,34 Mrd. Franken aus. Ende August 2001 lag die Eigenkapitalquote bei 2,55 Prozent. Der Konzern hatte 15 Mrd. Franken Schulden. Am 2. Oktober wurde der Flugbetrieb aus Geldmangel eingestellt. Zwei Tage später wurden die Gesuche um Nachlassstundung eingereicht. (apa)