Herr Intendant,
"voll in den Miesen"

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Dass sich die einst stilbildende, für das Post-DDR-Theater identitätsstiftende Berliner Volksbühne in prekären Umständen befindet, ist bekannt: Ein dilettierender Kurzzeit-Kulturstaatssekretär hatte dort den großen Intendanten Frank Castorf durch einen an Selbstüberschätzung laborierenden belgischen Museumsdirektor ersetzt. Der Mann wurde aus dem Amt befördert, doch die Situation des Hauses bleibt bedrohlich. Nun liest man in der Lokalpresse Unerhörtes: Auch das bis Ende der vergangenen Saison mit Fortüne von Claus Peymann geleitete Berliner Ensemble sei "voll in den Miesen" - 1,04 Millionen Defizit, und verantwortlich sei dafür kein anderer als Peymann. So ließ dessen Nachfolger Oliver Reese wissen. Wie das trotz stürmischen Publikumszulaufs möglich gewesen sein soll? Er habe "lange unterbliebene Investitionen in den Standort" tätigen müssen, erklärt Reese und nennt die Aufrüstung mittels WLAN. Auch habe er "ein komplett neues Ensemble" und 22 neue Produktionen (gegenüber zehn im Vorjahr) finanzieren müssen. Fassen wir zusammen: Ein Intendant wirft schändlicherweise ein bewährtes Ensemble hinaus, kann daher die Erfolge seines Vorgängers nicht übernehmen und produziert, offenbar ohne Rücksichtnahme auf das Budget, wie ein Besessener. Möglicherweise hätte man, statt sich einen WLAN-Zugang zu leisten, besser auf die Abfertigungssumme für Meister Reese gespart.

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