Wer von Kusej die "Burg" übernehmen könnte

Gegen die Vertragsverlängerung des Burgtheaterdirektors spricht nicht übertrieben viel. Aber dass es keine überzeugenden Gegenkandidaten gäbe, stimmt auch nicht. Überblicken Sie mit mir die Verhältnisse

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Jetzt klopft schon der April an, und dann ist es bekanntlich nicht mehr weit zum Sommer wie früher. Vor dem, wenn meine Informationen nicht trügen, zumindest das Amt des Burgtheaterdirektors ausgeschrieben wird (mit der Oper wartet man eventuell bis zum Herbst). Beide Amtsinhaber dürften dem Verbleib nicht abgeneigt sein, doch das Gesetz fordert bürokratische Umschweifigkeiten, denen die Politik durch den Einsatz zweier Gschaftlhuberkommissionen zusätzlich kakanische Dynamik verleiht.

Zwei Fragen harren also der Erörterung: Ist Martin Kusej, 60, ein guter Burgtheaterdirektor? Hier bin ich schon in der Vorwoche zu einem vermischt freundlichen Ergebnis gelangt. Und was hat es mit dem Argument auf sich, dass man jemanden Besseren ohnehin nicht finden werde?

Lassen Sie mich rekapitulieren, wie der Kärntner ins Amt kam. Nach Matthias Hartmanns (mittlerweile gerichtlich für substanzlos erklärter) Entlassung infolge des Finanzskandals übernahm 2014 Karin Bergmann. Ihr gelang viel, aber länger als fünf Jahre wollte sie nicht bleiben. Mittlerweile hatte Thomas Drozda die Kunst-Agenden von Josef Ostermayer übernommen. Doch dessen Berater, der Zweijahrhunderteschauspieler Gert Voss, blieb und hatte eine Präferenz: Thomas Ostermeier solle es werden, der Intendant der Berliner Schaubühne. Der heute 53-Jährige ist seit 1999 im Amt und trotzt mit klarem, text-und schauspielerzentriertem Theater dem postdramatischen Stildiktat. Atouts seines Ensembles sind Lars Eidinger und Joachim Meyerhoff, der mit Kusejs Antritt Wien verlassen hat.

Die Verhandlungen um die "Burg" waren fortgeschritten, da -so hört man - ging Ostermeier plötzlich nicht mehr ans Telefon. Weshalb sollte er auch die paradiesischen Verhältnisse in Berlin aufgeben, um ein von der Krise notdürftig genesenes Haus zu übernehmen? Allerdings hatte Drozda, das Ende der Regierung Kern ahnend, Riskantes angekündigt: Bis zum Sommer werde er neben der Staatsoper auch die "Burg" besetzt haben. Als nun Ostermeier ausfiel, wurde die Zeit knapp. Und unter den so genannten "Konservativen", die sich der Inszenierung nachvollziehbarer Theatertexte unter Einsatz bester Schauspieler verschrieben haben, bot sich einzig der in München amtierende Österreicher Kusej an: ein wuchtiger, von intellektuellen Exaltationen nicht angekränkelter Bilderfinder, der sich um die Nationalpretiosen Grillparzer und Schönherr Verdienste erworben hatte.

Dieser Konservativismus ist es auch, der Kusej scheinbar unersetzlich macht. Denn nichts wäre in Krisenzeiten fataler, als sich den immer publikumsferneren Verordnungen des in der Bedeutungslosigkeit versunkenen Berliner Theatertreffens zu unterwerfen. Die Blase hält zusammen und hat jüngst zwei Produktionen des Volkstheaters nach Berlin nominiert. Aber ein leergespieltes Haus kann nicht die Vision für die "Burg" sein. Auch die Begehrlichkeit nach Barbara Frey, Karin Beier, Friederike Heller, Barbara Mundel oder Bettina Hering hält sich in Grenzen. Gott sei Dank ist die bundestheatereigene Quote schon durch die Volksoperndirektorin Lotte de Beer teilgewährleistet (nach dem 50:50-Prinzip wäre für das Burgtheater jetzt ein Transgender zu nominieren).

Wer also sollte dem Spitzenkandidaten Kusej folgen, meinte es das Schicksal weniger gut mit ihm? In erster Linie Ostermeier, der nach zwei Jahrzehnten nun doch Veränderungswünsche an ein mittlerweile saniertes Haus verspüren könnte. Ginge es um Logik, müsste man unter Entschuldigungen Matthias Hartmann zurückbitten: Seine Direktionszeit war von stürmischem Zulauf und einem Prachtensemble um Nicholas Ofczarek, Michael Maertens, Joachim Meyerhoff, Sunnyi Melles überglänzt. Ein überaus ansprechendes Programm verantwortet Anselm Weber, 58, am Frankfurter Schauspielhaus, von dem man ihn gerade mittels Budgetguillotinierung vertreibt. Bernhards "Theatermacher" unter dem anarchischen Clown Herbert Fritsch, Mateja Koleznik im A-Segment mit "Hedda Gabler": Das sähe man sich gern an. Oder Andreas Beck, 56, dem das Wiener Schauspielhaus inspirierende Zeiten verdankt und der jetzt nach Kusej das Münchner Residenztheater leitet: Da ist alles schön balanciert zwischen "Hamlet" und "Andorra", Schirach, Kroetz, Achternbusch, Schimmelpfennig und Palmetshofer. Besser macht es nur Herbert Föttinger, 60, mit dem leidenschaftlichsten Uraufführungsprogramm des Landes in der "Josefstadt". Peymann, Krisch, Habjan haben sich schon von der Burg an die "Josefstadt" verändert, Andrea Breth wäre noch zu umgarnen: Und dann zurück mit der ganzen Partie an den Ring!

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