Hier spricht der
Ressort-Autist

Alle freuen sich auf Schwarz-Grün. Ich als Fachidiot in den Belangen der Kunst hingegen kein bisschen. Und als Vater schulpflichtiger Töchter schon gar nicht

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Als gefürchteter Ressort-Autist -noch dazu in einem Ressort, dem die Verhaltensoriginalität wesenseigen ist -sieht man manche Materien aus verengtem Blickwinkel. Im gegenständlichen Fall ich die allseits als erlösend herbeigesehnte türkis-grüne Koalition. Wobei ich den Kulturbegriff insofern ein wenig erweitern muss, als ich hemmungslos glücklicher Vater zweier gymnasialpflichtiger Töchter bin. Dass sich der Segen grüner Bildungspolitik über ihnen entladen könnte, ist zwar unwahrscheinlich: Selbst die Jüngere hat das Gesamtschulalter demnächst hinter sich, beiden ist daher ein soweit alphabetisiertes Umfeld bis zur Matura sicher. Aber dass der universal gebildete Mathematiker Rudolf Taschner, den ich gern als türkisen Bildungsminister gesehen hätte, trotz lawinenartiger Zugewinne der ÖVP sein Mandat verfehlt, ist kein gutes Zeichen. Schon wird auch der Verbleib des fähigen Bildungsministers Fassmann infrage gestellt, obwohl andere, auf deren Comeback ich leichten Herzens verzichten könnte, schon auf dem Heimweg in ihre Ämter sind. Das ist insofern fatal, als sich in Fassmanns Auftrag der sozialdemokratische Humanist und Bildungspolitiker Kurt Scholz gerade aufmachen soll, der kriminellen Abwertung des Literaturunterrichts im Gefolge der Zentralmatura zu begegnen. Das könnte etwas werden, denn Scholz war schon bei der Abmilderung der hirnweichen Mathematik-Matura erfolgreich.

Zöge allerdings ein grüner Bildungsminister über dem Land auf, so bliebe hochrechenbar keine Zeit, sich bei Details wie Literatur und Sprache aufzuhalten. Es ginge dann eher um die Aufrechterhaltung der allgemeinen Lesefähigkeit zur Entzifferung unkomplizierter Drucksorten, die schon jetzt nicht Standard ist. Und wer meint, das Schulsystem sei bei der ÖVP in sicherer Hand, der sei an die Herren Leitl (Wirtschaftskammer, inaktiv) und Wallner (Vorarlberg, hoch aktiv) erinnert, die mit dem Milliardär Androsch unverdrossen die Gesamtschule propagiert haben. Klar, weil gebildete, verfeinerte, selbständig denkende Menschen die Thrombosen im Wirtschaftskreislauf sind.

Andererseits ist die Materie aus Politikerblickwinkel wohl nicht wichtig genug, um sich ernstlich zu exponieren: Wer jüngste Interviews mit Parteichef Kogler gelesen hat, in denen das Wort "Migration" keinerlei Erwähnung fand, dem mag schon ein Licht darüber aufgegangen sein, dass sich das einschlägige Regierungsprogramm auf den Begriff "Beteiligung", Unterabteilung "Vizekanzler", konzentrieren dürfte.

Womit ich bei der Kultur in engerer Begrifflichkeit bin. Noch mehr als die Bildung ist sie Orchideenmaterie, die traditionell erst verteilt wird, wenn man sich schon grundsätzlich einig ist und (wie in meiner Kindheit beim Greißler) noch ein paar Zuckerl an Stelle von zehn Groschen Wechselgeld auf den Tisch müssen. Ein grüner Kunstminister ist also eine realistische, drohende Option.

Grüne Kulturpolitik - das habe ich als unverdrossen links denkender ehemaliger Sympathisant dieser Gruppierung gelernt - ist alles, was mit Kultur nichts zu tun hat. Grüne Kulturpolitik ist elitenfeindlich und damit ein Widersinn in sich. Denn Kunst ist radikal undemokratisch, nämlich elitär in Höchstausprägung: Der Zweitbeste ist gegenüber dem Besten schon im Nachteil, und die zahlreichen zweifelhaften Charaktere der Kulturgeschichte (exemplarisch: Goethe und Wagner) sind den verschwindend wenigen Branchen-Gutartigen um ein paar Galaxien überlegen. Grüne Kulturpolitik entstellt unstatthafte literarische Texte und denunziert mit gerichtlich verurteilten Kampagnen fähige Leute wie die Museumsdirektoren Gerald Matt (Kunsthalle) und Agnes Husslein (Belvedere). Sage ich, der Ressort-Autist, ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

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