Ein Haus, das
allen Stürmen trotzt

Das Wiener Konzerthaus als Beispiel für eine exzellent geführte Kulturinstitution: Während der Musikverein ohne Not in Turbulenzen manövriert wurde, glänzt die Konkurrenz

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Die Eitelkeit, die man als Treibstoff meines Berufs nicht geringschätzen sollte, gebietet eine kurze Einlassung vor Erreichung des eigentlichen Themas: An diesem Platz habe ich, dem unsterblichen Bruno Ganz nachrufend, in der Gestalt einer Wette mit der verehrten Leserschaft den nächsten Träger des Iffland-Rings hochgerechnet. Das war am 21. Februar, und einen Monat später war es tatsächlich der Wunderschauspieler Jens Harzer. Ich wusste es nicht (niemand wusste es), aber ich wusste, wo man anruft, um glaubwürdige Indizien zu beziehen. Und jetzt zur Sache. In dieser Woche gibt der Intendant des Wiener Konzerthauses, Matthias Naske, sein Programm für die Saison 2019/20 bekannt, und in der walten spezielle Bedingungen: Zunächst kann man, erstmals seit dem Umbau anno 2001, ohne die existenzbedrohende Schuldenlast von sechs Millionen Euro agieren. So gut hat der 2013 inthronisierte Intendant gewirtschaftet, dass das Haus die Hälfte der Summe aufbringen konnte. Den Rest übernahm die Politik. Dass das Konzerthaus zu solcher Kraftanstrengung in der Lage war, hat mit dem vorzüglichen Programm zwischen Klassik, Moderne und Jazz zu tun. Womit ich beim zweiten Spezifikum der Saison bin: 2020 wird Beethovens 250. Geburtstag begangen. Und so gewiss man sein Werk in Endlosschleife hören könnte: Es kommt darauf an, wer sich an ihm zu schaffen macht.

Unter den Symphonien-Zyklen der vergangenen Jahre zum Beispiel gab es nur einen, der haften geblieben ist: den radikalen, aber musikalisch erstklassig argumentierten des Dirigenten Teodor Currentzis bei den Salzburger Festspielen. Den Zuschlag für die Wiederholung des Ereignisses in Wien bekam nun Naske, der Currentzis seit Längerem an das Haus bindet. Der stabführende Branchenstar hätte gern das Theater an der Wien übernommen, doch die kleinmütige Stadtpolitik wies den Wundermann ab. Aber bei Naske dirigiert er im Herbst auch konzertant die drei Da-Ponte-Opern Mozarts, mit denen sein Aufstieg begonnen hat. Damit (und mit Dirigenten wie Jansons und Kirill Petrenko) besetzt Naske Königssegmente des klassischen Repertoires. Es wird aber auch ein Saal ausgeräumt, um psychisch Behinderte, die sich nicht in Sitzreihen fügen könnten, ans Herz der Musik zu führen. Und mit den Festwochen unter neuer, kompetenter Führung veranstaltet man einen Zyklus mit Werken der Zeitgenossin Sofia Gubaidulina (nachdem die alte, nicht so kompetente Festwochenführung den Kontakt abgebrochen hatte). 2021 könnte die Kooperation mit einem gigantischen, daher kaum gespielten Werk Luigi Nonos fortgesetzt werden. Auch mit dem designierten Operndirektor Roščić bahnt Naske Synergien an.

Der Musikverein wurde derweil ohne Not in Turbulenzen versetzt: Intendant Angyan geht 2020, und mit seinem voreilig ausgerufenen Nachfolger sollte man nach langen Endverhandlungen doch noch zum Abschluss kommen. Angyan hätte gern das eine oder andere Jahr angehängt. Das wäre auch plausibel gewesen, denn die beiden Institute ergänzen einander idealtypisch: Der Musikverein als welterste Adresse für das klassische Repertoire, das Konzerthaus mit dem Blick auf Alternatives. Kein vernünftiger Mensch, argumentiert Naske, könne das ändern wollen. In der Tat: Wie man keinen zweiten Musikverein braucht, braucht man auch kein zweites Konzerthaus. Und noch etwas hat Naske zu bemerken: Er bleibe seinem Freund und Mentor Angyan in dankbarer Wertschätzung für immer verbunden. Das lässt an die Vorgänge um Angyans Ablösung denken: Ein Medienfachmann im Vorstand der privaten Institution hat das betrieben, inspiriert von Personen, die Angyans Loyalität sehr viel verdanken und die Weltmarke Musikverein offenbar unfreundlich übernehmen wollten.

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