Mein Dank an einen erstklassigen Minister

Weil er kein Steiermärker ist, musste der namhafte Gelehrte Univ.-Prof. Dr. Heinz Faßmann aus dem Amt des Bildungsministers scheiden. Er hat vier Jahre lang ein Kabinett ungebildeter Buben erduldet und viel Gutes getan

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Dass Heinz Faßmann nicht mehr Unterrichtsminister ist, hat zwei Gründe, die geeignet sind, mich hinsichtlich der Alphabetisierungsquote des Landes in Sorge zu versetzen.

1. musste er abdanken, weil er kein Steiermärker ist und weil Landeshauptmann Schützenhöfer befand, dass die wissenschaftliche Exzellenz des Bundeslandes seit dem Rücktritt Christine Aschbachers bundespolitisch nicht mehr gebührend abgebildet war. Und 2. hat er sich mit einer Zumutung, die meine Frau und ich stets als Selbstverständlichkeit empfanden, in den Spätherbsttagen der Regierung Kurz den Rest gegeben: Er hat den Eltern die Verantwortung für ihre Kinder übertragen! Als alles geschlossen wurde, hat er unter mehrfacher Rücktrittsdrohung noch größeren seelischen und sozialen Schaden von den Kindern abgewendet. Er hat beschwerliche, aber wirksame Teststrategien entwickeln lassen, die in Wien dank qualifizierter politischer Entscheidungsträger bis heute ausgezeichnet greifen. Die enormen Inzidenzen innerhalb der jüngsten Bevölkerungsgruppe (die jetzt stärker als alle anderen sinken) hatten wesentlich damit zu tun, dass hier getestet wurde wie nirgendwo sonst. Als die Differenzen über die Schulschließungen zuletzt nicht mehr überbrückbar waren, hat Faßmann den suizidalen Akt gesetzt: Die Schulen blieben geöffnet, aber ein wohlbekannter Elterntypus stand vor der verstörenden Herausforderung, die Pfoten von den iPhones zu nehmen, sich ein Bild über die Verhältnisse zu machen und im Gespräch mit dem Nachwuchs eine Entscheidung zu treffen.

Ohne hier generalisieren zu wollen: Die nämlichen Figuren, die nicht müde werden, ihr Bürgerrecht z. B. auf unregulierte Ehrabschneidung und Existenzvernichtung im Internet zu behaupten, geraten außer sich, wenn ihnen die Regierung einmal nicht die Hand führt.

Faßmanns Vorgehen war insofern tödlich, als es zur Selbstverständlichkeit geworden ist, sich seiner Bürgerpflichten über die Shitstorm-Taste zu entledigen. Die Kinder hingegen und ihre Heranbildung zu selbstbestimmten Menschen sollen - tunlichst ganztags - in den Schulen deponiert werden. Begleitend wurde die Autorität der Lehrer, also die Grundausstattung für die Ausübung des Berufs, bis zur Nichtnachweisbarkeit untergraben.

Wer Lehrer ist und/oder selbst Kinder hat, kennt die pöbelnden Proleten aller sozialen Klassen, die von daheim akademisch qualifizierte Pädagogen maßregeln: Nicht in erster Linie die Kinder (die sind schon in Ordnung, wenn man sie lässt), sondern manche Eltern gehören diszipliniert. Wer, etwa als Alleinerzieher, in Bedrängnis ist, dem hat geholfen zu werden. Die anderen sollen sich zusammennehmen, es wird Zeit.

Um nun endlich zu Heinz Faßmann zurückzukommen: Ich wünsche ihm viel Freude bei der Heimkehr in die akademische Welt. Vor allem aber habe ich ihm zu danken, persönlich und doch pars pro toto. Dafür, dass meine jüngere Tochter im Gymnasium ihre Freunde treffen kann, statt erschöpft und verschlossen zu Hause zu sitzen. Dafür, dass meine ältere Tochter im Frühsommer 2020 inmitten der pandemischen Untergänge sicher und erfolgreich maturieren konnte. Nicht zuletzt auch deshalb, weil den sadistischen Giftwichteln, die für die Mathematik-Klausur gegen die Anweisung des Ministers besonders miese Beispiele ersonnen hatten, mittels kluger Einbeziehung des Jahresabschlusses die fauligen Beißer gezogen wurden. Da das inferiore Gremium allerdings nicht hören wollte, wurde es vom Minister zweimal ausgetauscht, bis dem das Personal ausging.

O. Univ.-Prof. Dr. Heinz Faßmann hat damit den ersten Schritt zur Relativierung der debilen Zentralmatura gesetzt. Möge diese Notwendigkeit auch der Nachfolger erkennen! Tunlichst, indem er wie der Vorgänger den großen Pädagogen Kurt Scholz, vormals Präsident des Stadtschulrats, auf Reisen zu den Betroffenen im ganzen Bundesgebiet schickt, um ihre Sorgen zu katalogisieren. Möge er dann den Literaturunterricht wieder in seine Rechte einsetzen und den Textsorten "Leserbrief" und "Meinungsrede" den ihnen gebührenden Platz zuweisen, nämlich im Bereich der Freizeitgestaltung. Das wäre doppelt so wichtig wie die Laptops, die Faßmann den Kindern dankenswerterweise zukommen ließ.

Faßmann, ein namhafter Gelehrter, konnte viel Gutes durchsetzen, indem er sich mit beträchtlicher Leidensfähigkeit vier Jahre lang von einem Kabinett ungebildeter Buben als alter Depp behandeln ließ. Buben sind die neuen Entscheidungsträger nachweislich keine mehr (als wäre dies das Problem gewesen). Und dass uns Margarete Schramböck erhalten geblieben ist, freut Satiriker und den anderen Landeshauptmann.

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